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Femoroacetabuläres Impingement beim Sportler

Insbesondere bei Sportlern treten Hüftschmerzen regelmässig auf und führen bei 30–40% der Betroffenen zu einer chronischen Schmerzausprägung.1 Diagnostik und Therapie sind häufig sehr herausfordernd, da die Schmerzen in der Hüftregion oft multifaktoriell bedingt sind. Patienten mit einer intraartikulären Schmerzursache sehen im Schnitt bis zu drei ärztliche Kollegen, bevor die richtige Diagnose gestellt wird.2 Die häufigste ist das femoroacetabuläre Impingement-Syndrom.

Keypoints

  • Das FAIStritt bewegungs- assoziiert auf und wird durch eine knöcherne Pathologie an Femur und/oder Acetabulum symptomatisch.

  • Die Diagnose des FAIS wird zunächst klinisch gestellt und radiologisch durch Erkennung und Bewertung der Deformitäten an Femurkopf und Acetabulum komplettiert.

  • Das Cam-FAIS entwickelt sich durch Überlastungen während der Adoleszenz in Abhängigkeit von Art und Intensität des Sports.

  • Ein Präventionsfenster während der Adoleszenz kann möglicherweise genutzt werden, um die Entwicklung des FAIS zu beeinflussen.

Das femoroacetabuläre Impingement-Syndrom (FAIS) beschreibt einen Bewegungsmechanismus, bei dem es durch repetitives Anschlagen des Kopf-Schenkelhals-Übergangs an den Acetabulumrand zu Schäden am Gelenkknorpel und am Labrum acetabulare kommt. Man unterscheidet zwei Arten des FAIS: Cam-FAIS und Pincer-FAIS, die isoliert oder, wie in etwa 70% der Fälle, kombiniert auftreten. Allen FAI-Formen gemein ist, dass sie unbehandelt zu zunehmenden Knorpelschäden führen und grundsätzlich zunächst als präarthrotische Deformität anzusehen sind.3

Die lange Zeit nicht einheitlich definierten Kriterien zur Diagnostik und Therapie des FAI führten 2016 zum «Warwick Agreement consensus statement».4 Die wichtigsten Prinzipien und Terminologien dieses Konsensus-Meetings sind in Tabelle 1 zusammengefasst. FAI-Syndrom – und nicht FAI oder FAI-Morphologie – ist der empfohlene Begriff für Patienten mit klinischen und radiologischen Zeichen. Auf andere Begrifflichkeiten sollte verzichtet werden, um Verwirrung und Mehrdeutigkeit zu vermeiden.

Tab. 1: Die wichtigsten Prinzipien und Terminologien des „Warwick Agreement consensus statement“4

Cam-FAIS

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Abb. 1: Cam-FAIS des linken Hüftgelenks eines 17-jährigen Patienten in Dunn-View-Projektion. Großer Schenkelhals-Bump infolge einer durchgemachten ECF mit Verdrahtung im Alter von 13 Jahren und kompletter Metallentfernung mit 14 Jahren. Es zeigen sich bereits beginnende degenerative Veränderungen des Hüftgelenks

Das FAIS von Cam-Typ ist die Folge einer anatomischen Veränderung am Kopf-Schenkelhals-Übergang des Femurs (Abb.1). Typischerweise zeigt sich ein asphärischer Femurkopf mit einem verminderten Kopf-Schenkelhals-Offset, der auch als «Schenkelhals-Bump» bezeichnet wird. Durch das repetitive Anschlagen dieses «Bumps» am anterolateralen Pfannenrand des Acetabulums kommt es zu einer Erhöhung der Scher- und Abriebkräfte am chondrolabralen Komplex und in weiterer Folge zur Ruptur.5,6 Diese Separation macht den Knorpel vulnerabel und führt insbesondere beim FAI vom Cam-Typ zu Knorpeldelaminationen, die bei ausgeprägten Befunden auch bis weit nach posterolateral reichen können.

