© Getty Images

Osteochondrale Läsion am Talus

<p class="article-intro">Verletzungen des oberen Sprunggelenks machen bis zu 15 % aller Sportverletzungen überhaupt aus. Dabei steigt die Zahl an Verletzungen des Knorpels. Nach wie vor steht kein eindeutiger Behandlungsalgorithmus zur Verfügung. Faktoren zur Entscheidungsfindung sollen hier beschrieben werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Behandlung von Knorpell&auml;sionen am Sprunggelenk bleibt eine chirurgische Herausforderung.</li> <li>Nach wie vor gibt es keine eindeutigen Therapiealgorithmen bzw. kein Verfahren, das den anderen evidenzbasiert &uuml;berlegen ist.</li> <li>Die Entscheidung, welches Verfahren angewandt wird, h&auml;ngt vor allem von der Gr&ouml;&szlig;e und der Lage des Knorpeldefekts ab und davon, ob eine Zyste vorhanden ist oder nicht.</li> <li>Die Mikrofrakturierung als alleinige Behandlung ist derzeit laut Literatur nur bis zu einer maximalen Gr&ouml;&szlig;e von 1,5cm<sup>2</sup> (Empfehlung der ICCRA: &lt;1,0cm<sup>2</sup>) empfohlen. Dar&uuml;ber hinaus sind andere Verfahren zu empfehlen.</li> <li>Begleiteingriffe wie Bandplastik oder Umstellungsosteotomien sollten in bestimmten F&auml;llen erwogen werden.</li> </ul> </div> <p>Die h&auml;ufigste Ursache einer osteochondralen L&auml;sion am Talus (OLT) ist zweifelsohne das Trauma. So konnten in einigen Studien im Vorfeld einer OLT bei bis zu 70 % der F&auml;lle eine Fraktur und bei bis zu 50 % eine OSG-Distorsion erhoben werden. Die laterale L&auml;sion ist dabei h&auml;ufiger einem Trauma zuzuschreiben (98 % ) als die mediale L&auml;sion (70 % ). Doch nicht nur das akute Trauma stellt eine Ursache dar, auch die chronische Instabilit&auml;t mit repetitiven Mikrotraumata hat einen Einfluss auf die Entstehung einer OLT.<br /> Obwohl das Trauma die h&auml;ufigste Ursache darstellt, wurden auch andere Ursachen bzw. Faktoren beschrieben: kongenital/ heredit&auml;r, spontane Nekrose, Steroidbehandlung oder lokale Embolie. Bei Jugendlichen scheinen diese atraumatischen Ursachen im Vordergrund zu stehen.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Zun&auml;chst ist die Anamnese dahingehend charakteristisch, als ein tief sitzender Schmerz im oberen Sprunggelenk bei Belastung beschrieben wird &ndash; im Gegensatz zu einem eher oberfl&auml;chlichen Schmerz beim Impingement des Sprunggelenks. Bei der Untersuchung ist besonders darauf zu achten, ob eine Fehlstellung des Sprunggelenks oder eine Bandinstabilit&auml;t vorliegt. Eine eindeutige Druckschmerzhaftigkeit des betroffenen Anteils des Talus liegt nicht immer zwingend vor, da die L&auml;sion vor allem medialseitig meist weit posterior liegt. Auch ein Erguss oder eindeutige synovitische Schwellung sind nicht immer vorhanden. In der Bildgebung darf die MRT als Goldstandard gesehen werden, obwohl die L&auml;sion auch im R&ouml;ntgen zu sehen ist. Die OLT wird je nach Autor in unterschiedliche Stadien eingeteilt (Tab. 1). Zur genauen Gr&ouml;&szlig;enbestimmung des Defekts oder einer subchondralen Zyste ist die Computertomografie besser geeignet. Begleitl&auml;sionen wie Bandrupturen oder Syndesmosenruptur lassen sich allerdings nur in der MRT diagnostizieren. Die R&ouml;ntgendiagnostik ist allerdings nach wie vor im Falle einer verd&auml;chtigen Fehlstellung des Sprunggelenks (Ferse oder distale Tibia) unumg&auml;nglich.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s68_tab1.jpg" alt="" width="686" height="617" /></p> <h2>Konservative Therapie</h2> <p>Der Stellenwert der konservativen Therapie ist beim Jugendlichen als vorrangig, beim Erwachsenen eher als untergeordnet anzusehen, da im Erwachsenenalter nicht von einer Restitutio ad integrum auszugehen ist. Als konservative Therapiema&szlig;nahmen kommen die Modifikation der sportlichen Aktivit&auml;t bzw. die Schonung, die Einnahme von NSAR oder Glukosaminoglykanen, physikalische Ma&szlig;nahmen und vor allem die Physiotherapie bei zus&auml;tzlicher Bandinstabilit&auml;t zum Tragen. F&uuml;r eine Infiltrationstherapie stehen Hyalurons&auml;urepr&auml;parate und PRP (&bdquo;plateletrich plasma&ldquo;) zur Verf&uuml;gung.