<p class="article-intro">Bei der patellofemoralen Instabilität liegt eine multifaktorielle Pathomorphologie mit mehreren destabilisierenden Faktoren vor. Die optimale Therapie setzt ein analytisches Verständnis der pathologischen Zusammenhänge voraus. In diesem Artikel wird das strukturelle Vorgehen dargestellt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die PFI muss als multifaktorielles Problem betrachtet werden.</li> <li>Die Analyse des hauptsächlichen destabilisierenden Faktors ist von zentraler Bedeutung in der Entscheidungsfindung hinsichtlich der optimalen Therapie.</li> </ul> </div> <p>Die Luxation, die Subluxation und das Maltracking der Patella zur Trochlea werden als patellofemorale Instabilität (PFI) bezeichnet. Diese Problematik tritt mit einer Inzidenz von 7 pro 100 000 Einwohner auf.<sup>1, 2</sup> Zum Zeitpunkt der Erstluxation sind die Betroffenen durchschnittlich 21,5 Jahre alt.3 In 72 % der Fälle tritt die Erstluxation bei körperlich belastender oder sportlicher Betätigung und nur in 7 % durch direktes Anpralltrauma auf.<sup>1, 3</sup> Die Patella muss, als grösstes Sesambein des Körpers, bei der Knieflexion eine sehr umfangreiche zentrische Umlenkbewegung über die Trochlea gewährleisten. Physiologisch gleitet die Patella bei der Knieflexion ab ca. 20°–30° in die proximale Trochlea und wird dabei medialisiert und in der Trochlea zentriert. Bei der weiteren Flexion bis 100° wird die Patella von der lateralen Trochleafacette geführt.<sup>4</sup><br /> Für die stabile Führung der Patella werden mehrere stabilisierende Faktoren betrachtet. Dazu gehören die aktiven Stabilisatoren (Muskeln), die passiven Stabilisatoren (Kapsel, Ligamente) und die statischen Stabilisatoren (knöcherne Strukturen).<sup>5, 6</sup> Diese Stabilisatoren ergeben die biomechanischen Voraussetzungen für das Containment und Alignment.<sup>7</sup> Der Quadrizeps mit seinen vier Muskelbäuchen ist der dynamische aktive Stabilisator. Während der Rectus femoris und der Vastus intermedius einen geraden Kraftvektor auf die Patella haben, besteht bei Vastus lateralis und Vastus medialis ein spitzer Winkel zur Patella. Daher wird dem Quadrizeps nur eine untergeordnete Rolle in der mediolateralen Führung der Patella zugeschrieben. Bei den passiven Stabilisatoren wird das mediale patellofemorale Ligament (MPFL) als wichtigste Struktur angesehen. Die statischen Stabilisatoren werden von der Trochlea, der Beinachse und der Femur/Tibia-Rotation gebildet. In der sagittalen Ebene bilden die Trochlea und die Patella das Containment, während die sagittale und koronare Beinachse, die Femur/Tibia-Rotation, die TT-TG-Distanz («tibial tuberosity to trochlear groove») und der Q-Winkel das Alignment definieren.<br /> Die grösste Herausforderung bei der Diagnostik und Indikationsstellung sind die Analyse und Definition der destabilisierenden Faktoren. Um das Risiko einer Reluxation einschätzen zu können, müssen alle einzelnen Pathomorphologien in ihrer Bedeutung eingestuft werden. Balcarek et al. entwickelten dazu einen «Patella Instability Severity Score».<sup>8</sup></p> <h2>Destabilisierende Faktoren</h2> <p>Bei der Analyse der Instabilität müssen alle aktiven, passiven und statischen Faktoren beurteilt werden. <br /><br /><strong>Aktive Faktoren</strong><br /> Der Quadrizeps sollte beurteilt werden, im Besonderen, ob eine muskuläre Dysbalance zwischen dem Vastus lateralis und dem Vastus medialis vorliegt. Dies kann durch Muskelabrisse des Vastus medialis oder partielle Läsionen der medialen Quadrizepssehne bedingt sein, welche eine vermehrte Lateralisation der Patella in der Initialphase der Knieflexion bedingen können.