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Notfall oder abwarten?
Jatros
Autor:
Dr. Alexander Egkher
Universitätsklinik für Unfallchirurgie, <br>Medizinische Universität Wien<br>E-Mail: alexander.egkher@meduniwien.ac.at
Autor:
Prof. Dr. Helmut Seitz
LKH Judenburg-Knittelfeld, Judenburg
30
Min. Lesezeit
23.02.2017
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<p class="article-intro">Die traumatisch bedingte Epiphysenlösung des Hüftkopfes ist ein äußerst seltenes Ereignis. Erschwert wird die Behandlung dieser Kinder durch diverse Besonderheiten im Diagnosepfad und die oft nicht so einfache Abgrenzung von den ebenfalls extrem seltenen diversen Formen der nicht traumatisch verursachten Epiphysenlösungen des Hüftkopfes. Diese Unsicherheit lässt sich eins zu eins auf die obligatorische operative Therapie übertragen: Auch hier gibt es unzählige Behandlungsalgorithmen, in nunmehr über 100 Jahren in der Literatur dargestellt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Anatomie</h2> <p>Die Wachstumsfuge im proximalen Femurende stellt sich pyramidenförmig bis sphärisch konvex, mit der Spitze zum Acetabulum gerichtet, dar. Der Großteil der Fuge befindet sich zentral innerhalb des Kopfes. Die Fuge erreicht die Oberfläche des Kopfes im knorpelig überzogenen gelenkstragenden Anteil. Damit sind traumatische Fugenlösungen des Hüftkopfes per definitionem Gelenksfrakturen mit allen damit verbundenen Konsequenzen. Anatomisch haben diese Läsionen kaum etwas mit Frakturformen der Schenkelhalsregion zu tun, es sind eher Luxationsfrakturen des Oberschenkelkopfes, ähnlich Oberschenkelkopffrakturen von Erwachsenen klassifiziert nach Pipkin.<br /> Die Gefäßversorgung<sup>1, 2</sup> des Hüftkopfes wird durch drei Stromgebiete gewährleistet:<br /> - Vertikale Äste der proximalen Femurepiphyse: Diese Äste penetrieren den Hüftkopfknorpel von kaudal.<br /> - Horizontale Äste von lateral-dorsal aus der A. circumflexa femoris medialis: Diese Gefäße penetrieren den knorpeligen Kopf von lateral kranial.<br /> - Gefäße über dem Lig. teres/Lig. capitis femoris: Diese Äste übernehmen einen guten Anteil der Kopfversorgung erst am Beginn der Pubertät um das 10. Lebensjahr.<br /> Die Hauptversorgung der Durchblutung des kindlichen/jugendlichen Hüftkopfes verändert sich im zeitlichen Verlauf. Im Kindesalter erfolgt die Durchblutung über Metaphysengefäße und Äste der A. colli femoris medialis. Diese beiden Gefäßstromgebiete bilden zahlreiche Anastomosen. Ab dem 3. bis 5. Lebensjahr kommt es mit Ausbildung des kapitalen Knochenkernes zur Etablierung der Wachstumsfuge. Metaphysäre Äste durchdringen immer weniger diese Fuge; die Durchblutung des Kopfes wird hauptsächlich über die lateral kommenden Äste der A. circumflexa femoris medialis gewährleistet. Wird dieser Schenkel der Durchblutung durch Entzündung oder Trauma mit Gelenkserguss kompromittiert, führt dies zwangsläufig zu einer Minderversorgung des Oberschenkelkopfes. Dies ist die wahrscheinliche Genese für die Hüftkopfnekrose (Morbus Perthes).<sup>3</sup> Ab der Adoleszenz, etwa ab dem 10. Lebensjahr, kommt es zu einer zunehmenden Ausbildung von Anastomosen aus dem Stromgebiet A. circumflexa femoris medialis und den Gefäßästen aus dem Lig. capitis femoris. Ab diesem Zeitpunkt ist zwar eine Hüftkopfnekrose unwahrscheinlicher, aber durch diese Veränderungen der Strombahn kann es zu einer Schwächung der Wachstumsfugenbereiche kommen.