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Tarsale Coalitio

Häufig verkannte Ursache für Fußschmerzen im Jugendalter

<p class="article-intro">Fußschmerzen im Jugendalter sind in Bezug auf ihre Ätiologie sehr unterschiedlich. Die tarsale Coalitio als Schmerzauslöser bleibt viel zu oft über lange Zeit unerkannt. Einfache klinische Untersuchungen sind bei dieser Erkrankung jedoch bereits wegweisend, sofern an das mögliche Vorliegen einer tarsalen Coalitio gedacht wird.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei unklaren Fu&szlig;schmerzen im Jugendalter muss an das Vorliegen einer tarsalen Coalitio gedacht werden.</li> <li>Durchf&uuml;hrung des Heel-Rise- Tests bei allen Patienten mit Knick-Plattfu&szlig;</li> <li>&Uuml;berpr&uuml;fung der Beweglichkeit im Subtalargelenk bei allen Jugendlichen mit Fu&szlig;schmerzen</li> <li>Auf Hinweise auf Vorliegen einer Coalitio tarsalis im seitlichen Strahlengang des konventionellen R&ouml;ntgens achten (&bdquo;anteater nose sign&ldquo;, C-Sign)</li> <li>Bei Verdacht auf tarsale Coalitio Screening mittels MRT (strahlungsfrei)</li> <li>Bei schmerzhafter Coalitio tarsalis sollte eine fr&uuml;hzeitige Resektion angestrebt werden.</li> </ul> <h2>Definition und Klassifikation</h2> Tarsale Coalitionen sind eine relativ h&auml;ufige Anomalie des Fu&szlig;es. Definitionsgem&auml;&szlig; versteht man darunter br&uuml;ckenartige Verbindungen zwischen zwei oder mehr Knochen des R&uuml;ck- und/oder Mittelfu&szlig;es. Nach der Art der Verbindung k&ouml;nnen kn&ouml;cherne, kartilagin&auml;re und fibr&ouml;se Coalitionen unterschieden werden. Die Klassifikation erfolgt anhand der Lokalisation der Br&uuml;cke. Am h&auml;ufigsten werden Coalitionen kalkaneonavikular (53 % ) und talokalkanear (37 % ) beschrieben. Sie k&ouml;nnen jedoch auch zwischen anderen Fu&szlig;wurzelknochen auftreten. Oft entwickelt sich eine zunehmende fixierte (!) Knick-Plattfu&szlig;-Stellung. Fu&szlig;form und -stellung k&ouml;nnen jedoch auch normal sein. Multiple Coalitionen zwischen mehreren Knochen treten meist im Rahmen eines komplexen Syndroms auf, z.B. bei Apert-Syndrom oder Fibulahemimelie. <h2>&Auml;tiologie und Epidemiologie</h2> Die &Auml;tiologie der Coalitio tarsalis ist bisher nicht genau bekannt. Eine St&ouml;rung von Differenzierung und Segmentierung der primitiven mesenchymalen Anlage der tarsalen Knochen wird angenommen (Harris 1955). Die Inzidenz liegt bei ca. 1 % (Stormont 1983). Das m&auml;nnliche Geschlecht ist leicht bevorzugt betroffen und 39 % der Patienten haben Verwandte ersten Grades, die ebenfalls tarsale Coalitionen aufweisen (Leonard 1974). Aus diesen Gr&uuml;nden wird ein autosomal-dominanter Erbgang mit relativ hoher Penetranz angenommen. 60 % der kalkaneonavikularen und 50 % der talokalkanearen Coalitionen treten bilateral auf. <h2>Klinik</h2> Nicht alle Patienten mit tarsalen Coalitionen werden symptomatisch. Treten jedoch Beschwerden auf, so ist der Schmerz das leitende Symptom. Die Coalitionen werden erst durch die fortschreitende Ossifikation der bestehenden fibr&ouml;sen oder kartilagin&auml;ren Br&uuml;cke schmerzhaft. Durch die Verkn&ouml;cherung der Verbindungen der tarsalen Knochen entsteht eine Bewegungseinschr&auml;nkung der Fu&szlig;wurzelgelenke, insbesondere des Subtalargelenkes. Es kommt zu kompensatorischer Fehl- und Mehrbelastung von benachbarten Gelenken.