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RegACL: ein regeneratives Kreuzband-Implantat aus medizinisch hochreiner Seide

<p class="article-intro">Ein neuartiges Scaffold aus natürlichem Protein gewährleistet einerseits die Primärstabilität in der frühen postoperativen Phase und dient andererseits als Leitstruktur für die funktionale Regeneration des Kreuzbandes.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Das vordere Kreuzband ist eines der am h&auml;ufigsten verletzten B&auml;nder bei Sportunf&auml;llen. Insbesondere junge Sportler zwischen 18 und 30 Jahren sind betroffen. Ein rupturiertes vorderes Kreuzband f&uuml;hrt zu einer funktionellen Instabilit&auml;t des Kniegelenkes, daher ist in der Regel die operative Stabilisierung indiziert.<br /> Das heutige g&auml;ngigste Verfahren (&bdquo;Goldstandard&ldquo;) ist die Kreuzbandersatzplastik aus autologem Material, z.B. mit Patellarsehne oder Semitendinosussehne. Ein m&ouml;glicher funktioneller Nachteil liegt in der langen Rehabilitation und Sportkarenz und dem m&ouml;glichen Verlust an Festigkeit w&auml;hrend der Umbauphase, wodurch eine erh&ouml;hte Ruptur- bzw. Elongationsgefahr besteht. Ein weiterer Nachteil ist in der Entnahme des autologen Transplantats zu sehen, da diese mit einem gewissen Defekt (oft verbunden mit Schmerzen f&uuml;r den Patienten) wie auch einem Funktionsverlust bzw. einer Destabilisierung des Gewebes an der Entnahmestelle einhergeht. Zum Beispiel klagen Patienten, bei denen eine Kreuzbandrekonstruktion unter Verwendung von Teilen der Patellarsehne durchgef&uuml;hrt wurde, &uuml;ber Schmerzen beim Knien. Zudem stehen Transplantate aus autologen Materialien nicht unbegrenzt zur Verf&uuml;gung. Insbesondere bei sportlich aktiven Menschen kommt es recht h&auml;ufig zu sich wiederholenden Verletzungen der vorderen Kreuzb&auml;nder. Dar&uuml;ber hinaus zeigen Studien mit langfristigen Daten (&gt;10 Jahre), dass Patienten mit rekonstruiertem Kreuzband eine h&ouml;here Arthroserate zeigen. Als Alternative zum autologen Material wird vor allem im angloamerikanischen Raum recht h&auml;ufig allogenes Sehnengewebe verwendet. Dabei f&auml;llt einerseits die Problematik an der Entnahmestelle weg, andererseits zeigen Studien, dass diese sogenannten &bdquo;Allografts&ldquo; mit einer signifikant h&ouml;heren Rerupturrate einhergehen.<br /> Historisch gesehen waren vor 30 bis 35 Jahren verschiedene Kunstb&auml;nder kurzfristig sehr popul&auml;r, diese wurden aber aufgrund der hohen Versagerrate und wegen zum Teil katastrophaler Gelenksentz&uuml;ndungen rasch wieder verlassen und gelten heute als obsolet.<br /> Diese Gefahren und Limitierungen f&uuml;hren dazu, dass auf dem Gebiet der Kreuzbandchirurgie nach wie vor intensiv geforscht wird, wobei die Gewebsregeneration mit Sicherheit einen zukunftstr&auml;chtigen Stellenwert einnimmt. Die Verwendung von neuartigen Implantaten aus dem nat&uuml;rlichen Protein Seide stellt hierbei eine vielversprechende Innovation dar, mit der oben genannte Probleme eventuell verhindert bzw. umgangen werden k&ouml;nnen.<br /> Das AUVA Forschungszentrum/Ludwig Boltzmann Institut f&uuml;r klinische und experimentelle Traumatologie hat gemeinsam mit der Fachhochschule Technikum Wien in den vergangenen 8 Jahren ein regeneratives Kreuzband-Implantat aus Naturseide (Bombyx mori), kurz &bdquo;RegACL&ldquo; genannt, entwickelt, das dem menschlichen Kreuzband hinsichtlich mechanischer Belastbarkeit und Flexibilit&auml;t/Elastizit&auml;t nachempfunden ist.