<p class="article-intro">Insgesamt gibt es einige positive Arbeiten zum Thema plättchenreiches Plasma (PRP) in der Schulterregion. Dieser Nutzen ist noch nicht in ausreichendem Maße in klinischen Studien bestätigt. Auch wenn Komplikationen selten sind, sollte der Nutzen im Vordergrund stehen. PRP sollte im Rahmen von Studien verwendet werden und nicht unkritisch zum Einsatz kommen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>PRP wird teilweise sehr unkritisch in der Orthopädie und Traumatologie eingesetzt.</li> <li>Für die Routineanwendung von PRP bei Schulterpathologien gibt es derzeit größtenteils keine ausreichende Evidenz.</li> <li>PRP-Anwendungen sollten im Rahmen von kontrollierten Studien erfolgen.</li> <li>Mittel- und langfristige Ergebnisse prospektiver randomisierter Studien bleiben abzuwarten.</li> </ul> </div> <p>Thrombozytenreiches Plasma (plättchenreiches Plasma, PRP) wird durch Plasmapherese mittels Zentrifugation aus autologem Patientenvollblut hergestellt. In den sogenannten Alphagranula der Thrombozyten befinden sich zahlreiche Wachstumsfaktoren und Zytokine, die eine bedeutsame Rolle in der Wundheilung spielen (Leitner 2015). Durch physiologische oder künstlich hervorgerufene Thrombozytenaktivierung werden diese Faktoren freigesetzt und wirken chemotaktisch sowie direkt und indirekt geweberegenerativ. Mesenchymale Stammzellen und Fibroblasten werden zur Proliferation angeregt.</p> <h2>Anwendung</h2> <p>Nicht nur in der Orthopädie und Traumatologie findet PRP zunehmend Anwendung, sondern auch in der Herz- und Thoraxchirurgie, bei der Behandlung von chronischen Wunden in der Allgemeinund Gefäßchirurgie und Dermatologie und seit Längerem schon in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. In der plastischen Chirurgie wird PRP zur Verjüngung und Zellregeneration verschiedenster Körpergewebe genutzt. Die Empfehlungen zur Wiederholung der notwendigen Anwendungen sind je nach Fachgebiet sehr unterschiedlich. Die Herstellung des PRP erfolgt zum Teil auch sehr unterschiedlich und somit variiert auch die PRP-Zusammensetzung. Es gibt Unterschiede in Menge, Konzentration und Zahl der Thrombozyten und damit der stimulierenden Faktoren. Optional besteht die Möglichkeit, die Thrombozyten mit Thrombin oder Kalziumchlorid zu aktivieren, wodurch diese die gespeicherten Wachstumsfaktoren freisetzen, was vor allem bei minderdurchblutetem Gewebe von Nutzen ist.</p> <h2>Erzeugung</h2> <p>Die Menge des zu entnehmenden Blutes ist einerseits vom verwendeten Plasmapheresegerät, andererseits vom Einsatzgebiet abhängig. Sie liegt bei Verwendung eines Tischgerätes bei etwa 20–100ml Vollblut, welches venös mit einer Spritze entnommen wird. Das Vollblut wird zentrifugiert und das oben schwimmende Plasma je nach Methode separiert oder nochmals zentrifugiert. Damit erreicht man eine 3–4-fache Konzentration an Thrombozyten in einem kleinen Plasmavolumen. Die erzeugte Menge PRP liegt bei wenigen Millilitern und sollte innerhalb von 8 Stunden verwendet werden.</p> <h2>PRP in der Orthopädie und Traumatologie</h2> <p>PRP findet in der Orthopädie und Traumatologie im klinischen Alltag eine breite Anwendung. Diese Anwendungen sind nur zum Teil in wissenschaftlichen Studien untersucht. Hochqualitative sowie klinische Studien mit ausreichender Fallzahl und vor allem langer Verlaufsbeobachtung beim Menschen fehlen häufig. Nur in wenigen klinischen Bereichen kann ein positiver Effekt von PRP nachgewiesen werden. Das Schultergelenk ist neben dem Kniegelenk der häufigste Anwendungsbereich für PRP-Injektionen und auch der am besten untersuchte Bereich in der Literatur (Zhang 2016). Unterscheiden sollte man die Anwendung in der konservativen Therapie von der perioder postoperativen Verwendung an der Schulter. Im Folgenden geben wir eine Übersicht über die derzeitige Evidenz der PRP-Behandlung bei verschiedenen Indikationen nach Verletzungen im Schulterbereich.</p> <h2>PRP bei Schulterverletzungen</h2> <p>Die Literatursuche zum Thema ergab, dass sich die meisten Studien mit Sehnenrupturen oder mit dem Impingementsyndrom der Schulter beschäftigen. In einigen Fällen wird nicht zwischen akuten, traumatischen und chronischen Rupturen der Rotatorenmanschette bzw. einzelnen Sehnen unterschieden. Es fällt auf, dass eine erstaunlich hohe Anzahl an Reviews und Metaanalysen existiert, die mehr oder weniger die gleiche Primärliteratur mit unterschiedlichen Fragestellungen analysieren (Fu 2017, Yang 2016). Hochwertige randomisierte Studien sind Mangelware. Langzeitverlaufsbeobachtungen jenseits der 6 Monate fehlen meistens. Tabelle 1 soll einen Teil der Fragen aufzeigen, die vor Studienbeginn abzuklären sind, und die Schwierigkeiten bei der Planung eines optimierten Studiendesigns veranschaulichen.