<br /><br /> <strong>Passive Faktoren</strong><br /> Das MPFL als wichtigster passiver Stabilisator hat die grösste Bedeutung in der Knieflexion von 20°–30°, wenn die Patella in die proximale Trochlea hineingeführt werden muss.<sup>9, 10</sup> Das laterale Retinaculum wurde lange als Problemstruktur bei PFI angesehen und mit einem Release durchtrennt. Man erhoffte sich dadurch eine Medialisierung der Patellaführung, was durch biomechanische Studien widerlegt wurde.<sup>11, 12</sup><br /><br /> <strong>Statische Faktoren</strong><br /> Henri Déjour und Gilles Walch fanden in 85 % der Fälle mit PFI eine Trochleadysplasie. <sup>13</sup> Physiologisch gewährleistet die konkave Trochleaform das Containment der Patellaführung ab einer Knieflexion von 20°–30°. Die Anstiege der lateralen und medialen Patellafacette ergeben den Trochleawinkel. Die laterale Facette ist der wichtigste statische Stabilisator und somit die bedeutendste Komponente des Containments. Sie ist in sagittaler Ebene länger und in axialer Ebene breiter als die mediale. Die Trochlea ist vom hyalinen Knorpel bedeckt, welcher der knöchernen Form folgt.<sup>9</sup><br /> Der Anstieg der lateralen Trochleafacette wird als lateraler Trochlea-Inklinationswinkel (LTI) definiert und physiologisch mit >15° angegeben.<sup>6, 14</sup> Bei der Trochleadysplasie kann der LTI deutlich unter 15° bis sogar negativ dokumentiert werden. Je nach Ausprägung der Dysplasie zeigt sich eine zentrale Überhöhung mit abgeflachter oder konvexer Form der proximalen Trochlea. Henri Déjour et al. untersuchten die Trochleaform anhand streng seitlicher Röntgenbilder und definierten 3 Typen, je nach sagittaler Position des von ihnen bezeichneten «crossing signs».<sup>15</sup> Die als «Bump» bezeichnete Struktur bedeutet eine Überhöhung der proximalen zentralen Trochlealinie zur anterioren Femurebene. David Déjour et al. erweiterten die Einteilung auf 4 Typen (A–D) und beschrieben den Typ D als Typ C mit einem zusätzlichen «Bump», bei deutlicher zentraler Überhöhung (Abb. 1).<sup>16</sup><br /> Die Typen B–D werden als schwere Dysplasie, mit fehlendem proximalem Trochlea-Sulcus oder sogar höherem Sulcus- Niveau zum lateralen Trochlearand, bezeichnet. In mediolateraler Ebene zeigt sich der distale Trochlea-Sulcus im Vergleich zur physiologischen Anatomie allerdings medialisiert. Der destabilisierende Risikofaktor bei der Trochleadysplasie ist schon in der Initialphase der Knieflexion bedeutend, da die Patella praktisch erst auf die zentrale Überhöhung der Trochlea im Vergleich zur Femurebene hochgezogen wird. Auf Höhe der proximalen Trochlea fehlt bei der Dysplasie der zentrale Sulcus und somit die laterale Führung durch die laterale Trochleafacette. Dadurch steht die Patella praktisch wie ein Ball auf einem Hügel und kann nur durch die medialen und lateralen Bandstrukturen als Zügel im Zentrum gehalten werden. In dieser Phase ist der Quadrizeps aufgrund der neutralen bis spitzen Kraftvektoren kaum in der Lage, eine zusätzliche dynamische Stabilisation zu erreichen. Erst in der weiteren Flexion kann durch den weiter distal vorhandenen Trochlea-Sulcus wieder ein Containment erreicht werden.<br /><br /> Die Patella kann die retropatellare Stabilität durch Form und Tilt mit beeinflussen. Die Patellaform wird nach Wiberg anhand der Position des Patellafirstes klassifiziert. Der Patella-Tilt wird weitestgehend von der Trochleaform vorgegeben und verändert sich bei Pathologien des MPFL oder lateralen Retinaculums. Die wichtigste Komponente ist die Position der Patella zur Trochlea in der Sagittalebene (Patellahöhe). Die Höhe kann nach Insall und Salvati, nach Caton und Deschamps oder nach Blackburne und Peel bestimmt werden. Je höher die Patella bei Streckstellung des Kniegelenkes in Position zur Trochlea steht (Patella alta), umso vulnerabler ist die retropatellare Stabilität während der Initialphase der Knieflexion.