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Strut-Allografts in der operativen Versorgung von periprothetischen Femurfrakturen – hot or not?

<p class="article-content"><p>Periprothetische Frakturen treten immer h&auml;ufiger auf,<sup>1</sup> die Ursachen daf&uuml;r sind multifaktoriell bedingt. Die immer h&ouml;here Lebenserwartung und eine damit verbundene Zunahme der altersbedingten Arthrosen erkl&auml;rt die steigende Zahl an implantierten Prothesen, allen voran H&uuml;ftgelenks- und Kniegelenkstotalendoprothesen.<sup>2</sup> Ein lifestylebedingter h&ouml;herer Anspruch an das k&uuml;nstliche Gelenk und ein geringeres Patientenalter zum Zeitpunkt der Erstimplantation sind mitunter die Ursache f&uuml;r die steigende Zahl an Revisionseingriffen. Die Inzidenz traumatischer periprothetischer Frakturen wird in der Literatur f&uuml;r H&uuml;ftgelenkstotalendoprothesen mit 0,1&ndash;6,0 % und f&uuml;r Kniegelenkstotalendoprothesen mit 0,5&ndash;5,5 % angegeben.<sup>2 <br /></sup>Als Ursache periprothetischer Frakturen werden meist niedrigenergetische Traumen, beg&uuml;nstigt durch abriebbedingte Osteolysen, gelockerte Prothesenkomponenten, lokale Infektionen, aber auch Stressfrakturen durch Implantatfehlstellungen angegeben. Ein umstrittenes Thema, was die Risikofaktoren f&uuml;r eine periprothetische Fraktur betrifft, stellt das femorale Notching im Zuge der Implantation einer KTEP dar. Durch das vermehrte Unterschneiden im ventralen Bereich der Femurkompakta wird eine deutlich niedrigere Torsionsstabilit&auml;t vermutet.<sup>2, 3</sup></p> <h2>Vancouver-Klassifikation</h2> <p>Periprothetische Frakturen des proximalen Femurs werden nach der Vancouver-Klassifikation eingeteilt. Diese ber&uuml;cksichtigt die Frakturlokalisation, die Knochenqualit&auml;t und die Prothesenstabilit&auml;t (Tab. 1).<sup>4, 5 </sup></p> <h2>Lewis-Rorabeck-Klassifikation</h2> <p>Frakturen des distalen Femurs werden nach Lewis-Rorabeck eingeteilt. Diese Klassifikation orientiert sich an der Dislokation und an der Prothesenstabilit&auml;t (Tab. 2).<sup>6</sup></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s32.jpg" alt="Tab.1,2" width="1418" height="991" /></p> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s33_2.jpg" alt="Tab. 3" width="1417" height="799" /></h2> <h2>Therapie</h2> <p>Die operative Sanierung mittels ORIF (&bdquo;open reduction and internal fixation&ldquo;) und/oder der Komponentenwechsel sind die Therapieoptionen der Wahl. Konservative Therapieschemata beschreiben in bis zu 42 % &bdquo;Non-union&ldquo;-Komplikationen<sup>7</sup> und sind somit nur in Ausnahmef&auml;llen eine Behandlungsalternative. <br />Neben der Frakturlokalisation, der Knochenqualit&auml;t und der Stabilit&auml;t der Prothese ist die Therapieentscheidung auch vom Alter des Patienten und seinem physiologischen Zustand inkl. Komorbidit&auml;ten sowie von der Erfahrung des Chirurgen abh&auml;ngig.<sup>4</sup> Masri et al empfehlen bereits 2004 die Verwendung von Struts f&uuml;r periprothetische Frakturen mit instabiler Prothesen- und/oder Frakturkomponente.