</p> <h2>Biomechanik</h2> <p>Das Hüftgelenk ist, isoliert betrachtet, ein Kugelgelenk mit Bewegungsgraden und -freiheiten in allen Richtungen des Raumes. Knöchern stellt der Kontakt des Schenkelhalses mit dem Acetabulumrand eine gewisse Limitierung der Bewegung dar. Umschlossen wird das Hüftgelenk von einer straffen Kapsel mit teilweise stärkeren Strukturen zwischen Linea und Crista intertrochanterica und den acetabulumnahen beteiligten Knochen des Beckens. Die Fasern sind dabei schraubenförmig schrägverlaufend angeordnet, bei Überstreckung im Hüftgelenk spannen sich diese Fasern an und blockieren eine weitere Streckbewegung.<br /><br /><strong> Dynamik im Untergurtmodell</strong><br /> Überschaubar ist die Funktion der großen Hüftbeuger und -strecker: M. iliopsoas, M. rectus femoris und Mm. glutei medius und maximus. Es gibt eine Reihe von kleinen Hüftrotatoren (M. piriformis, M. obturatorius int. und ext., Mm. gemelli, M. quadratus femoris und die Mm. adductores), die nicht nur die Rotation des Beines steuern, sondern statisch im Sinne eines Turmkranes auch als Untergurt wirken.<sup>4</sup> In der Bewegung aber stellen diese „kleinen“ Muskeln – ähnlich dem Schultergelenk – eine Zentrierung des Kopfes im Acetabulum sicher. Damit ist jedoch der Kraftvektor in der Bewegung nicht nach kranial, parallel zur Körperschwerpunktachse, gerichtet, sondern dynamisch, mit sich ständig ändernder Richtung, im Durchschnitt zentral in das Zentrum des Acetabulums ausgerichtet. Damit sind die Form und Stellung der Wachstumsfuge am Hüftkopf erklärbar, da in der Regel Wachstumsfugen senkrecht auf die Hauptbelastungsvektoren ausgerichtet sind.<br /> Grob dargestellt ist die Wachstumsfuge in der Adoleszenz pyramidenförmig bis kugelsektorförmig und erinnert dabei entfernt an bipolare Hüftkopfprothesen mit innerer und äußerer Kugel.<sup>5</sup> Denkbar wäre ein ähnliches Verhalten der Selbstzentrierung, wobei es zu einer ständigen Ausrichtung des äußeren, mobilen Kopfanteiles bei stattgehabter Fugenlösung in Richtung des Belastungsvektors kommen kann. Eine Belastbarkeit der betroffenen Extremität kann unter Umständen selbst damit möglich sein.<br /><br /><strong> Kräfte am Oberschenkelkopf</strong> <br />Die Belastungsverhältnisse am Hüftkopf können relativ einfach mit den Hebelgesetzen abgeschätzt werden und entsprechen unter physiologischen Verhältnissen beim Stehen mit beiden Beinen in Ruhe etwa dem halben Körpergewicht.<sup>6</sup> Dies ändert sich deutlich beim Gehen, Laufen und Springen mit Belastungen am Hüftkopf bis zum Dreifachen des Körpergewichts für ein Gelenk. Stürze aus größerer Höhe und Hochakzelerationstraumen durch motorisch unterstützte Bewegung (Motorrad, motorisierte Sportgeräte) steigern die Belastung ins Unermessliche – jedes Verletzungsmuster ist dadurch möglich. Überraschend ist jedoch der Umstand, dass banales Stolpern über einen Maulwurfshügel oder eine Teppichkante eine Belastung an einem Hüftgelenk mit Kraftspitzen vom ca. Neunfachen des Körpergewichtes verursachen kann.<sup>7</sup> Verstärkt wird dieser Umstand der groben Kraft noch dadurch, dass der Kraftvektor bei einem solchen – für den Patienten überraschenden – Ereignis nicht in der Achse des Schenkelhalses verläuft, da die Muskeln in der Geschwindigkeit des Ablaufes den Hüftkopf nicht mehr zentrieren können. Was dies für die belastete Wachstumsfuge bedeutet, speziell bei moderater Adipositas und weiteren Risikofaktoren (z.B. notwendige Entlastung der Gegenseite), wird noch erörtert.</p> <h2>Pathogenese</h2> <p><strong>Traumatische Epiphysenlösung</strong><br /> Die traumatische Wachstumsfugenlösung ist ein plötzliches Ereignis: Durch ein Trauma kommt es schlagartig zu einer Fehlstellung der unteren Extremität in Außenrotation und Verkürzung. Das Bein kann weder angehoben noch belastet werden. Massive Schmerzen im Bereich der Leiste, ausstrahlend bis zum Kniegelenk, werden angegeben. Teilweise werden die Schmerzen ausschließlich im Kniegelenk angegeben – dies kann unerfahrene Kollegen in die Irre führen.