<br /> Der durch die Beinachse und die femorale/ tibiale Rotation mitbestimmte QWinkel wird als Winkel zwischen dem Quadrizeps-Kraftvektor und dem Verlauf des Ligamentum patellae bestimmt und mit Normwerten von 12°–15° bei Männern und 15°–18° bei Frauen angegeben. Um Messfehler des Untersuchers je nach Muskelspannung des Quadrizeps zu vermeiden, wird die TT-TG- oder alternativ die TT-PCL(«tuberositas tibiae to posterior cruciate ligament»)-Distanz anhand zweier axialer, übereinander projizierter CToder MRI-Schnitte gemessen. Beim TT-TG sollte möglichst weit proximal die «trochlear groove» in einem und die Tuberositas tibiae bei der grössten Prominenz im anderen Schnittbild dargestellt werden.<sup>17</sup> Als pathologisch werden erst Werte von >20mm für eine chirurgische Korrektur in Betracht gezogen.<sup>13</sup> Da bei einer vorliegenden Trochleadysplasie die proximale «trochlear groove» nicht messbar und weiter distal die Trochlea eher medialisiert angelegt ist, bietet sich die TT-PCL-Distanz als Messmethode an. Bei dieser Messung wird das Schnittbild auf Höhe der femoralen Fixation des hinteren Kreuzbandes ausgerichtet.<sup>18</sup><br /> Die Rotation des Femurs kann bei einer erhöhten Antetorsion eine Medialisierung der Trochlea verursachen, wobei eine vermehrte Aussenrotation der Tibia eine Lateralisation der Tuberositas tibiae zur Folge hat. Beide Eigenschaften beeinflussen somit die TT-TG-Distanz.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="992" height="843" /></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Die Anamnese sollte Auskunft über folgende Punkte geben: adäquates Trauma, akut/rezidivierend/ chronisch/permanent, Instabilitätsrichtung (fast ausschliesslich lateral), Repositionsmanöver, Schmerzlokalisation, Schmerz oder Instabilität als Hauptsymptom, generalisierte Hypermobilität/Laxizität, familiäre Häufung,<sup>19, 20</sup> sportliche/ berufliche Aktivitäten und mentale Verfassung/Compliance. Bei der klinischen Diagnostik sollten folgende Fragestellungen evaluiert werden:<sup>21</sup></p> <ul> <li>plantigrader Stand mit parallelen Füssen: Beinlängenausgleich, Beinachse/QWinkel, Genu recurvatum, Patellahöhe, zueinander rotierte Patellae, beidbeinige/ einbeinige Kniebeuge, vermehrte Pronation im USG, Pes planovalgus et abductus</li> <li>Schritt und Ganganalyse: Ausfallschritt, Stufenschritt, «Kneeing in», funktioneller Knievalgus, funktioneller Pes planovalgus et abductus</li> <li>sitzende Untersuchung: Patellaposition, «J sign» oder «reversed J Sign» bei Patellazentrierung in Flexion, Krepitation/ retropatellare Dolenz während der Extension gegen Widerstand, Kraft der Hüftabduktoren und Aussenrotatoren</li> <li>Rückenlage: Gelenkserguss, Patella alta, Patella-Tilt, Lateralisation der Patella bei Quadrizepskontraktion, mediolaterale Verschiebe- und Apprehensiontests, Zohlen-Zeichen</li> <li>Seitenlage: Verkürzung des Tractus iliotibialis (Ober-Test)22</li> <li>Bauchlage: Femur-/Tibia-Rotation, Quadrizepsverkürzung</li> </ul> <p>Bei akuten Luxationsereignissen ist die klinische Untersuchung limitiert.<br /><br /> <strong>Radiologische Diagnostik</strong><br /> Um die oben genannten destabilisierenden Faktoren beurteilen zu können, werden in unserer Klinik bei akuten und rezidivierenden Ereignissen der PFI anteroposteriore, streng seitliche und patella-axiale Röntgenaufnahmen bei ca. 45° Flexion des betroffenen Kniegelenkes durchgeführt. In der weiteren Abklärung wird ein Orthoradiogramm mit plantigradem Parallelstand veranlasst. Als Schichtbildgebung führen wir ein MRI durch, wobei darauf geachtet wird, dass die axialen Schnitte perpendikular zur Beinachse dargestellt werden. Bei Verdacht auf Frakturen oder Rotationsfehlstellungen von Femur und Tibia beauftragen wir noch ein CT (sofern ein erweitertes MRI nicht aussagekräftig oder möglich ist).