<p class="article-intro">Die chirurgische Versorgung von osteochondralen Läsionen am Talus mittels AMIC<sup>®</sup>-Technik umfasst folgende Schritte: Débridement des Defektes, Aufbau des Knochens mit autologer Spongiosa und Versiegelung der Spongiosa mittels einer Kollagenmatrix. Diese Technik kann offen oder arthroskopisch durchgeführt werden. Kurzund mittelfristige Verläufe nach dieser Art der Operation zeigen eine deutliche Verbesserung der Schmerzsymptomatik und einen Erhalt der Sportfähigkeit.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>AMIC<sup>®</sup>-Technik am Talus: etabliertes Verfahren mit Erfahrungswerten aus 10 Jahren</li> <li>Offene Technik: schnell erlernbar, für alle Defektgrössen und Lokalisationen</li> <li>Arthroskopische Technik: weniger invasiv, ambulantes Operieren möglich, braucht ausreichend Erfahrung und geeignete Instrumente</li> <li>Beide Techniken bieten vergleichbare Resultate</li> </ul> </div> <p>Osteochondrale Läsionen des Talus (OCLT) sind eine häufige Entität und vor allem bei jungen, sportlich aktiven Patienten symptomatisch. Die Ätiologie dieser Erkrankung ist in vielen Fällen nicht eindeutig bestimmbar. Ein Trauma des Sprunggelenkes (Fraktur, Distorsion) ist jedoch bei Weitem die häufigste Ursache. Durch eine forcierte Verkippung des Talus in der Malleolengabel kommt es zum Anschlagen der Talusrolle an die Tibia bzw. Fibula. Dadurch entsteht eine partielle oder komplette Abscherfraktur der Taluskante. Diese abgescherten osteochondralen Fragmente haben die Tendenz schlecht zu konsolidieren. Dies ist einerseits wahrscheinlich durch die eingeschränkte vaskuläre Versorgung der Taluskante bedingt, andererseits erfolgt häufig keine ausreichend konsequente Ruhigstellung, da die Verletzung nicht diagnostiziert wird. In der Folge entsteht eine Art chronischer Pseudarthrose, welche im Langzeitverlauf nicht mehr auf eine konservative Behandlung mittels Ruhigstellung anspricht.<br /> Morphologie, Grösse und Lokalisation einer OCLT variieren stark und reichen von flachen, teils oder komplett abgetrennten Knorpel-Knochen-Fragmenten bis hin zu zystischen subchondralen Defekten mit erhaltener Knorpelüberdeckung. Es können auch gemischte Formen auftreten. Meist sind die Defekte in der anterolateralen und zentromedialen Talusschulter zu finden. OCLT in der Talusrinne sind selten anzutreffen.<br /> Die genaue Ursache der Schmerzen ist nicht klar. Der Knorpel ist eine avaskuläre und aneurale Struktur, der darunter liegende Knochen reich an Schmerzrezeptoren. Es wird postuliert, dass die Gelenksflüssigkeit durch die verletzte subchondrale Platte in die Spongiosa eindringen und durch eine Druckzunahme Schmerzen auslösen kann. So wird auch der Mechanismus der subchondralen Zystenbildung erklärt.<br /> Zur Diagnostik und Planung eines operativen Eingriffes empfiehlt sich neben dem belasteten konventionellen Röntgen die Durchführung einer Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRI). Mit beiden Untersuchungen ist die genaue Bestimmung von Lage, Morphologie und Grösse der Läsion möglich.<br /> Konservative Therapieversuche mit Ruhigstellung, Physiotherapie, Einlagen oder Injektionen («platelet rich plasma», Cortison) können kurzfristig eine Besserung der Symptomatik erreichen, versagen jedoch meist im Langzeitverlauf. Besteht die Indikation zur operativen Therapie, steht eine Vielzahl an Techniken zur Verfügung: Mikrobohrung, retrograde Anbohrung, Transfer autologer oder allogener Knochen- Knorpel-Zylinder (z.B. OATS<sup>®</sup>), autologe Knorpelzelltransplantation (als Suspension oder auf Matrix gezüchtet), juvenile allogene Knorpelpartikel und viele andere. Als relativ neues Verfahren zur Rekonstruktion von OCLT wird seit etwa 10 Jahren die AMIC<sup>®</sup>-Technik erfolgreich angewendet. Diese kann sowohl durch einen offenen als auch komplett durch einen arthroskopischen Zugang erfolgen.