<sup>4</sup></p> <h2>Struts</h2> <p>Unter einem Strut-Graft (&bdquo;strut&ldquo; = engl. St&uuml;tze, Strebe) versteht man kortikale Allografts aus tiefgefrorenen Leichenteilen, welche nach internationalen Transplantationsrichtlinien aufbereitet werden. Sowohl die Entnahme wie auch die Aufbereitung und Lagerung der Pr&auml;parate sind gesetzlich streng geregelt (Tab. 3). Nach erfolgter breiter Abkl&auml;rung des Spenders (Abfrage im Widerspruchsregister, Abnahme von Blutkulturen, serologische Untersuchung auf CMV und Lues sowie zus&auml;tzliche PCR auf Hepatitis B und C sowie HIV, Abstrichentnahme etc.) erfolgt bei unauff&auml;lligen Befunden die Freigabe durch die Knochenbank.<br />Geschichtlich wurden die ersten Allografts an Radii von Hunden getestet. Kreuz publizierte 1951 &uuml;ber Strut-Grafts in Inlay-Technik.<sup>8</sup> Darauf aufbauend erforschte Malinin 1984 ebenfalls an Hunden die Onlay-Technik.<sup>9</sup> Die erste Verwendung von Strut-Allografts beim Menschen wurde von Chandler und Penenberg 1989 beschrieben.<sup>10</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s33_1.jpg" alt="Abb. 1" width="1417" height="803" /></p> <h2>Kritikpunkte</h2> <p>Kritiker bef&uuml;rchten durch den erforderlichen gr&ouml;&szlig;eren Hautschnitt einen Gewebeschaden, einhergehend mit einer erh&ouml;hten Infektionsrate und verz&ouml;gerter Knochenheilung. Weiters werden die M&ouml;glichkeit der Krankheits&uuml;bertragung vom Spender auf den Empf&auml;nger sowie eine m&ouml;gliche Immunreaktion teils kontrovers diskutiert. Die unterschiedliche Dauer und das unterschiedliche Ausma&szlig; der Resorption bzw. Inkorporation des Allografts sorgen f&uuml;r weiteren Diskussionsstoff.<sup>10, 11</sup></p> <h2>Strut-Allografts und Vancouver</h2> <p>Choi et al beschrieben 2010 im Rahmen einer biomechanischen Studie an Vancouver-B1-Frakturen einen deutlichen Vorteil der Verwendung von Strut-Allografts im Vergleich zur alleinigen Verwendung einer lateralen LCP-Platte mit Cerclagen. Ein noch besseres Ergebnis in puncto Steifigkeit erzielte jedoch die Kombination aus einer lateralen und einer anterioren Plattenosteosynthese.<sup>12</sup> Sariyilmaz et al sprachen sich 2014 nach biomechanischen Analysen klar f&uuml;r mediale Strut-Allografts bei Vancouver-B1-Frakturen aus.<sup>7</sup> Kim et al bef&uuml;rworten 2015 in einer Follow-up-Studie die Verwendung von Strut-onlay-Allografts bei Revisionseingriffen von H&uuml;fttotalendoprothesen.<sup>13</sup> 2016 pl&auml;dieren Yeo et al f&uuml;r Strut-Allografts bei B1-Frakturen.<sup>14</sup> <br />Die haupts&auml;chliche Indikation f&uuml;r Strut-Allografts wird f&uuml;r Vancouver-B1- und -C-Frakturen gestellt. Einige Autoren bef&uuml;rworten aber auch ihre Verwendung bei Typ-B2- und -B3-Frakturen nach Revisionseingriffen bei gr&ouml;&szlig;eren Knochensubstanzverlusten.<sup>10</sup> Hernandez et al legen sich fest und empfehlen Strut-Allografts f&uuml;r folgende Situationen:</p> <ul> <li>in F&auml;llen von queren Femurfrakturen distal der H&uuml;ftprothesenspitze, in denen aus diversen Gr&uuml;nden anstatt des Schaftwechsels eine Plattenosteosynthese durchgef&uuml;hrt wird</li> <li>bei jungen Patienten mit Typ-B2- und -B3-Frakturen mit erh&ouml;htem Knochensubstanzverlust</li> <li>im Rahmen von Reosteosynthesen mit Tr&uuml;mmer- oder Lysezonen der medialen Kortikalis<sup>10</sup></li> </ul> <p>Die Entscheidungsfindung in Bezug auf die Versorgung von proximalen periprothetischen Femurfrakturen kann sich schwierig gestalten. Im Falle distaler periprothetischer Femurfrakturen ist die zur Verf&uuml;gung stehende Literatur in Zusammenhang mit Strut-Allografts jedoch &uuml;berschaubar.