In einem kürzlich durchgeführten Literaturreview konnten keine Hinweise auf einen Einfluss genetischer Faktoren auf die Entwicklung eines FAI gefunden werden.7 Es gibt jedoch zunehmende Evidenz darüber, dass starke Belastungen der Epiphysenfuge während der Adoleszenz und/oder eine Epiphyseolysis capitis femoris (ECF) (Lenta-Form) zu einer Deformierung des Kopf-Schenkelhals-Übergangs führen.8 Bis zum Wachstumsschub ab dem 12. Lebensjahr stellt sich die Wachstumsfuge relativ horizontal dar. Flexions-Rotations-Modelle haben eine relative Überlastung und Kompression der lateralen Epiphysenfuge zeigen können. Dies führt in der Folge zu einer vermehrten Knochenbildung medialseitig im Vergleich zu lateralseitig und somit kommt es zu einem lateralen Abflachen der Epiphysenfuge. Dies führt wiederum dazu, dass es anstelle von Kompressionskräften zu Scherkräften kommt, woraus anterolateral eine vermehrte Knochenbildung resultiert. Dieser Prozess geht vermutlich bis zum Schluss der Epiphysenfuge weiter.8

Pincer-FAIS

Beim Pincer-FAIS kommt es durch eine vermehrte Pfannenrandüberdachung des Hüftkopfs zum verfrühten Anschlagen des Schenkelhalses am Pfannenrand und in der Folge zu einer Quetschung des Labrum acetabulare. Bei länger anhaltenden Befunden kann das Labrum acetabulare durch wiederholte Traumata Verkalkungen zeigen oder gar komplett ossifizieren. Die Knorpelschäden sind dabei meistens auf den Bereich der Pincer-Komponente begrenzt. Durch den Hebelmechanismus des Schenkelhalses über den Pfannenrand kann dorsoinferior eine sogenannte «Contre-coup»-Läsion auftreten. Weitere Ursachen, die zu einer Pincer-Symptomatik führen können, sind die Coxa profunda, eine Protrusio acetabuli oder Pfannenretroversion. Bei einer vermehrten Beckenkippung («pelvic tilt») nach vorne kann es zu einer vermehrten ventralen Überdachung des Femurkopfs kommen und so ein Pincer-FAIS-Effekt imitiert und die Innenrotation des Femurs eingeschränkt werden; dies wird als funktionelles FAIS bezeichnet.

Der Einfluss von Sport auf die Entwicklung eines FAIS

Es scheint einen Zusammenhang zwischen sportlicher Aktivität und der Entwicklung eines FAIS – insbesondere des Cam-FAIS – während der Adoleszenz zu geben. In einer Metaanalyse wurden 300 Athleten aus «High impact»-Sportarten (Fussball, Eishockey etc.) mit 290 Kontrollpatienten verglichen. In dieser grossen Gruppe im Alter von 12 bis 21 Jahren zeigte sich bei Hochleistungssportlern 2- bis 8-mal häufiger ein Cam-FAIS. Männliche Athleten hatten dabei eine Prävalenz von 41%, in der Kontrollgruppe lag diese im Vergleich bei 17%.9

Am Beispiel des Eishockeys als «High impact»-Sportart konnte kürzlich gezeigt werden, welchen Einfluss der Sport auf die Entwicklung des FAIS hat. Zwei Drittel der 74 adoleszenten männlichen Eishockeyspieler zeigten in der MRT Zeichen eines FAI und 21% zeigten klinische Auffälligkeiten. Interessanterweise hatten die Spieler mit klinischem und radiologischem FAIS keine funktionellen Defizite (Muskelkraft, Performance auf dem Eis) im Vergleich zu der Gruppe, die keine FAI-Morphologie zeigte.9 Eine weitere Arbeit über 210 adoleszente Jugendliche in «High impact»-Sportarten konnte zeigen, dass die Intensität des Sports während dieser Phase eine deutliche Prävalenz zur Entwicklung eines Cam-FAIS aufwies.10

Kann demnach die Entwicklung eines FAIS während der Adoleszenz durch Anpassung der Aktivität und Reduzierung der Trainingsstunden verlangsamt werden? Bisher gibt es noch wenig Daten zur Beantwortung dieser Frage, sodass zum jetzigen Zeitpunkt keine klare Empfehlung ausgesprochen werden kann, in welcher Art und Weise das Training und die Belastung angepasst werden sollen.

