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Klinische und radiologische Resultate nach Knorpelersatz mit MaioRegen® im Talus
Jatros
Autor:
PD Dr. Martin Kaipel
Facharzt für Orthopädie und orthopädische<br> Chirurgie, Facharzt für Unfallchirurgie,<br> Fußambulanz UKH Lorenz Böhler Wien<br> E-Mail: martin.kaipel@auva.at
30
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30.03.2017
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<p class="article-intro">Seit einigen Jahren ist zur chirurgischen Behandlung von osteochondralen Läsionen ein dreischichtiges Kollagen-Hydroxylapatit- Implantat erhältlich, das neben dem Knorpeldefekt auch eine erfolgreiche Rekonstruktion des subchondralen Knochens ermöglicht. Ziel unserer Studie war die Untersuchung von klinischen Ergebnissen und der Gewebequalität nach Versorgung von OCL mittels MaioRegen<sup>®</sup> an der medialen Talusschulter.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Gute klinische Kurzzeitergebnisse nach Knorpelersatztherapie (AMIC) mittels MaioRegen<sup>®</sup> bestätigt</li> <li>Einfache technische Handhabung intraoperativ</li> <li>Gutes „Back-up“-System für Arthrotomien aufgrund einer OCL</li> <li>Hinweise auf reduzierte Gewebequalität im Vergleich zu gesundem hyalinem Gelenkknorpel</li> </ul> </div> <p>Osteochondrale Läsionen (OCL) am Talus sind eine häufige Pathologie, die oftmals durch repetitive Traumen oder im Zuge einer Osteochondritis dissecans auftreten.<sup>1</sup> Kleinere OCL mit einer intakten Knorpeloberfläche können konservativ behandelt werden. Größere symptomatische Läsionen sollten einer operativen Therapie zugeführt werden.<sup>2</sup> Chirurgisches Débridement und Micro-Fracturing des Defekts zeigen gute kurz- und mittelfristige Daten und können arthroskopisch erfolgen. Allerdings verschlechtern sich die Ergebnisse konstant nach 5–6 Jahren.<sup>3</sup> Transplantierte osteochondrale Zylinder als Autograft sind klinisch effektiv,<sup>4</sup> aber meist mit einer Entnahmemorbidität verbunden und erweisen sich als insuffizient zur Behandlung großer OCL.<br /><br /> Autologe Matrix-induzierte Chondrogenese (AMIC) zeigte bei Verwendung einfacher Kollagenmatrizes gute Erfolgsraten.<sup>5</sup> Diese ersetzen aber eigentlich nur die ursprüngliche Knorpelschicht, Defekte im subchondralen Knochen müssen meist mit autologer Spongiosa aufgefüllt werden. Seit einigen Jahren ist für osteochondrale Defekte ein dreischichtiges Kollagen- Hydroxylapatit-Implantat erhältlich, das neben dem Knorpeldefekt auch eine erfolgreiche Rekonstruktion des subchondralen Knochens ermöglicht (MaioRegen<sup>®</sup>). Aktuelle Ergebnisse einer Langzeitstudie am Knie zeigen vielversprechende Resultate.<sup>6</sup> Kurzfristige Ergebnisse am Knie derselben Autorengruppe<sup>7</sup> sowie aus einer skandinavischen Studie am Knie und Sprunggelenk<sup>8</sup> ergaben jedoch ein etwas widersprüchlicheres Bild. Ziel dieser Studie<sup>9</sup> war die Untersuchung von klinischen und radiologischen Kurzzeitergebnissen nach Versorgung von OCL mittels MaioRegen<sup>®</sup> an der medialen Talusschulter im Jahr 2013. Um zusätzliche Hinweise auf die Qualität des Regeneratknorpels zu erhalten, wurden biochemische MRI-Sequenzen (T2-Mapping) verwendet. T2-Mapping ist eine gut evaluierte Technik zum Vergleich des Gehalts an Wasser und Kollagen im gesunden und regenerierten Gelenkknorpel<sup>10</sup> und bietet sich zur Beurteilung des Heilungsverlaufs nach operativer Sanierung von OCL mittels MaioRegen<sup>®</sup> an.</p> <h2>Patienten und Methoden</h2> <p>Das Studienprotokoll und alle Messungen wurden durch die lokale Ethikkomission (No. 40/2012) und das Clinical Trial Registry des N.I.H. (No. NCT02345564) genehmigt. <strong>Patienten</strong> Die Einschlusskriterien waren: - unterschriebener Einverständnisbogen zur Teilnahme an der Studie<br /> - einzelne umschriebene OCL an der medialen Talusschulter<br /> - Defektgröße =1,5cm<sup>2</sup> an der Oberfläche, maximale Tiefe von 1,5cm<br /> - Alter zwischen 15 und 55 Jahren<br /> Die Ausschlusskriterien waren:<br /> - bekannte Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis<br /> - lokale oder chronische Infektionszeichen<br /> - vorbekannte Frakturen oder Operationen am Sprunggelenk<br /> - Kontraindikationen zur Durchführung einer MRI<br /><br /> 6 Patienten wurden in der Studie erfasst. Bei 2 Patienten mussten die Messungen in der MRI aufgrund hoher Artefaktbildung durch die verwendeten Implantate (Stahlschrauben) abgebrochen werden. 