</p> <h2>Generelle Überlegungen</h2> <p>Das Konzept der AMIC<sup>®</sup>-Technik ist unabhängig vom gewählten Zugang. Zunächst muss eine Abtragung des degenerierten Knorpel-Knochen-Fragmentes erfolgen. Das darunter liegende fibrotische Gewebe muss minutiös abgetragen werden. Zysten müssen lokalisiert, eröffnet und ausgeräumt werden. Der sklerosierte Boden der Fragmente oder der Randsaum der Zysten müssen aufgebrochen werden. Dies geschieht durch Mikrobohrungen, Mikrofrakturierung oder mittels Meissel. Als Nächstes wird der Knochendefekt mit autologer Spongiosa gefüllt. Für Defekte ≤1cm<sup>3</sup> empfiehlt sich die Entnahme aus dem Tuber calcanei, für Defekte von 1 bis 3cm<sup>3</sup> aus der proximalen Tibia und für Defekte ≥3cm<sup>3</sup> aus dem Beckenkamm. Dabei wird die Spongiosa bis an den Rand des Defektes impaktiert, zusätzlich kann sie auch schichtweise mit Fibrinkleber fixiert werden. Anschliessend wird die Kolagenmatrix (Chondro-Gide<sup>®</sup>; Geistlich Pharma AG) dem Defektdurchmesser entsprechend passend zurechtgeschnitten, auf die Spongiosa aufgelegt und mit Fibrinkleber (Tissucol; Baxter) fixiert. Die Matrix hat zwei wichtige Funktionen:</p> <ol> <li>Mechanischer Schutz der Spongiosa: Die Matrix versiegelt die weiche Spongiosa in dem knöchernen Defekt gegenüber dem Gelenksspalt, sodass diese nicht herausluxieren kann.</li> <li>Knorpelregeneration: Die zweischichtige Matrix bietet den mesenchymalen Stammzellen aus der Spongiosa eine geeignete Umgebung, um sich in Chondrozyten zu differenzieren und eine neue Knorpelmatrix zu generieren.</li> </ol> <p>Wichtig ist, dass die Kollagenmatrix den Defektrand nicht dachziegelartig überlappt, da die Gefahr einer Abscherung besteht. Essenziell für den Erfolg der AMIC<sup>®</sup>-Technik ist, wie bei allen anderen Verfahren auch, eine gleichzeitige Korrektur von pathobiomechanischen Faktoren. Vorbestehende Instabilitäten oder ein Malalignment des Rückfusses sollten unbedingt adressiert werden, um eine annähernd physiologische Belastung des Knorpelregenerats zu ermöglichen.</p> <h2>Offenes und arthroskopisches Vorgehen</h2> <p>Die offene AMIC<sup>®</sup>-Technik<sup>1</sup> hat eine steile Lernkurve (Abb. 1). Die meisten Defekte können durch eine einfache Arthrotomie und Flexion des OSG in den Sichtbereich gebracht und versorgt werden. Bei grösseren, durch die Malleolen (teils) verdeckten OCLT, vor allem der zentro- bis posterioren medialen Talusschulter, kann durch eine forcierte Plantarflexion oder ggf. unter Zuhilfenahme eines Kirschner- Draht-Spreizers der Zugang meist gelingen. Ist dies nicht möglich, gelingt durch Osteotomien des Innen- bzw. Aussenknöchels eine volle Exposition des Talus.<br /> Die arthroskopische AMIC<sup>®</sup>-Technik<sup>2</sup> hat eine flache Lernkurve (Abb. 2). Die erste wichtige Voraussetzung ist genügende Erfahrung des Operateurs mit arthroskopischen Routineeingriffen am OSG (Débridement, Mikrofrakturierung, Cheilektomie u.a.). Zunächst muss anhand der präoperativen Bildgebung entschieden werden, ob ein arthroskopischer Eingriff möglich ist. Defekte des anterioren Anteiles des Talus und schalenförmige Defekte sind generell einfacher zu versorgen. Problematisch sind tiefe, zystische Defekte der zentro- bis posteromedialen/-lateralen Talusschulter. Falls die Entscheidung für ein arthroskopisches Vorgehen getroffen wurde, sollte der Patient unterrichtet werden, dass ggf. auf eine klassische Arthrotomie konvertiert werden muss. Dies ist ohne Nachteil für den Patienten zu jedem Zeitpunkt des arthroskopischen Eingriffes möglich.<br /> Die zweite Voraussetzung ist eine suffiziente technische Ausstattung. Generell empfiehlt sich eine 30°/3,5mm(und/oder 2,7mm)-Optik. Der Druck sollte 40–50mmHg nicht übersteigen. Es empfiehlt sich ein dediziertes Instrumentensieb für das obere Sprunggelenk. Zahlreiche Firmen bieten dieses heutzutage an. Ein Traktionssystem ist optional, die Autoren selbst benutzen keine Distensionsschlinge.<br /> Die Anlage der Portale erfolgt zunächst wie bei einer normalen Arthroskopie des OSG: anteromedial (medial der Tibialisanterior- Sehne) und anterolateral (lateral der Extensor-digitorum-longus-Sehne). Zusätzliche Portale können jederzeit, je nach Bedarf und Lokalisation des Defektes, angelegt werden. Für das Débridement und das Auffüllen des Knochens gelten die gleichen Kriterien wie beim offenen Vorgehen. Die Autoren verwenden selbst entwickelte Instrumente, um den Knorpelrand orthograd abzutragen und die Spongiosa verlustfrei durch ein Portal einzubringen (Abb. 2c). Wenn mit Wasser arthroskopiert wird, muss dieses vor dem Einführen der Spongiosa und der Matrix sowie der Fixation mit Fibrinkleber abgelassen werden (trockene Arthroskopie).