<br /> Die Frakturfläche des am Femurhals verbliebenen Kopfteiles bildet eine Kante, welche das Acetabulum zwingendermaßen im kranial-ventralen Anteil arrodiert,<sup>8, 9</sup> der restliche Kopfanteil weicht nach dorsal und distal aus. Weiters kommt es durch diese Kante zu einer Verletzung des ventrokranialen Acetabulumrandes und zu Einrissen des Limbus.<sup>10</sup><br /> Bei Ruptur/Fraktur im Bereich der Wachstumsfuge wird zwangsläufig die femorale Spongiosa freigelegt. Damit kommt es zu Blutungen aus der frisch eröffneten Spongiosa. Bei Dislokation füllt sich der so entstandene Raum mit Blut, das Blut verklumpt in kürzester Zeit zu Koagel. Gerade bei Kindern kommt es bereits innerhalb von Tagen zu einer Organisation dieses Blutkuchens und Umwandlung in Bindegewebe. Die anatomische Reposition einer Fraktur – und dies gilt für alle Frakturen – wird durch die Anwesenheit von Koagel deutlich erschwert, bei in Organisation befindlichem Bindegewebe unmöglich gemacht.<br /><br /> <strong>Zweizeitiger Verlauf</strong><br /> Neben diesem klassischen Muster kann es durchaus untypisch erscheinende Verletzungsverläufe geben. Mitunter wird ein abgelaufenes Trauma der betroffenen Hüftregion angegeben:<sup>11</sup> Der akute Schmerz klingt rasch ab, die Wachstumsfuge wurde dabei traumatisiert und in ihrem Gefüge gestört. Die Kinder klagen im Intervall von einigen Wochen über anhaltende bzw. zunehmende Beschwerden meist in der Leistenregion und im Oberschenkel<sup>12</sup> oder aber eben auch nur ausschließlich über Beschwerden im Kniegelenk.<br /> Die Ursache von Schmerzen eines jeden traumatisierten Gelenkes ist eine diffuse Schwellung und/oder ein zunehmender Gelenkserguss. Dieser Gelenkserguss entsteht infolge von Zerrungen/Zerreißungen der Gelenkskapsel, aber auch reaktiv durch den gequetschten Gelenksknorpel (im MRT als „bone bruise“ sichtbar). Dazu zählen auch traumatisierte knorpelige Anteile des Hüftkopfes. Wegen des erhöhten Drucks im Gelenk durch den Erguss kommt es zu einer verminderten Durchblutung. Die Blutversorgung des Hüftkopfes wird kompromittiert. Umbauprozesse in der traumatisierten Wachstumsfuge andererseits führen zu einer nachvollziehbaren Aufweichung, wie wir dies bei traumatisierten Gelenken und deren Knorpelflächen kennen. Kommt es dann – oft durch ein „Bagatelltrauma“ – zum einschneidenden Ereignis der vollständigen Dislokation in der Wachstumsfuge, wird ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Ersttrauma und der Fugenlösung selbst von den behandelnden Ärzten nicht mehr gesehen. Erst bei eingehender Überprüfung dieser Krankengeschichten kommen dann die genau dokumentierten vorangegangenen Traumen ans Tageslicht.<br /><br /><strong> Heterogenes Bild bei verzögerter Diagnosestellung</strong><br /> Verzögert sich die Diagnosestellung, kann sich das pathomorphologische Bild äußerst heterogen darstellen. Stattgehabte Traumen, Heilungsprozesse und neuerliche Traumen („Stolpern“) zu verschiedensten Zeitpunkten ergeben schlussendlich eine Momentaufnahme in der Bildgebung, aus der die gesamte Anamnese der Entstehung schwerlich hergeleitet werden kann.<br /><br /><strong> Alter und Körpergewicht als Faktoren</strong><br /> Dies soll keinen Widerspruch zu anderen Formen der kindlichen Epiphysenlösung des Hüftkopfes, wie zum Beispiel der „Epiphysiolysis capitis femoris juvenilis lenta“ aus nicht traumatischer Ursache, ergeben. Hierbei wären postulierte Hormonhaushaltsstörungen der Parathyroidea, der Gonaden, der Hypophyse, der Thyroidea<sup>13</sup> usw. zu nennen. Diese Störungen werden vereinzelt beschrieben. In einer Vielzahl der Publikationen wird jedoch als objektiver konstanter Parameter die Adipositas als der offensichtlichste Faktor der Epiphysenlösung am Hüftkopf angegeben.