4 Patienten (2 Frauen und 2 Männer, Durchschnittsalter 27 Jahre) wurden letztendlich in der Studie ausgewertet. Die Diagnostik der OCL erfolgte 3 bis 6 Monate präoperativ durch Standard-MRI. Die durchschnittliche Defektgröße war 2,6cm2 (1,6–4,2 cm<sup>2</sup>).<br /> Die Messung der klinischen Resultate erfolgte präoperativ und 6, 12, 18 und 24 Monate nach dem Eingriff durch Erhebung des Ankle Disability Index und AOFASScores. In allen Fällen wurde eine MRI inklusive der biochemischen Sequenzen (T2-Mapping) 18 Monate postoperativ durchgeführt.<br /><br /> <strong>Implantat</strong> In dieser Studie wurde ein zellfreies, dreischichtiges Kollagen-Hydroxylapatit- Implantat (MaioRegen<sup>®</sup> Finceramica, Faenza S.p.A., Italy) untersucht. Dieses besteht aus einer porösen Nanostruktur, die in einem ersten Schritt das osteochondrale Gewebe ersetzt und in einem zweiten Schritt nach Einwachsen körpereigener Zellen resorbiert wird.<br /><br /> <strong>Operationstechnik</strong> Alle Patienten wurden am Rücken liegend gelagert und in herkömmlicher Weise abgedeckt. Durch eine Arthroskopie des oberen Sprunggelenkes wurde die Diagnose bestätigt und eine Größeneinschätzung des Defekts vorgenommen. Danach wurden eine Osteotomie des medialen Malleolus und ein Débridement des Defekts durchgeführt. Dabei wurde der subchondrale Knochen so weit präpariert, bis ein geeignetes Bett in gewünschter Tiefe (6–8mm) zur Aufnahme des Implantats geschaffen war. Das MaioRegen<sup>®</sup>-Implantat wurde in die gewünschte Passform geschnitten und in der Press-fit-Technik eingebracht (Abb. 1). Als zusätzlicher Stabilisator wurde Fibrinkleber verwendet. Die Knöchelosteotomie wurde mittels zweier kanülierter Schrauben (4,0mm Titan oder Stahl) refixiert. Eine postoperative Ruhigstellung im Unterschenkelgips wurde für 6 Wochen verordnet, Belastungsaufbau erfolgte bei allen Patienten ab der 7. Woche.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s74_abb1.jpg" alt="" width="721" height="1062" /><br /><br /> <strong>MRI</strong> Bei allen Patienten wurde 18 Monate postoperativ ein MRI inklusive biochemischer Sequenzen (T2-Mapping) durchgeführt. Die Messungen wurden durch drei unabhängige Untersucher ausgewertet. In einem ersten Schritt erfolgte eine morphologische Analyse gemäß dem korrigierten MOCART-Score.<sup>11</sup> In einem zweiten Schritt erfolgte die qualitative Analyse des Regeneratknorpels mittels T2-Mapping. Hierbei wurde basierend auf einer „Region of interest“(ROI)-Analyse der Regeneratknorpel mit gesundem Gelenkknorpel verglichen.</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p><strong>Klinische Daten</strong><br /> Postoperativ kam es in keinem der Fälle zu einer Infektion, Wundheilungsstörung oder Pseudarthrose an der Osteotomiestelle. Der Ankle Disability Index (p<0,05, Abb. 2), aber auch der AOFAS-Score (p<0,03, Abb. 3) zeigten eine signifikante Verbesserung 18 Monate nach der Operation, verglichen mit dem präoperativen Status.<br /><br /> <strong>Morphologische MRI-Befunde</strong> Der durchschnittliche korrigierte MOCART- Score 18 Monate nach dem Eingriff war 75 (Schwankungsbreite 70 bis 80). 3 von 4 Patienten zeigten eine komplette Füllung des Defekts 18 Monate nach Implantation. Bei allen Patienten zeigte sich die Oberfläche des Regeneratgewebes intakt und mit isointensem Signal im Vergleich zum gesunden Gelenkknorpel.