<br /> Der Zeitpunkt des Auftretens von Schmerzen liefert Hinweise auf die Lokalisation der Coalitio: So verkn&ouml;chern kalkaneonavikulare Coalitionen typischerweise in einem Alter von 8&ndash;12 Jahren, w&auml;hrend talokalkaneare Coalitionen erst mit etwa 12&ndash;16 Jahren symptomatisch werden. Oft findet sich in der Anamnese ein banales Supinationstrauma, dem oft monatelange persistierende Schmerzen folgen, die auf konservative Therapieversuche (Modelleinlagen, Physiotherapie, Gips) nicht ansprechen. Angegeben werden Schmerzen praktisch ausschlie&szlig;lich bei und nach Belastung oder sportlicher Aktivit&auml;t. H&auml;ufig wird der Schmerz in die Au&szlig;enkn&ouml;chelregion projiziert. <h2>Klinische Untersuchung</h2> Liegt eine (Knick-)Plattfu&szlig;-Stellung vor, finden sich dementsprechend ein meist deutlich verst&auml;rkter Fersenvalgus sowie ein abgeflachtes Fu&szlig;l&auml;ngsgew&ouml;lbe. Der Heel-Rise-Test (Abb. 1) ist die einfachste und beste klinische Methode, um zwischen flexiblem und fixiertem Knick- Plattfu&szlig; zu unterscheiden: Bleibt eine Varisierung der Ferse im Zehenspitzenstand aus, ist das Subtalargelenk nicht frei beweglich. Bereits dieses klinische Zeichen muss zum Verdacht auf das Vorliegen einer tarsalen Coalitio f&uuml;hren.<br /> Bei Patienten mit Knick-Plattf&uuml;&szlig;en k&ouml;nnen im Gangbild auch eine erh&ouml;hte Au&szlig;enrotation des Fu&szlig;es mit erh&ouml;htem Fu&szlig;&ouml;ffnungswinkel sowie eine verminderte Dorsalextensionsf&auml;higkeit im oberen Sprunggelenk aufgrund einer Achillessehnenverk&uuml;rzung auffallen.<br /> Bei allen Patienten mit tarsalen Coalitionen finden sich &ndash; unabh&auml;ngig von der Fu&szlig;form &ndash; auch Druckschmerzhaftigkeit &uuml;ber dem Sinus tarsi und der Coalitio selbst. Der Schmerz l&auml;sst sich h&auml;ufig durch Pro- und Supinationsbewegungen provozieren. Hierbei kann bei einigen Patienten auch ein schmerzhafter Peronealsehnenspasmus beobachtet werden.<br /> Der wichtigste Schritt in der passiven klinischen Untersuchung muss die &Uuml;berpr&uuml;fung der subtalaren Beweglichkeit sein. Im unteren Sprunggelenk lassen sich, vor allem bei bereits verkn&ouml;cherten Coalitionen, oft lediglich schmerzhafte Wackelbewegungen durchf&uuml;hren.</div> <div>&nbsp;</div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s61_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="749" /></div> <div> <h2>Bildgebende Diagnostik</h2> In standardm&auml;&szlig;ig durchgef&uuml;hrten R&ouml;ntgenaufnahmen des Fu&szlig;es, dp und seitlich im Stehen, lassen sich die beiden h&auml;ufigsten Coalitionen nicht ausreichend darstellen. Jedoch gibt es f&uuml;r beide Coalitio- Typen typische Ver&auml;nderungen. So liefert im seitlichen Strahlengang zwar das &bdquo;anteater nose sign&ldquo; (verl&auml;ngerter Processus anterior calcanei) einen Hinweis auf das Vorliegen einer kalkaneonavikularen Coalitio (Abb. 2), die Diagnose l&auml;sst sich aber nur durch die Darstellung der Coalitio in der 45&deg;-Schr&auml;gaufnahme sichern (Abb. 3).<br /><br /> &Auml;hnliches gilt f&uuml;r die talokalkaneare Coalitio: W&auml;hrend in der seitlichen Standardaufnahme das C-Sign (fehlende Unterbrechung zwischen medialer Talusschulter und Sustentaculum tali) auf eine talokalkaneare Coalitio hinweist (Abb. 4), ist zur Diagnosesicherung die Durchf&uuml;hrung einer Computertomografie ratsam (Abb. 5). Dieses diagnostische Mittel bringt nicht nur die talokalkaneare Coalitio am besten zur Darstellung, sondern l&auml;sst im Hinblick auf eine operative Therapie auch eine Beurteilung des Ausma&szlig;es der Br&uuml;cke und der beteiligten Facetten des unteren Sprunggelenkes zu.