</p> <h2>Chirurgische Therapie</h2> <p>Im Rahmen der chirurgischen Therapie gilt es vor allem, das geeignete Verfahren, aber auch den geeigneten chirurgischen Zugangsweg zum oberen Sprunggelenk zu finden. Als Entscheidungshilfe m&uuml;ssen folgende Faktoren ins Kalk&uuml;l gezogen werden: - Lage der L&auml;sion (posterior/anterior, medial/ lateral)<br /> - Gr&ouml;&szlig;e der L&auml;sion - Erstoperation/Revisionsoperation<br /> - akute oder chronische L&auml;sion<br /> - Vorhandensein einer subchondralen Zyste<br /> - Zyste mit intaktem Knorpel<br /> - Begleitl&auml;sion/Bandinstabilit&auml;t<br /> - Fehlstellung<br /><br /> Bez&uuml;glich des chirurgischen Zugangs muss zun&auml;chst entschieden werden, ob die Operation offen oder arthroskopisch durchgef&uuml;hrt wird. Vor allem die Mikrofrakturierung eignet sich f&uuml;r ein arthroskopisches Verfahren. F&auml;llt die Entscheidung f&uuml;r ein offenes Verfahren, muss entschieden werden, ob eine Malleolusosteotomie notwendig ist oder ein offener vorderer Zugang m&ouml;glich ist. Um besser absch&auml;tzen zu k&ouml;nnen, ob die L&auml;sion von anterior zug&auml;nglich ist, kann ein R&ouml;ntgen in maximaler Plantarflexion hilfreich sein. Posteromediale L&auml;sionen bed&uuml;rfen aber meist einer medialen Malleolusosteotomie (Abb. 1), um die L&auml;sion behandeln zu k&ouml;nnen.<br /> Eindeutige Behandlungsalgorithmen sind in der bisherigen Literatur nicht zu finden, lediglich Empfehlungen werden ausgesprochen.<br /><br /><strong> Refixation</strong><br /> Dieses Verfahren kommt nur bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen und kurz zur&uuml;ckliegenden traumatischen L&auml;sionen infrage, wobei die Refixation mittels resorbierbarer Pins durchgef&uuml;hrt werden kann. Das Fragment darf eine kritische Gr&ouml;&szlig;e im Verh&auml;ltnis zur Pingr&ouml;&szlig;e nicht unterschreiten.<br /><br /><strong> Mikrofrakturierung</strong><br /> Diese ist wohl eine der am h&auml;ufigsten durchgef&uuml;hrten Therapien bei OLT. Laut Literatur sollten nur L&auml;sionen &lt;1,5cm<sup>2</sup> mittels Mikrofrakturierung behandelt werden. Im Rahmen des ICCRA (International Congress on Cartilage Repair of the Ankle) 2016 in Italien wurde die Gr&ouml;&szlig;e allerdings auf 1,0cm<sup>2</sup> zur&uuml;ckgestuft. Gr&ouml;&szlig;ere L&auml;sionen sollten einer Mikrofrakturierung nicht mehr zugef&uuml;hrt werden, da die lang- und mittelfristigen Ergebnisse nicht zufriedenstellend sind. Au&szlig;erdem ist &ndash; wie auch am Kniegelenk &ndash; bekannt, dass die Ergebnisse von Revisionseingriffen nach Mikrofrakturierung schlechter sind als solche, denen keine Mikrofrakturierung vorangegangen ist. Als Verbesserung der reinen Mikrofrakturierung wird zus&auml;tzlich die Anlagerung einer Matrix vorgeschlagen (autologe matrixinduzierte Chondrogenese, AMIC-Technik).<br /><br /><strong> Knorpelz&uuml;chtung (ACI/MACI)</strong><br /> Die autologe Knorpelzellimplantation ist wie am Kniegelenk ein zweizeitiges Verfahren. Der Knorpel zur Z&uuml;chtung wird am Kniegelenk entnommen, kultiviert und dann auf eine Matrix aufgebracht, welche nach Debridement in den Defekt gelegt wird. Das Verfahren eignet sich f&uuml;r L&auml;sionen, die gr&ouml;&szlig;er als 1,0&ndash;1,5cm<sup>2</sup> sind, und Revisionsoperationen. Die Nachteile des Verfahrens sind seine zweizeitige Anwendung und die doch erheblichen Kosten. Bisher konnte die Knorpelzellz&uuml;chtung keine evidenzbasierten besseren Ergebnisse als andere Verfahren zeigen.