Verteilung des FAIS und asymptomatische Befunde

Es ist bekannt, dass viele Patienten mit radiologischen Befunden, die auf ein FAIS hindeuten, klinisch beschwerdefrei oder -arm sind.8 In einer asymptomatischen Population gesunder Männer zeigte sich eine radiologische Prävalenz von etwa 25% mit Zeichen eines FAI mit Labrum- und Knorpelschäden. Interessanterweise zeigen sich keine asymptomatischen Cam-Deformitäten bei jungen symptomlosen Frauen. Es bleibt jedoch die Frage, welche Messparameter herangezogen werden, um eine klare Diagnose zu stellen, und wenn es diese gibt, wie zuverlässig sie sind. Viele Patienten sind in einem «Graubereich» anzusiedeln, wo keine klare Abgrenzung zwischen gesund und pathologischem Befund besteht. Eine Möglichkeit, sich der Problematik zu nähern, ist ein Populationsmodell, wie in Anlehnung an Sutter und Pfirrmann 2017 in Abbildung 2 beschrieben ist. Welches Modell sollte bei FAIS-Verdacht betrachtet werden? Das sogenannte Standardmodell, bei dem eine relativ klare Trennung zwischen der gesunden und der FAIS-Population besteht? Oder trifft das Modell mit vermehrter Überlappung beider Gruppen eher zu? Im Standardmodell lässt sich eine klare Trennlinie oder Schwelle zwischen beiden Gruppen definieren, wie z.B. ein bestimmter klinischer Test. In der klinischen Praxis wird jedoch eher das zweite Modell beobachtet, sodass die klinischen und radiologischen Untersuchungen, die wir standardmässig durchführen, häufig zu falsch-positiven oder falsch-negativen Ergebnissen führen. Es sollte klar sein, dass ein radiologischer Befund nur eines von vielen Puzzleteilen im Prozess der Diagnostik darstellt und immer mit dem klinischen Bild, den Symptomen, der Vorgeschichte und dem Aktivitätslevel des Patienten abgeglichen werden sollte, damit eine korrekte Diagnose gestellt werden kann. Aktuell gibt es kein eindeutiges Diagnostik-Tool, das immer eine genaue Zuordnung zu einer der beiden Gruppen erlaubt. Dennoch ist die aktuelle Bildgebung geeignet, bei vielen Patienten eine klinische FAIS-Verdachtsdiagnose zu erhärten oder zu bestätigen.8

Abb. 2: Die Grafik zeigt oben das sogenannte Standardmodell, das von einer theoretischen Verteilung aus gesunder Bevölkerung und Patienten mit eindeutigen FAI-Zeichen ausgeht. Die Schwelle zeigt einen sehr geringen Anteil an sich überlappenden Kurvenanteilen und geht von eindeutigen Tests und Untersuchungsergebnissen aus, die eine Differenzierung erlauben. Die untere Grafik zeigt das sogenannte Überlappungsmodell, das hingegen davon ausgeht, dass ein grosser Anteil beider Gruppen eine Überschneidung (falsch-positive oder falsch-negative Befunde) zeigt, was in der Folge bedeutet, dass es keine eindeutigen Tests zu geben scheint, die eine klare Differenzierung zulassen (mod. nach Sutter und Pfirrmann 2017)8

Klinisches Fallbeispiel

Bei einem Spieler der 2. Deutschen Fussballbundesliga im Alter von 29 Jahren mit umfangreicher Erfahrung von knapp 150 Spielen in der 1. Bundesliga wurde bei der sportärztlichen Tauglichkeitsuntersuchung im Rahmen der körperlichen Untersuchung ein positives Impingement-Zeichen festgestellt und in der Bildgebung eine Cam-Deformität gezeigt. Bei fehlenden anamnestischen Hinweisen, fehlenden Einschränkungen und fehlenden Impingement-assoziierten Ausfällen in den vorangegangenen Spielzeiten wurde das medizinische Risiko durch die Mannschaftsärzte zunächst als gering eingeschätzt. Die Diagnose eines klinisch stummen FAIS stellt beim Medizincheck keine Seltenheit dar. Bei 25% der asymptomatischen Profifussballspieler sind Zeichen eines FAIS in der Bildgebung nachweisbar.11

Es traten zunächst wechselnde Beschwerden auf, die phasenweise den Rücken, das ipsilaterale Knie, das Sprunggelenk und die Achillessehne betrafen und dem Spieler in dieser Form bislang nicht bekannt waren. Es schlossen sich immer wieder kurze Ausfallzeiten an. Schnell konnte ein FAIS als zentrale Pathologie identifiziert werden, die klinisch zwar selten im Vordergrund stand, aber über muskuläre Fehl- und Überlastungen wesentlich zu den unspezifischen sekundären Symptomen beitrug. Nun zeigten sich klinisch auch ein Leistenschmerz nach längeren Busfahrten und eine im Vergleich zur Gegenseite eingeschränkte Innenrotation der rechten Hüfte.

Gemeinsam mit dem Spieler wurde nach ausführlicher Aufklärung die Entscheidung zur operativen Therapie des FAIS getroffen. Retrospektiv bestand vor vielen Jahren eine längere Episode mit Problemen der betroffenen Hüfte, deren Ursache damals jedoch nicht identifiziert wurde.