<sup>14, 15</sup><br /> Einen weiteren Einflussfaktor stellt das typische Alter der Patienten dar. Wie anfangs im Abschnitt „Anatomie“ beschrieben, kommt es zu Änderungen der Blutversorgung des Hüftkopfes ab dem 10. Lebensjahr: Wachstumsfugenlösungen treten praktisch immer zwischen dem 10. Lebensjahr und der Verlötung der Epiphysenfugen auf – in unserem Krankenkollektiv waren sämtliche Patienten zwischen 9 und 17 Jahre alt. Auch in anderen Körperregionen werden traumatische Wachstumsfugenlösungen in der Regel erst ab dem 10. Lebensjahr beobachtet. Ausnahmen bestehen beim extremen Hochakzelerationstrauma – hierbei ist jedes Verletzungsmuster möglich.</p> <h2>Diagnose</h2> <p><strong>Klinischer Befund</strong><br /> Die Diagnosestellung beim Jugendlichen kann durchaus herausfordernd sein. Leistenschmerzen können durch etwaige abdominelle Pathologien (Leistenbruch, Blinddarm usw.) verursacht sein. Isolierte Knieschmerzen<sup>16</sup> äußern sich auch bei isoliertem Kniegelenkstrauma oder anderen Affektionen von Knochen und Weichteilen (z.B. durch Tumoren) der unteren Extremität. Eine exakte klinische Untersuchung (inklusive des Körpergewichtes und der Körpergröße) des Patienten und der betroffenen Extremität stellt den ersten Schritt für weitere Abklärungen dar.<br /><br /><strong> Konventionelles Röntgen</strong> Mittel der Wahl sind primär eine konventionelle Röntgenuntersuchung der Hüft- und Oberschenkelregion in zwei Ebenen sowie ein Beckenübersichtsröntgen mit Gonadenschutz.<sup>17</sup> Die Einstelltechnik für die ap-Aufnahme wird in leichter Abduktion und Innenrotation durchgeführt. Cave: Dies kann unter Umständen eine dislozierte Epiphysenfugenlösung maskieren, denn das Repositionsmanöver wird sehr ähnlich ausgeführt (siehe weiter unten). Bei isolierten Knieschmerzen ist zusätzlich ein Kniegelenksröntgen anzufertigen, sofern nicht ein isoliertes Kniegelenkstrauma eine Verletzung der Hüftregion ausschließt.<br /><br /><strong> MRT</strong> Ergibt das konventionelle Röntgen keinen definitiven Hinweis, so ist bei entsprechender klinischer Symptomatik und einem Risikoalter (ab dem 10. Lebensjahr) eine weitere Abklärung mittels MRT des betroffenen Hüftgelenkes ehestmöglich zu veranlassen.<sup>18</sup><br /><br /><strong> Ultraschall</strong> Ultraschall kann additiv als einfaches und schnelles Diagnostikum angewendet werden.<sup>19</sup> Jedoch wird bei noch anatomischer Position der Epiphyse nur ein unspezifischer Befund im Sinne eines Gelenksergusses zu erwarten sein.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Da die traumatische Epiphysenlösung des Hüftkopfes wie eine intraartikuläre Fraktur zu werten ist, soll möglichst eine kongruente Gelenksstellung erreicht werden. So wie zuvor ausgeführt, ist ein Zuwarten aus mehreren Gründen ungünstig.<br /><br /><strong> Eigenes Patientenkollektiv</strong><br /> Alle Kinder (n=14) mit definitiver traumatischer Epiphysenlösung wurden an unserer Klinik noch am Aufnahmetag reponiert und operativ stabilisiert. Bei einem Kind wurde durch über die Kopfkalotte überstehende Bohrdrähte der Gelenkknorpel des Kopfes arrodiert – hier musste eine Umstellungsosteotomie nach Imhäuser durchgeführt werden.