</p> <h2>Strut-Allograft und Lewis-Rorabeck</h2> <p>Chen et al empfehlen 2013 die Kombination aus einer Verriegelungsplatte und einem Strut-Allograft.<sup>15</sup> M&auml;kinen et al kommen im Rahmen einer biomechanischen Studie zu dem Schluss, dass ein intramedull&auml;rer Fibula-Strut-Allograft keinen signifikanten Vorteil im Vergleich zur Versorgung mittels polyaxialer Verriegelungsplatte bietet.<sup>16</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s34_1.jpg" alt="Abb. 2" width="1417" height="1114" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s34_2.jpg" alt="Abb. 3" width="1417" height="799" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Sowohl die Vancouver- wie auch die Lewis-Rorabeck-Klassifikation dienen als exzellente Hilfestellungen bei der Entscheidungsfindung in Bezug auf die Behandlung periprothetischer proximaler und distaler Femurfrakturen (Abb. 2 und Abb. 3). Insgesamt pr&auml;sentiert sich die Studienlage zu diesem komplexen Thema heterogen, jedoch zeigen zahlreiche rezente Studien einen Trend in Richtung der Verwendung von Strut-Allografts in der Versorgung proximaler periprothetischer Femurfrakturen. Aufgrund bislang fehlender Guidelines liegt die endg&uuml;ltige Entscheidung &uuml;ber die Therapie (Plattentyp, Positionierung der Platte/n, Cerclagen, Strut-Allografts usw.) in der Verantwortung des Chirurgen.<br /> Aus unserer Sicht k&ouml;nnen Strut-Allografts unter Ber&uuml;cksichtigung gewisser Faktoren (geeigneter Patient, Verf&uuml;gbarkeit, Erfahrung des Chirurgen) als eine gute Erg&auml;nzung zur konventionellen Versorgung periprothetischer Frakturen dienen.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Kim YH et al: J Arthroplasty 2016; online 7 June; in press <strong>2</strong> Hagel A et al: Dtsch Arztebl Int 2014; 111(39): 658-64 <strong>3</strong> Yoo JD, Kim NK: Knee Surg Relat Res 2015; 27(1): 1-9 <strong>4</strong> Masri BA et al: Clin Orthop Relat Res 2004; (420): 80-95 <strong>5</strong> Duncan CP, Masri BA: Instr Course Lect 1995; 44: 293-304 <strong>6</strong> Rorabeck CH, Taylor JW: Orthop Clin North Am 1999; 30(2): 209-14 <strong>7</strong> Sariyilmaz K et al: J Arthroplasty 2014; 29(7): 1485-90 <strong>8</strong> Kreuz FP et al: J Bone Joint Surg Am 1951; 33-A(4): 863-72; passim <strong>9</strong> Malinin T et al: Clin Orthop Relat Res 1984; (190): 281-6 <strong>10</strong> Hernandez JT, Holck K: Injury 2015; 46(Suppl 5): S43-6 <strong>11</strong> Tsiridis E et al: Injury 2007; 38(6): 688-97 <strong>12</strong> Choi JK et al: J Arthroplasty 2010; 25(6 Suppl): 124-8 <strong>13</strong> Kim YH et al: Clin Orthop Relat Res 2015; 473(9): 2990-3000 <strong>14</strong> Yeo I et al: Int Orthop 2016; Jan 13 [Epub ahead of print] <strong>15</strong> Chen SH et al: Knee 2014; 21(1): 224-31 <strong>16</strong> Makinen TJ et al: Int Orthop 2015; 39(9): 1737-42</p> </div> </p>
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