</p> <h2>Therapie</h2> <p><strong>Entscheidungsfindung</strong><br /> Als hilfreich erachten wir die Klassifikation der Patellaluxation nach Frosch et al. in 5 Typen anhand der Kriterien Instabilität, Maltracking und Verlust des Trackings.<sup>2</sup><br /> Bei St.n. Erstluxation kann das Risiko einer Reluxation mit anamnestischen, klinischen und radiologischen Befunden anhand des Patellar Instability Severity Score (PIS) analysiert werden.<sup>8</sup> Bei einer möglichen Gesamtpunktzahl von 7 wird ein Wert von =3 als geringes und einer von =4 als 5-fach erhöhtes Reluxationsrisiko eingeschätzt. Bei PIS =3 kann eine konservative Therapie erfolgen. Zeigt sich im Röntgen eine Flake-Fraktur an der medialen Patella oder der lateralen Trochlea, wird zur Abklärung der vorliegenden Pathomorphologie der PFI noch ein MRI veranlasst und anschliessend die Indikation zur frühzeitigen operativen Therapie grosszügig gestellt. Liegt zusätzlich eine Trochleadysplasie Typ B–D vor (PIS =4), reicht eine reine Flake-/ MPFL-Refixation nicht aus. In diesen Fällen führen wir zusätzlich auch eine Trochleaplastik durch. Bei PIS =4 ohne Flake- Fraktur empfehlen wir für ca. 6 Wochen ein konservatives Vorgehen zur Abschwellung und Reduktion der posttraumatischen Inflammation und zur besseren subjektiven und objektiven klinischen Abklärung im Verlauf. Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass der Patient ein besseres Verständnis der Problematik aufbauen kann und im Fall eines weiteren Unsicherheitsbis Instabilitätsgefühls eine grössere Compliance für ein sekundäres operatives Vorgehen aufbringt.<br /> Bei Rezidivluxationen empfehlen wir die komplette Diagnostik, um die möglichen multifaktoriellen Risikofaktoren analysieren und ihre Wertigkeit als destabilisierender Faktor einschätzen zu können. Da in 85 % der Fälle eine Trochleadysplasie vorliegt, ist die korrekte Beurteilung des Trochleatyps und des LTI von grosser Bedeutung.<sup>13</sup> Dazu empfehlen wir, die proximale Trochlea als «zone of interest» zu betrachten und auf Höhe der proximalen Trochlea in mehreren (3–4) axialen MRI-Schnittbildern jeweils den LTI zu bestimmen. Wir betrachten, wie auch Carrillon et al., einen LTI von 11°–15° als wenig und einen von <11° als deutlich pathologisch. 14 Wenn die Trochleadysplasie als Hauptproblematik definiert wird, und bei einem LTI <11° wird von uns die Trochleaplastik modifiziert als «Churer/Bereiter- Methode» angewendet.<sup>23</sup> Bei einer PFI ohne ausgeprägte Trochleadysplasie oder Achsen- und Rotationsfehlstellungen empfehlen wir die augmentierte MPFL-Rekonstruktion. Hierbei gilt es zu prüfen, ob zusätzlich bei einem kontrakten lateralen Retinaculum auch eine laterale Verlängerungsplastik zur Patellazentrierung und Vermeidung einer retropatellaren Hyperpression durchgeführt werden muss.<br /> Bei grossen Fehlstellungen des Alignments als Hauptursache der PFI müssen Korrekturosteotomien (OT) in Betracht gezogen werden, z.B.: Tuberositastibiae- OT medialisierend bei TT-TG >20mm, zusätzlich distalisierend bei Patella alta; varisierende Femur- oder Tibia-OT bei Genu valgum; Aussenrotationsfemur- OT bei pathologischer Femurantetorsion; 24 Innenrotationstibia- OT bei pathologischer Tibia-Aussenrotation<sup>24</sup>.