<sup>11</sup> Bei zwei weiteren Jugendlichen bestand massives Übergewicht – trotz liegender Implantate kam es zu einer Dynamik. Diese drei Patienten klagten über Bewegungseinschränkungen und über moderate Beschwerden bei starker Belastung (Tragen von Lasten, körperlicher Arbeitseinsatz, Sportausübung). Eine Hüftkopfnekrose trat bisher in keinem einzigen Fall auf. Alle übrigen Patienten (n=11/14) zeigten sich nahezu beschwerdefrei (Beobachtungszeitraum n=12 >4a, n=2 >1a). <br /><br /><strong>Repositionsmanöver</strong><br /> Die Reposition erfolgt unter Schmerzausschaltung und möglichst in Relaxation unter leichtem bis moderatem Zug durch Innenrotation und gleichzeitiger Abduktion. Zur optimalen Repositionierung der Kopfteile soll dieses Manöver unter Röntgendurchleuchtung stattfinden. Idealerweise werden dazu zwei unabhängige Bildwandler im pa- und axialen Strahlengang verwendet. Ist die optimale Reposition gelungen, kann mit einem Repositionstisch intraoperativ diese Position gehalten werden. In der Regel ist mit dem OP-Tisch keine weitere Extension notwendig, das Bein wird in leichter Abduktion und neutraler bis minimaler Innenrotationsstellung unter Bildverstärkerkontrolle in zwei Ebenen (axial und pa) in der unmittelbar zuvor durchgeführten Endposition der Reposition fixiert.<br /><br /><strong>Implantate</strong><br /> Die operative Stabilisierung erfolgt mit den kleinstmöglichen Implantaten, mit 3–4 Kirschnerdrähten mit Gewinde an der Spitze im Durchmesser von 2,5mm, wie sie üblicherweise als Führungsdraht der Kopfschrauben/Kopfklingen handelsüblicher Osteosynthesematerialien für hüftgelenksnahe Frakturen Verwendung finden. Die Drähte sollten deutlich über Knochenniveau gekürzt und umgebogen werden, um ein Wandern und Einwachsen in den Knochen infolge des Längenwachstums der Schenkelhalsregion zu verhindern. Das zu erwartende Längenwachstum des Schenkelhalses erfordert daher eine parallele Einbringung der Implantate.<br /> Alternativ können auch Schraubensysteme, kanüliert oder nicht kanüliert in Großfragmentausführung, und Spongiosaschrauben mit kurzem Gewinde verwendet werden, sofern die Stabilität bei massiver Adipositas dies erfordert. Hierbei sollten zumindest zwei Schrauben verwendet werden. In unserem Krankenkollektiv zeigte sich bei zwei Patienten bei liegenden Implantaten eine Dynamik im Sinne eines Repositionsverlustes. Diese beiden Kinder waren übergewichtig (12a: 96kg, 18a: 120kg – siehe Abb. 1–4) und die verwendeten Implantate offenbar unterdimensioniert.<br /><br /><strong> Additive OP-Verfahren</strong><br /> Arthroskopie<br /> Manche Autoren bevorzugen eine additive Arthroskopie.<sup>10, 20, 21</sup> Fraglich ist deren Nutzen insofern, als nach Reposition und entsprechender Lagerung die Frakturzone innerhalb des Acetabulums zu liegen kommt. Um innerhalb der Acetabulumregion einsehen zu können, müsste intraoperativ ein aktiver, starker Extensionszug angelegt werden – die kurz zuvor reponierte Epiphysenlösung kann dislozieren.<br /><br /> Repositionsmanöver<br /> Ist die Wachstumsfuge mit einfachen Maßnahmen nicht reponierbar, dürfen nur behutsame Repositionsmanöver<sup>22</sup> ausgeführt werden. Bei gewaltsamer Einrichtung in eine vermeintliche anatomische Position wurden schwere Deformitäten des Kopfes bis zur Kopfnekrose beobachtet.