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s55_abb1+2.jpg" alt="" width="2150" height="1743" /></p> <h2>Ergebnisse und Evidenz</h2> <p>Eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile beider Techniken findet sich in der Tabelle 1. Insgesamt gibt es wenig Literatur zu diesem Thema. Die vorhandenen Arbeiten haben einen Evidenzlevel von 4. Die Autoren selbst untersuchten eine Kohorte von 26 Patienten nach offener AMIC<sup>®</sup>-Technik.<sup>3</sup> Nach durchschnittlich 31 Monaten zeigten die Patienten einen signifikant verbesserten funktionellen Score (AOFAS: präoperativ 60, postoperativ 89 Punkte) sowie deutlich weniger Schmerzen am OSG (VAS: präoperativ 5, postoperativ 1,6 Punkte). Ähnliche Ergebnisse mit offener Technik werden von anderen Autoren berichtet. Kubosch et al berichten über einen AOFAS-Score von 82,6 Punkten und einen VAS-Score von 3,2 Punkten bei einer durchschnittlichen Nachuntersuchungszeit von 39,5 Monaten.<sup>4</sup> Walther et al konnten bei 42 Patienten mit einer Nachuntersuchungszeit von mehr als einem Jahr feststellen, dass sich der AOFAS-Score signifikant von 47 Punkten auf 88 Punkte verbesserte.<sup>5</sup><br /> Ergebnisse der arthroskopischen Technik wurden ebenfalls von den Autoren selbst berichtet. Bei 8 Patienten wurde eine Verbesserung des AOFAS-Scores ein Jahr nach arthroskopischem Eingriff festgestellt (präoperativ 64, postoperativ 86 Punkte).<sup>2</sup> Usuelli et al untersuchten 20 Patienten 24 Monate nach einem arthroskopischen Eingriff. Sie stellten eine signifikante Verbesserung des AOFAS-Scores (von 57 auf 87 Punkte) und des VASScores (von 8,1 auf 2,2 Punkte) fest.<sup>6</sup><br /> Die Sportaktivität der Patienten verbessert sich postoperativ nicht signifikant im Vergleich zu vor der Operation.<sup>7</sup> Zwar haben die Patienten weniger Schmerzen, sind generell zufrieden und nehmen weniger Schmerzmittel ein; die Anzahl der Stunden beim Sport, die Activity Rating Scale und der Tegner Activity Score zeigen jedoch keine signifikante Verbesserung zum Nachuntersuchungszeitpunkt nach durchschnittlich 47 Monaten.<br /> Bezüglich der biochemischen Zusammensetzung des Regeneratknorpels gibt es nur indirekte Ergebnisse, welche mittels spezieller MRI-Sequenzen erhoben worden sind. Die Autoren selbst haben im Rahmen von dGEMRIC-Scans festgestellt, dass der regenerierte Knorpel ähnliche Eigenschaften wie der benachbarte gesunde Knorpel aufweist.<sup>8</sup> Zu ähnlichen Schlüssen kam die Arbeitsgruppe um Kubosch et al mittels T2-Mapping.<sup>4</sup> Arbeiten, bei denen im Verlauf Biopsien zur histologischen Aufbereitung entnommen wurden, gibt es keine.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s56_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="598" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die offene und arthroskopische AMIC<sup>®</sup>- Technik zur Rekonstruktion osteochondraler Läsionen am Talus bietet gute, vergleichbare klinische Ergebnisse. Die offene Technik ist einfach und schnell erlernbar. Die arthroskopische Operationstechnik bedarf substanzieller Erfahrung in der Arthroskopie des oberen Sprunggelenkes. Ist diese vorhanden, kann der Eingriff mit geeigneten Instrumenten durchgeführt werden. Dies reduziert das Trauma der Weichteile und die damit verbundenen postoperativen Schmerzen und Schwellungen. Eine ambulante Versorgung wird dadurch möglich.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Valderrabano V et al: Tech Foot Ankle Surg 2011; 10(4): 159-62 <strong>2</strong> Sadlik B et al: Foot Ankle Int 2015; 36(3): 339-43 <strong>3</strong> Valderrabano V et al: Am J Sports Med 2013; 41(3): 519- 27 <strong>4</strong> Kubosch EJ et al: Int Orthop 2016; 40(1): 65-71 <strong>5</strong> Walther M et al: Fuss & Sprunggelenk 2012; 10(2): 121-9 <strong>6</strong> Usuelli FG et al: Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2016; [Epub ahead of print] <strong>7</strong> Wiewiorski M et al: A m J Sports Med 2016; 44(10): 2651-8 <strong>8</strong> Wiewiorski M et al: Clin Radiol 2013; 68(10): 1031-8</p>
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