<br /><br /> <strong>Qualitative MRI-Befunde</strong><br /> In dieser Studie wurde T2-Mapping (Abb. 4) in Form der Erhebung der globalen T2-Werte durchgeführt. Die globalen T2-Relaxationszeiten zeigten sich im Regeneratgewebe signifikant erhöht im Vergleich zum gesunden Gelenkknorpel (p< 0,029, Abb. 5). <strong>Diskussion</strong> Die wichtigste Erkenntnis der Studie ist eine kontinuierliche, signifikante Verbesserung aller klinischen Parameter nach der operativen Sanierung von OCL mit dem MaioRegen<sup>®</sup>-Implantat. Präoperativ gaben 3 von 4 Patienten anhaltende Schmerzen im Sprunggelenk an. 18 Monate nach dem Eingriff gab nur mehr 1 Patient gelegentliche Schmerzen bei Belastung an. Allen 4 Patienten war eine Rückkehr zum Sport möglich und alle waren frei von Einschränkungen im täglichen Alltag. Zudem erwies sich die technische Handhabung des Implantats intraoperativ als einfach. Durch eine gewisse Schwellneigung bei Press-fit-Implantation ergibt sich bereits primär eine gute Stabilität, die durch zusätzliche Verwendung eines Fibrinklebers verstärkt werden kann. Fehlende Entnahmemorbidität und die Möglichkeit, ein passendes Implantat ohne großen infrastrukturellen Aufwand als „Back-up“ im OP-Bereich zu lagern, erwiesen sich als weitere Vorteile dieser Operationstechnik.<br /> Eine weitere wichtige Erkenntnis der Studie betrifft die Qualität des Regeneratgewebes. Im Gegensatz zu den sehr erfreulichen morphologischen Aspekten im Zuge des MOCART-Scores (intakte Gelenkoberfläche und isointense Signalcharakteristik des Regeneratknorpels bei allen Patienten) zeigte sich doch ein signifikanter Unterschied in der Bestimmung der globalen T2-Relaxationszeiten zwischen Regenerat- und gesundem Gelenkknorpel. Dies bedeutet einen signifikant unterschiedlichen Gehalt an Wasser und Kollagenfasern im Vergleich zur gesunden Gelenkoberfläche. Somit scheint das Regeneratgewebe eher einem bindegewebigen Ersatzfaserknorpel zu entsprechen. Reduzierte biomechanische Eigenschaften müssen daher erwartet werden.<br /> Unglücklicherweise weist diese prospektive Fallserie klare Einschränkungen hinsichtlich der Methodik auf. Letztendlich konnten nur 4 Patienten 24 Monate postoperativ voll ausgewertet werden. Die gewonnene Datenlage ist sicherlich nicht ausreichend, um verlässliche Aussagen hinsichtlich der klinischen Wertigkeit dieses innovativen Therapieverfahrens zu treffen. Immerhin konnten nicht invasiv wertvolle Daten bezüglich der Qualität des Regeneratgewebes von einer unabhängigen Arbeitsgruppe gewonnen werden. Die Annahme eines biomechanisch weniger belastungsfähigen Regeneratknorpels nach Implantation von MaioRegen<sup>®</sup> zur Therapie von OCL kann letztlich nur durch histologische Untersuchungen bestätigt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s74_abb2_3.jpg" alt="" width="2150" height="925" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s74_abb4.jpg" alt="" width="722" height="865" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s74_abb5.jpg" alt="" width="933" height="1002" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Die chirurgische Versorgung von OCL am Talus mit der MaioRegen<sup>®</sup>- Matrix brachte erfreuliche klinische Resultate und bestach durch einfache Handhabung im Operationssaal. Biochemische MRT-Daten dieser Studie gaben jedoch Hinweise auf eine reduzierte Gewebequalität des Regeneratknorpels im Vergleich zu gesundem hyalinen Gelenkknorpel. Die Durchführung dieses Projekts wurde durch den Vienna Science and Technology Fund, Project WWTFLS11-018, gefördert.</div></p>
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Hannon CP et al: Bone Joint J 2014; 96-B(2): 164-71 <strong>2</strong> Baums MH et al: World J Orthop 2014; 5(3): 171-9 <strong>3</strong> Murawski CD et al: Cartilage 2010; 1(2): 137-44 <strong>4</strong> Gautier E et al: J Bone Joint Surg Br 2002; 84(2): 237-44 <strong>5</strong> Kubosch EJ et al: Int Orthop 2016; 40(1): 65-71 <strong>6</strong> Kon E e t a l: A m J Sports Med 2014; 42(1): 158-65 <strong>7</strong> Brix M et al: Int Orthop 2016; 40(3): 625-32 <strong>8</strong> Christensen B B et al: Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2016; 24(7): 2380-7 <strong>9</strong> Kaipel M et al: J Foot Ankle Surg; in press <strong>10</strong> Baum T et al: Osteoarthritis Cartilage 2013; 21(10): 1474-84 <strong>11</strong> Marlovits S et al: Eur J Radiolog 2006; 57(1): 16-23</p>
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