<br /> Eine rezente randomisierte Studie zeigte, dass es keine Unterschiede zwischen zweifacher PRP-Injektion ohne Beübung im Vergleich zur Beübung alleine nach 6 Monaten bei Patienten mit Impingementsyndrom der Schulter gab (Nejati 2017). Eine Arbeit über Rotatorenmanschettenrupturen zeigte gleich gute Effekte bei Patienten, die PRP oder Kortison erhielten. Daraus schlussfolgerten die Autoren, dass PRP eine Behandlungsalternative bei Steroidunverträglichkeit darstelle (von Wehren 2016). Eine hochrangig publizierte ähnliche Arbeit verglich eine PRP-Injektion während arthroskopischer Operation mit Infiltrationen von Lokalanästhetika nach der Operation und zeigte im Verlauf keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich des postoperativen Schmerzes (Flury 2016). Eine intratendinöse PRPInjektion nach Rotatorenmanschettennaht ergab, wie auch schon in einigen Studien zuvor, keinen Vorteil von PRP gegenüber konventionellem Vorgehen (Werthel 2014). Eine andere Studie zeigte ebenso keinen Vorteil von PRP bei Injektion 7 und 14 Tage postoperativ (Wang 2015). In einem systematischen Review ergab sich kein Benefit hinsichtlich Reruptur bei Anwendung von PRP nach Operationen von großen, breiten Rupturen (Zhao 2015). Allerdings zeigte eine randomisierte Studie bei Patienten mit degenerativen Rissen in der PRP-Gruppe ein besseres Outcome 2 Jahre nach arthroskopischer Sehnennaht (Pandey 2016). Eine andere Arbeit zeigte einen positiven Effekt von PRP in Gestalt einer geringeren Rerupturrate nach operativ versorgten kleinen bis mittleren Rotatorenmanschettenrupturen auf (Jo 2015). Eine Metaanalyse zu diesem Thema kam zu einem ähnlichen Ergebnis, allerdings wurde die wenig zufriedenstellende Kosteneffizienz in den PRP-Gruppen kritisiert (Vavken 2015). Ebenso zeigen viele retrospektive Studien und Fallbeobachtungen ohne Vergleichsgruppen durchwegs positive Effekte von PRP und geben eine von niedrigem Evidenzlevel geprägte Empfehlung für die Anwendung von PRP ab (Lädermann 2016, Tahririan 2017). Auch auf Basis von In-vitro-Studien werden PRP-Anwendungen sehr gelobt, mit der Aussicht auf mögliche vielversprechende Ergebnisse im Langzeitverlauf bei klinischer Anwendung (Giotis 2017). Je nach Interpretation der vorhandenen Metaanalysen wird von einer Verbesserung der Einheilung bzw. Verringerung der postoperativen Schmerzen berichtet, aber auch von Effektlosigkeit des PRP (Cai 2015, Yang 2016, Fu 2017).<br /> In einer kleinen Fallserie von Pseudarthrosen des Humerus nach Nagelung wurden positive Heilungsverläufe nach Verplattung gezeigt, die unter anderem auch auf die parallele Gabe von PRP zurückgeführt wurden (Campochiaro 2017). Ein früherer Fallbericht zeigte einen ebensolchen Erfolg bei einer Claviculapseudarthrose (Seijas 2010). Laut Literatur finden im Zusammenhang mit Glenoid- bzw. Labrumläsionen der Schulter nach Traumen PRP-Anwendungen in Kombination mit matrixassoziierten Defektauffüllungen nach chondralen Defekten mit guten Ergebnissen statt (Shin 2014). Allerdings gibt es hierzu keine größer angelegten vergleichenden Studien. Andere PRP-Studien außer zu den oben genannten Pathologien im Bereich der Schulter fanden wir in der jüngeren Literatur nicht.</p> <h2>Eigene Erfahrung</h2> <p>Wir verwenden PRP nur unter kontrollierten Bedingungen im Rahmen einer derzeit laufenden prospektiven, randomisierten Studie. Dabei werden Patienten mit Rotatorenmanschettenrupturen im Rahmen von arthroskopischen Sehnennähten mit oder ohne PRP behandelt. Die Behandlung mit PRP ist dem Operateur, jedoch nicht dem Patienten oder dem Nachuntersuchungsteam bekannt. Das PRP wird je nach Zuordnung des Patienten intraoperativ hergestellt und noch im OP, während der Patient sich in Narkose befindet, nach erfolgter Sehnennaht im Nahtbereich appliziert. Die Herstellung ist einfach und unkompliziert. In beiden Gruppen kommt die gleiche postoperative Betreuung zur Anwendung; Mobilisation und Physiotherapie unterscheiden sich nicht. Die Nachuntersuchungen erfolgen standardisiert 6, 12 und 24 Wochen sowie 12 und 24 Monate postoperativ, einschließlich einer MRT-Kontrolluntersuchung zu den letzten beiden Terminen. Die ersten Ergebnisse der 24-Monats-Kontrollen liegen nun vor und scheinen etwas bessere Resultate in der PRP-Gruppe zu liefern. Wir sehen derzeit keine Komplikationen durch die Gabe von PRP. Finale Ergebnisse bleiben abzuwarten.</p> <p> <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1704_Weblinks_ortho_1704__s39_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="570" /></p></p>
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