<sup>23</sup><br /><br /> Umstellungsosteotomie<br /> Bei protrahierten Verläufen mit später Diagnosestellung ist eine anatomische Reposition nicht mehr möglich. Eine etwaige Gelenksstufe ist womöglich bereits fixiert und begleitende Osteophyten bilden eine inkongruente Gelenksfläche des Oberschenkelkopfes. Die Umstellungsosteotomie stellt die Therapie der Wahl dar, wie primär von Dunn<sup>24–27</sup> oder Imhäuser<sup>28</sup> beschrieben. Hierbei wird der betroffene Anteil der Gelenksstufe des Kopfes aus der Belastungszone herausgeschwenkt bzw. damit entfernt. Eine weitere Zerstörung des Gelenkes soll damit minimiert werden. Auch wenn die traumatische Genese im Vordergrund stehen sollte, so wird die weitere Behandlung analog dem Therapiepfad der nicht traumatisch bedingten Epiphysenlösungen durchzuführen sein. Dies ist hinreichend in zahlreichen Publikationen beschrieben.<br /><br /> Prophylaxe der Gegenseite<br /> Bei einer rein traumatischen Epiphysenlösung durch adäquate Traumen bei einem normalgewichtigen, sonst gesunden Jugendlichen ist eine prophylaktische Stabilisierung der Gegenseite nicht notwendig (in unserem Krankenkollektiv ist es in keinem Fall zu einer Epiphysenlösung der Gegenseite gekommen). Ist das betroffene Kind/der betroffene Jugendliche augenscheinlich übergewichtig, ist dies jedoch durchaus empfehlenswert. So wie zuvor ausgeführt, führt banales Stolpern<sup>7</sup> auch ohne kleinste Hindernisse zu Belastungsspitzen vom bis zu neunfachen Körpergewicht. Die verletzte Seite darf nicht oder kaum belastet werden. Der Patient ist in einem Zustand ständigen Stolperns! Die Wahrscheinlichkeit für eine Epiphysiolyse der Gegenseite steigt bei einem Body- Mass-Index jenseits der 85. Perzentile an, Kinder mit einem BMI jenseits der 95. Perzentile zeigen fast ausnahmslos beidseitige Epiphysiolysen des Femurkopfes.<sup>15</sup> In unserem Krankenkollektiv (n=14, 1983 bis 2015) wurden lediglich eine Patientin wegen massiven Übergewichtes (13a, w, 97kg) und ein weiterer Patient (18a)<sup>29, 30</sup> prophylaktisch auf der Gegenseite stabilisiert. Ein weiteres Kind wurde bei adäquatem Trauma in einem auswärtigen Krankenhaus an der Gegenseite stabilisiert. Dieses Kind war normalgewichtig, die Epiphysenfugenlösung heilte ad integrum aus. Infolge der Metallentfernung an der Gegenseite kam es zu einem iatrogenen Knochendefekt. Dies führte wenig später (8 Wochen nach Metallentfernung) zu einem subtrochantären Bruch – einer schweren Komplikation.<sup>31, 32</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s22_abb1-2.jpg" alt="" width="1417" height="826" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1701_Weblinks_s22_abb3-4.jpg" alt="" width="1417" height="819" /></p> <h2>Nachbehandlung</h2> <p>Postoperativ wird eine entlastende Mobilisation für 6 Wochen ab operativer Stabilisierung empfohlen. Die Belastung kann kontinuierlich von Sohlenkontakt bis zur Vollbelastung nach der 12. postoperativen Woche gesteigert werden. Die Implantate können nach 6 Monaten gefahrlos entfernt werden, sofern eine rein traumatische Ursache der Epiphysenlösung nachgewiesen wird.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Die traumatische Epiphysenfugenlösung des Femurkopfes ist dringlich zu versorgen. Die rasche Reposition und operative Stabilisierung mit 3–4 Stück parallel eingebrachten 2,5mm-Gewinde-Kirschnerdrähten ist anzustreben. In den ersten 6 Wochen nach der Operation darf nur mit Sohlenkontakt ohne Belastung mobilisiert werden. Implantate können frühestens nach 6 Monaten entfernt werden. Auf die korrekte Lage der Implantate ist besonders zu achten.<sup>23, 33</sup><br /> Bei Übergewicht ist eine prophylaktische Stabilisierung der Gegenseite empfehlenswert. Die Implantatdimensionen sind dem Körpergewicht anzupassen.<br /> Die Behandlung protrahierter Verläufe orientiert sich an der Vorgehensweise anderer Formen der Epiphysiolyse des Femurkopfes. Dies ist in der Literatur hinreichend beschrieben.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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