<br /> Die Grundidee hinter dem RegACLSeidenscaffold ist, dass dieses einerseits als mechanisches Bindeglied zwischen Femur und Tibia die Prim&auml;rstabilit&auml;t des Kniegelenks in der fr&uuml;hen postoperativen Phase sicherstellt und andererseits als Leitstruktur f&uuml;r die funktionale Regeneration des Kreuzbandes dient. Diese Leitstruktur soll &uuml;ber einen Zeitrahmen von 2 bis 4 Jahren vom K&ouml;rper kontinuierlich abgebaut werden. Aufgrund seiner Natur als inertes Strukturprotein wird es vom K&ouml;rper nicht als Fremdk&ouml;rper erkannt und ist wie seine Abbauprodukte (Peptide und Aminos&auml;uren) nicht toxisch. Damit Seide diese optimalen Eigenschaften aus mechanischer Stabilit&auml;t bzw. Biokompatibilit&auml;t aufweist, muss sie medizinisch hochrein aufgereinigt werden, mit m&ouml;glichst geringer Ver&auml;nderung der molekularen Struktur. Zu diesem Zweck konnte ein neuartiges und durch ein Patent gesch&uuml;tztes Reinigungsverfahren f&uuml;r textiltechnisch hergestellte Seidenimplantate entwickelt werden. Das so aufgereinigte Seidenkreuzband konnte in einer Gro&szlig;tierstudie am Schaf erfolgreich getestet werden.<sup>1</sup> Insgesamt konnte in dieser Studie nachgewiesen werden, dass das konstruierte Seidenkreuzbandimplantat gute Zell- und Gewebevertr&auml;glichkeit in vivo zeigte. Die damit behandelten Versuchstiere waren in ihrem Bewegungsablauf von 6 Wochen postoperativ bis Ende der Beobachtungszeitr&auml;ume unbeeintr&auml;chtigt. Daraus l&auml;sst sich schlie&szlig;en, dass das Transplantat die Funktionalit&auml;t des Kniegelenks gew&auml;hrleistet.<br /> Sowohl aus makroskopischen als auch histologischen Untersuchungen konnte geschlossen werden, dass sich ein Bandkonstrukt anstelle des implantierten Seidenkreuzbandes nach 6 bzw. 12 Monaten postoperativ gebildet hatte. Dieses Konstrukt bestand aus teilweise degradierten Seidenfasern und darin infiltrierten Zellen bzw. neu gebildetem Bandmaterial. Diese Studie zeigte, dass es mit auf Seide basierten Ger&uuml;ststrukturen m&ouml;glich ist, das vordere Kreuzband zu rekonstruieren, aber auch zu regenerieren, da der K&ouml;rper beginnt, Bandmaterial neu aufzubauen. Es weist damit alles darauf hin, dass dieser regenerative Ansatz tats&auml;chlich funktioniert.<br /> Diese Forschungsergebnisse haben sowohl national als auch international bereits ein beachtliches Echo hervorgerufen. So wurde Andreas Teuschl 2017 mit dem Wissenschaftspreis der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r Unfallchirurgie ausgezeichnet. Als weiteres &bdquo;Highlight&ldquo; darf ein Symposium zum Thema &bdquo;Regeneration des vorderen Kreuzbandes&ldquo; beim diesj&auml;hrigen Weltkongress der Tissue Engineering and Regenerative Medicine International Society (TERMIS) in Kyoto, Japan, gesehen werden, welches von der heimischen Forschungsgruppe veranstaltet wird und ein Zusammentreffen der weltweit f&uuml;hrenden Wissenschaftler auf dem Gebiet darstellt.<br /> Um das Konzept m&ouml;glichst rasch in Richtung klinische Anwendung zu bringen, wurde im Mai 2017 in Wien die Firma MorphoMed gegr&uuml;ndet und durch die Seed-Finanzierung des AWS sowie durch private Investoren finanziert. MorphoMed k&uuml;mmert sich nicht nur um die Entwicklung eines kommerziellen Herstellungsprozesses, die Durchf&uuml;hrung einer klinischen Studie und die Zulassung von RegACL als Medizinprodukt der Klasse 3, sondern in weiterer Folge auch um die klinische Verf&uuml;gbarkeit dieses innovativen und zukunftstr&auml;chtigen Produktes.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Teuschl A et al.: Am J Sports Med 2016; 44: 1547-57</p> </div> </p>
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