Neben der präoperativen Röntgendiagnostik (Abb. 3a) wurde eine Kernspintomografie mit intraartikulärer Kontrastmittelgabe durchgeführt, in der sich neben einer anterolateralen Labrumläsion auch Hinweise auf eine Knorpeldelamination zeigten.

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Abb. 3: Rechtes Hüftgelenk eines 29-jährigen professionellen Fussballspielers in Dunn-View-Projektion. a) präoperativ mit Cam-FAIS und deutlichem Schenkelhals-Bump sowie vergrössertem Alpha-Winkel und b) postoperativ mit Korrektur des Kopf-Schenkelhals-Übergangs und nun regelrechtem Alpha-Winkel

In der in arthroskopisch assistierter Mini-open-Technik12 durchgeführten Operation bestätigte sich die grosse Cam-Deformität. Das in der Impingementzone degenerierte Labrum wies Verknöcherungen auf, die nach Teilablösung des Labrums sparsam reseziert wurden. Der zentrale Knorpel zeigte sich vollständig intakt. Eine beginnende Knorpeldelamination in der Impingementzone wurde débridiert, mikrofrakturiert und mit einer azellulären Chondrozytenmatrix (Chondro-Gide®, Geistlich Pharma AG, Wolhusen, Schweiz) versorgt, ehe das Labrum über drei Nahtanker refixiert wurde. Im Anschluss erfolgte die Schenkelhalsosteoplastik mit Abtragung der Cam-Deformität. Abbildung 3b zeigt das postoperative Ergebnis bei Entlassung.

Im Anschluss an die Operation erfolgte eine intensive individuelle Rehabilitation. Die Rückkehr zumsportartspezifischen Training gelang nach etwa 3 Monaten, die Rückkehr ins Mannschaftstraining nach 6 Monaten. Die erste Nominierung für den Spieltagskader erfolgte nach etwa 10 Monaten. Zum ersten Punktspieleinsatz kam es etwa ein Jahr nach der Operation. Durch einige Einsätze im letzten Saisondrittel leistete der Spieler schliesslich noch einen wertvollen Beitrag zum Aufstieg der Mannschaft in die 1. Bundesliga.

1 Langhout R et al.: Hip and groin injury is the most common non-time-loss injury in female amateur football. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2019; 27(10): 3133-41 2 Nunley RM et al.: Clinical presentation of symptomatic acetabular dysplasia in skeletally mature patients. J Bone Joint Surg Am 2011; 93(Suppl 2): 17-21 3 Sankar WN et al.: Femoroacetabular impingement: defining the condition and its role in the pathophysiology of osteoarthritis. J Am Acad Orthop Surg 2013; 21 (Suppl 1): 7-15 4 Griffin DR et al.: The Warwick Agreement on femoroacetabular impingement syndrome (FAI syndrome): an international consensus statement. Br J Sports Med 2016; 50(19): 1169-76 5 Ganz R et al.: Femoroacetabular impingement: a cause for osteoarthritis of the hip. Clin Orthop Relat Res 2003; (417): 112-20 6 Beck M et al.: Hip morphology influences the pattern of damage to the acetabular cartilage. Femoroacetabular impingement as a cause of early osteoarthritis of the hip. J Bone Joint Surg Br 2005; 87(7): 1012-8 7 Packer JD, Safran MR: The etiology of primary femoroacetabular impingement: genetics or acquired deformity? J Hip Preserv Surg 2015; 2(3): 249-57 8 Sutter R, Pfirrmann CWA: Update on femoroacetabular impingement: what is new, and how should we assess it? Semin Musculoskelet Radiol 2017; 21(5): 518-28 9 Nepple JJ et al.: What is the association between sports participation and the development of proximal femoral cam deformity? A systematic review and meta-analysis. Am J Sports Med 2015; 43(11): 2833-40 10 Agricola R et al.: A cam deformity is gradually acquired during skeletal maturation in adolescent and young male soccer players: a prospective study with minimum 2-year follow-up. Am J Sports Med 2014; 42(4): 798-806 11 Marquez WH et al.: Prevalence of labrum and articular cartilage injuries of the hip on 3T magnetic resonance imaging of asymptomatic elite soccer players. Rev Esp Cir Ortop Traumatol (Engl Ed) 2019; 63(2): 77-85 12 Ezechieli M et al.: Arthroskopisch assistierte Mini-open-Arthrotomie zur Behandlung des femoroazetabulären Impingements: Videobeitrag [Arthroscopic-assisted mini-open technique for the treatment of femoroacetabular impingement : video article]. Orthopade 2019; 48(3): 195-201

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