<br /> Die Magnetresonanztomografie liefert ebenfalls exzellente Ergebnisse in Darstellung und Beurteilbarkeit von tarsalen Coalitionen. Zudem vermag sie zwischen kn&ouml;chernen, kartilagin&auml;ren und fibr&ouml;sen Br&uuml;cken zu differenzieren. Zum Ausschluss einer Coalitio tarsalis bei unklaren klinischen und nativradiologischen Befunden sollte aufgrund der Strahlungsfreiheit die Durchf&uuml;hrung eines MRT gew&auml;hlt und das CT erst bei gesicherter Diagnose zur OP-Planung herangezogen werden. Des Weiteren ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass es sich empfiehlt, die vermutete tarsale Coalitio in der entsprechenden Schichtaufnahme auch als Orthop&auml;de selbst zu verifizieren bzw. auszuschlie&szlig;en, da die schriftlichen radiologischen Befunde hier oftmals inkonklusiv sind.</div> <div>&nbsp;</div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s61_abb2_3_4.jpg" alt="" width="684" height="1709" /></div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s61_abb5.jpg" alt="" width="684" height="899" /></div> <div> <h2>Therapie</h2> Die Therapie der tarsalen Coalitio wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Entlastung und Ruhigstellung der betroffenen F&uuml;&szlig;e bringen f&uuml;r die jungen Patienten zwar oft eine Besserung der Schmerzsituation w&auml;hrend des Tragens der Orthese oder des Gipses, sind jedoch langfristig nicht zufriedenstellend. Bei Patienten mit schmerzhaften Coalitionen erscheint ein operatives Vorgehen zur dauerhaften Schmerzbeseitigung und ggf. gleichzeitigen Stellungskorrektur am sinnvollsten. Die operativen M&ouml;glichkeiten sind folgende: <ul> <li>Resektion der tarsalen Coalitio und Interposition eines Platzhalters (Fett/ Muskel/Knochenwachs) zur Rezidivprophylaxe (Abb. 6);</li> <li>Korrektur der Planovalgus-Deformit&auml;t (Kalkaneusstoppschraube/Arthrorise/ Osteotomien) (Abb. 7);</li> <li>subtalare Arthrodese.</li> </ul> F&uuml;r kalkaneonavikulare Coalitionen sollte fr&uuml;h und gro&szlig;z&uuml;gig die Indikation zur Resektion gestellt werden. Die OPTechnik ist in diesen F&auml;llen relativ einfach und die Ergebnisse nach ausreichender Resektion und Korrektur der Fehlstellung gut.<br /> Bei talokalkanearen Coalitionen ist eine differenzierte Abw&auml;gung von Alter, Fehlstellung, Leidensdruck und Prognose angebracht.<br /> Vor Wachstumsabschluss sollte immer die Resektion angestrebt werden. Neben Schmerzreduktion stehen hier der langfristige Erhalt einer (Teil-)Mobilit&auml;t des Subtalargelenkes und die Vermeidung von Arthrosen benachbarter Gelenke im Vordergrund. Nach Wachstumsabschluss sollte die Resektion Patienten mit kleinen Coalitionen, lokalen Schmerzen und fehlenden degenerativen Ver&auml;nderungen der tarsalen Gelenke vorbehalten bleiben. Bei ausgedehnten kn&ouml;chernen Coalitionen, Fehlstellungen und Arthrosen wird nach Wachstumsabschluss die Durchf&uuml;hrung einer (reorientierenden) Arthrodese des Subtalargelenkes empfohlen.</div> <div>&nbsp;</div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s61_abb6.jpg" alt="" width="1417" height="446" /></div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s61_abb7.jpg" alt="" width="1417" height="531" /></div> <div> <h2>Ergebnisse und Prognose</h2> Bei der Aufkl&auml;rung des Patienten sollte ausdr&uuml;cklich darauf hingewiesen werden, dass mit einer vollst&auml;ndigen Integrit&auml;t des R&uuml;ckfu&szlig;komplexes auch nach ausreichender Resektion und Stellungskorrektur nicht zu rechnen ist. Zumeist zeigt sich zwar eine deutlich verbesserte Beweglichkeit im talokalkaneonavikularen Gelenkkomplex, jedoch bestehen nach k&ouml;rperlicher Belastung und sportlicher Aktivit&auml;t oft Restbeschwerden. Die Rezidivrate (Reossifikation) betr&auml;gt etwa 6&ndash;8 % .</div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei der Verfasserin</p> </div> </p>
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