<br /><br /> <strong>Konservative Therapie</strong><br /> Es gilt bei diesem therapeutischen Vorgehen, den retropatellaren Schmerz zu vermeiden. Anfangs oder temporär können Orthesen oder Taping-Techniken<sup>25</sup> bei der Stabilisation helfen. Empfehlenswert für die bessere Zentrierung der Patella und Propriozeption sind physiotherapeutische Massnahmen zur Kräftigung des Vastus medialis obliquus als medialer aktiver Stabilisator und Übungen zur Dehnung kontrakter knienaher Strukturen. Bei der Physiotherapie müssen zwingend auch die Becken- und Sprunggelenksstabilisatoren mit adressiert werden. Sollte eine vermehrte Fusspronation mit Knick-Senkfuss-Komponente bestehen, wird eine Schuheinlagenanpassung empfohlen.<br /><br /> <strong>Operative Therapie</strong><br /> Primäre MPFL-Naht/Flake-Refixation<br /> Bei dehiszenter patellarer MPFL-Läsion mit oder ohne ossären Ausriss führen wir die transossäre Refixation mit einem Fibrewire durch. Die osteocartilaginären Flakes können bei einer soliden Knochenschuppe mit «Bio-Compression Screw» (Arthrex<sup>®</sup>) oder bei dünnen Flakes mit überkreuzenden transossären Osteosuturen (Vicryl) in «Spiderweb-Technik» fixiert werden.<br /><br /> <strong>Tuberositas-tibiae-Osteotomie</strong> <br />Bei erhöhtem Q-Winkel/TT-TG/TT-PCL als hauptsächliche destabilisierende Pathologie wird mit der Tuberositas-tibiae- Osteotomie eine Medialisierung der Patellaführung angestrebt.<sup>26, 27</sup> Wenn gleichzeitig eine retropatellare Druck- und Schmerzreduktion angestrebt wird, empfehlen wir die ventralisierende medialisierende Osteotomie nach Fulkerson.<sup>28</sup> Wurden zusätzlich eine Elongation und Vernarbung des MPFL diagnostiziert, sollte zusätzlich auch eine Raffnaht durchgeführt werden. Bei Kontinuitätsunterbruch des MPFL muss an eine Augmentation gedacht werden. Gleichzeitig gilt es zu prüfen, ob kontrakte laterale Strukturen vorliegen, welche dann verlängert werden müssten.<br /><br /> <strong>MPFL-Rekonstruktion</strong><br /> Da das MPFL hauptsächlich im strecknahen Bereich als wichtigster passiver Stabilisator anzusehen ist, sollte bei Diskontinuität alleine als Hauptpathologie oder in Kombination bei weiteren Pathologien (z.B. Trochleadysplasie) eine Rekonstruktion erfolgen. Hier haben sich schon mehrere Methoden, Transplantate und Fixationsimplantate etabliert.<sup>29–36</sup><br /> Bisher gute Erfahrungen gibt es mit der freien Gracilis-Augmentation. Patellar verwendeten wir die Tunneltechnik und femoral die Fixation mittels Interferenzschraube. Um geringere «donor-side morbidity» durch die Gracilis-Entnahme zu verursachen, führen wir seit 1,5 Jahren die Technik nach Fink mit einem Quadrizepsstreifen durch.<sup>37</sup> Folgende Punkte bei der MPFL-Rekonstruktion erachten wir als essenziell: flächige Rekonstruktion der Struktur, Einziehen zwischen 2. und 3. Schicht des medialen patellofemoralen Komplexes,<sup>5</sup> Vermeidung der Gelenkskapseleröffnung, medialen Patellarand ossär anfrischen, anatomische Insertionspunkte Patella und Femur, intraoperative Röntgenkontrolle/ -dokumentation femoraler Insertionspunkt,<sup>38</sup> Anspannen bei 20–30° Flexion, lateraler Patellarand «en niveau» mit lateralem Trochlearand, femorale Fixation mit Interferenzschraube (Überstand der Schraube vermeiden), Überprüfen der freien Kniebeweglichkeit, überprüfen, ob laterale Verlängerungsplastik notwendig ist.<br /><br /><strong> Trochleaplastik</strong> <br />Um eine V-förmige Vertiefung der Trochlea nach der Déjour-Methode zu vermeiden und eine bessere Artikulation zwischen Patella und neu geformter proximaler Trochlea zu erreichen, entwickelte Bereiter 1991 die «Churer/Bereiter-Methode » als Modifikation.