<br /><br /><strong> OATS (&bdquo;osteoarticular transfer system&ldquo;)/ Mosaikplastik</strong><br /> Diese Technik erlaubt es, einen osteochondralen Zylinder aus dem Kniegelenk in das obere Sprunggelenk zu transferieren. Sie eignet sich vor allem dazu, subchondrale Zysten zugleich mit dem Knorpeldefekt zu f&uuml;llen. Auch wird diese Methode als Revisionsmethode empfohlen. Als Nachteile werden die Entnahme von gesundem Knorpel aus dem Kniegelenk gesehen und die M&ouml;glichkeit daraus resultierender Beschwerden im Kniegelenk.<br /><br /><strong> Knochenmarkstammzellen</strong> Diese relativ neue Technik besteht darin, aus Knochenmarkpunktat Stammzellen zu gewinnen. Dazu wird ein Punktat aus dem Beckenkamm gewonnen und je nach System zentrifugiert oder nicht. Die Zellen werden dann in einem einzeitigen Verfahren auf eine Matrix aufgebracht und damit der Knorpeldefekt gedeckt. Die bisherigen Ergebnisse sind relativ vielversprechend. Die Vorteile des Verfahrens liegen in seiner Einzeitigkeit und deutlich niedrigeren Kosten als die Knorpelzellz&uuml;chtung. Einzelne Autoren beschreiben dieses Verfahren auch als arthroskopische Anwendung, wobei die offene Applikation aus Sicht des Autors einfacher erscheint. Das Verfahren kann sowohl als Erstverfahren als auch im Falle einer Revision angewandt werden (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1702_Weblinks_s68_abb1_2.jpg" alt="" width="685" height="1321" /><br /><br /><strong> Alternative Verfahren</strong><br /> Bei L&auml;sionen, die sich nicht mit den oben genannten Methoden behandeln lassen, oder im Falle einer Revision kann auch an ein Allograft f&uuml;r den Talus bzw. f&uuml;r Teile des Talus gedacht werden. Hierzu sind allerdings nur einzelne Fallberichte in der Literatur vorhanden.<br /><br /><strong> Innovative Verfahren</strong><br /> Dazu z&auml;hlen Verfahren, bei denen zerkleinerter juveniler allogener Knorpel oder auch gereinigte extrazellul&auml;re allogene Knorpelmatrix direkt in den Knorpeldefekt eingebracht wird. Beide Verfahren sind in &Ouml;sterreich allerdings zurzeit nicht verf&uuml;gbar.<br /><br /><strong> Zystenbildung</strong><br /> Im Fall einer Zystenbildung unterhalb des Knorpels ist zu unterscheiden, ob der Knorpel oberhalb der Zyste erhalten ist oder nicht. Diese Frage l&auml;sst sich meist nicht zu 100 % mit der MRT beantworten. Deshalb geht die Empfehlung des Autors dahin, vor der Zystenf&uuml;llung eine Arthroskopie durchzuf&uuml;hren. Ist der Knorpel intakt, kann die Zyste von retrograd angebohrt und mit Knochenmaterial aufgef&uuml;llt werden. Ist der Knorpel defekt, ist ein offenes Verfahren mit Knorpeldebridement, Zystenausr&auml;umung und Auff&uuml;llung und Anlage einer Matrix (&plusmn; Knochenmarkstammzellen) zu empfehlen. Alternativ kann auch ein Knorpel- Knochen-Zylinder aus dem Kniegelenk entnommen werden.<br /><br /><strong> Begleiteingriffe</strong><br /> Knorpeldefekte k&ouml;nnen durch Bandinstabilit&auml;ten am Sprunggelenk entstehen, daher ist es unumg&auml;nglich, diese zun&auml;chst zu diagnostizieren und auch zu behandeln. Die Diagnose einer Bandruptur l&auml;sst sich zum einen mittels der klinischen Untersuchung unter Zuhilfenahme der MRT gew&auml;hrleisten. Die Beurteilung der Syndesmose l&auml;sst sich meist erst arthroskopisch eindeutig festlegen.<br /> Im Falle einer Fehlstellung muss beurteilt werden, ob es sich um eine Valgusoder eine Varusfehlstellung handelt und woher diese kommt: Tibia oder Calcaneus. Dies l&auml;sst sich durch Ganzbeinaufnahmen und Saltzmann-Aufnahmen des Fersenbeins festlegen. Je nachdem, von wo die Fehlstellung herr&uuml;hrt, m&uuml;ssen entweder das Fersenbein oder die distale Tibia in ihrer Fehlstellung korrigiert werden.</p></p>
Back to top