<sup>7, 23, 39</sup> Dabei wird nach Ablösen des randständigen Periosts die Trochlea von proximal sukzessiv mit einem Meissel als osteocartilaginäre Schuppe angehoben. Mit der Multifragmentierung des ca. 3mm dicken Knochens unter dem Knorpel gelingt eine gut modulierbare Elastizität der Schuppe. Ziel ist es, dass die zentrale Tiefe auf dem Niveau der anterioren femoralen Kortikalis erreicht wird, um ein stufenfreies Patellagleiten in die Trochlea zu ermöglichen. Diese Position wird als transossäre Suture fixiert. Randständig wird das Periost readaptiert (Abb. 2–4).<br /> Essenziell zu beachtende Punkte bei dieser Technik sind: Z-förmige laterale Arthrotomie für mögliche Verlängerungsplastik, Knochendicke der elastischen Schuppe 2–4mm, Knorpelperforation vermeiden, zentrale Tiefe auf Femurkortikalis- Niveau erreichen, physiologisch konkave Form der Furche, laterale Trochlearandhöhe erhalten.<br /> Zusätzliche MPFL-Chirurgie: elongiert – Raffnaht, patellar abgerissen – transossäre Refixation, hypotroph – Augmentation.<br /> Die Flexion von 90° muss intraoperativ geprüft werden, um die zentrale Patellaführung zu kontrollieren. Durch diese Methode der Trochleaplastik werden neben dem Containment auch der passive Stabilisator und letztendlich auch das Alignment mitbeeinflusst. Durch die Neuformung der «trochlear groove» wird der TT-TG ebenfalls gering verringert.<br /><br /><strong> Achsenosteotomien</strong> <br />Eine operative Indikation zur Korrekturosteotomie sehen wir nur bei ausgeprägten Valgus- und Rotationsdeformitäten von Femur und/oder Tibia.<sup>2</sup> <strong>Resultate</strong> Über 300 Trochleaplastiken wurden in der oben beschriebenen Technik in unserem Haus bisher durchgeführt. Nach Erarbeitung unseres Konzeptes zur Behandlung der PFI zeigte sich, dass 80 % mittels Trochleaplastik, 18 % mittels alleiniger MPFL-Rekonstruktion und 2 % mit Umstellungsosteotomien als Primäreingriff stabilisiert werden. Bei der Nachkontrolle zeigte sich, dass alle Patienten mit Trochleaplastik keine Rezidivinstabilität aufwiesen. <sup>6, 40, 41</sup> Der Apprehensiontest war zur Jahreskontrolle nur noch bei sehr wenigen Patienten positiv, wobei 20 % noch retropatellaren Schmerz beschrieben (11 % vermehrt, 9 % identisch zu präoperativ). Über 80 % konnten das Aktivitätsniveau zu präoperativ steigern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s6_abb2.jpg" alt="" width="992" height="861" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s6_abb3.jpg" alt="" width="992" height="849" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1801_Weblinks_s6_abb4.jpg" alt="" width="991" height="981" /></p> <h2>Komplikationen und Limits</h2> <p>Von über 300 Trochleaplastiken wurden neben 5 Revisionen bei postoperativem Hämatom/ Hämarthrose, 2 Revisionen bei extraartikulärem Wundinfekt und 3 Mobilisationen in Narkose keine weiteren Frühinterventionen notwendig. Im mittel- und langfristigen Verlauf mussten bisher 18 Kniearthroskopien zur Entfernung freier Gelenkskörper oder einer hypertrophen Narbenplica durchgeführt werden. Zur Jahreskontrolle wurde in ca. 50–60 % der Fälle noch ein retropatellares Krepitieren festgestellt, welches von den wenigsten Patienten als funktionell störend empfunden wurde. Erfreulicherweise zeigten alle Patienten eine ossäre Einheilung der Trochleaschuppe, ohne Osteolyse oder Osteonekrose.<br /> Unsere relativen Kontraindikationen sind offene Epiphysenfugen bei Kindern und subchondrale Sklerose/Chondropathien 3°–4° der Trochlea.<br /> Erfahrungsgemäss zeigen sich bei Patienten, die älter als 30 Jahre sind, schon erste degenerative Veränderungen, welche die Trochleaplastik limitieren. Die Indikation beruht im Wesentlichen auf der Qualität des Trochleaknorpels.</p></p>
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