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Kopferhaltende Versorgung von Schenkelhalsfrakturen

Verschraubung versus dynamische Hüftschraube

<p class="article-intro">Die Wahl des richtigen Implantats zur kopferhaltenden Versorgung einer medialen Schenkelhalsfraktur wird schon seit Jahren kontrovers diskutiert. Heute gehören die dynamische Hüftschraube (DHS) und die Verschraubung mittels dreier kanülierter Schrauben zu den gängigsten Verfahren. Darüber hinaus gibt es weitere vielversprechende Alternativen, wie z.B. die zweifache kanülierte Schrauben- fixierung, die es zu untersuchen gilt.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Sturzunf&auml;lle von Menschen ab 65 Jahren machen fast ein Drittel aller Heim- bzw. Freizeitunf&auml;lle aus und f&uuml;hren dabei oft zu medialen Schenkelhalsfrakturen.</li> <li>Kopferhaltende Versorgungsstrategien zeigen insbesondere bei medialen Schenkelhalsfrakturen vom Typ Garden I und II sehr gute Ergebnisse, unabh&auml;ngig davon, welches der 2 Implantate verwendet wird.</li> <li>F&uuml;r die Versorgung einer Schenkelhalsfraktur vom Typ Garden III sollte der DHS eher der Vorzug gegeben werden bzw. bei nicht zufriedenstellendem Repositionsergebnis der Patient eher mit einer H&uuml;ftprothese versorgt werden.</li> <li>Bei alkoholabh&auml;ngigen Patienten empfiehlt es sich, von kopferhaltenden Verfahren abzusehen und direkt endoprothetisch zu versorgen.</li> <li>Die Verschraubung mittels zweier kan&uuml;lierter Schrauben stellt ein vergleichsweise g&uuml;nstiges und komplikationsarmes Verfahren zur Therapie der medialen Schenkelhalsfraktur dar.</li> <li>Der Operateur sollte das Implantat verwenden, mit dem er am meisten vertraut ist, wobei das oberste Gebot der Operation das Erreichen eines korrekten Repositionsergebnisses sowie einer optimalen Implantatpositionierung sowohl in ap als auch in axialer R&ouml;ntgendurchleuchtung sein muss.</li> </ul> </div> <h2>Sozio&ouml;konomische Bedeutung</h2> <p>Die demografische Entwicklung in &Ouml;sterreich und anderen europ&auml;ischen L&auml;ndern, die sich grunds&auml;tzlich in einem gr&ouml;&szlig;er werdenden Anteil der &auml;lteren und einem kleiner werdenden Anteil der j&uuml;ngeren Generation ausdr&uuml;ckt, birgt eine Vielzahl an sozio&ouml;konomischen Herausforderungen. Die Bev&ouml;lkerungsprognose der Statistik Austria geht von einem Zuwachs in der Gruppe der &uuml;ber 65-J&auml;hrigen aus, sodass diese bis zum Jahr 2100 ca. 29,4 % der Gesamtbev&ouml;lkerung &Ouml;sterreichs ausmachen wird. Bei zunehmender Lebenserwartung und einem stetig wachsenden Anteil &auml;lterer Menschen in der Bev&ouml;lkerung bedeutet dies auch eine Zunahme an altersassoziierten Knochenbr&uuml;chen. Frakturen des proximalen Femurs z&auml;hlen dabei zu den h&auml;ufigsten in dieser Altersgruppe. In Anbetracht des k&uuml;nftig stark ansteigenden Bedarfs an operativer Versorgung h&uuml;ftgelenksnaher Frakturen bei einer gleichzeitig gr&ouml;&szlig;er werdenden Auswahl an osteosynthetischen und prothetischen Therapieverfahren ist es somit unerl&auml;sslich, die Qualit&auml;t verschiedener Versorgungsoptionen in Studien zu pr&uuml;fen, um so eine optimale Behandlung gew&auml;hrleisten zu k&ouml;nnen. Nicht zuletzt wird auch dem &ouml;konomischen Aspekt immer mehr Bedeutung zukommen, wodurch sich bei der Wahl der Operationsmethode die kosteng&uuml;nstigeren Varianten bei vergleichbarer Qualit&auml;t durchsetzen k&ouml;nnten.</p> <h2>Wahl des Implantats</h2> <p>Bei der Therapie der medialen Schenkelhalsfraktur steht eine Vielzahl kopferhaltender Operationsmethoden zur Wahl, von denen sich nur wenige etablieren konnten. Mittlerweile geht man eher davon aus, dass die chirurgische Technik, die korrekte Reposition und die optimale Implantatpositionierung vermutlich eine gr&ouml;&szlig;ere Bedeutung f&uuml;r das Outcome des Patienten haben als die Wahl des Implantats. Hat man diese Rahmenbedingungen weitestgehend optimiert, bleibt nur noch die Wahl eines an die Bed&uuml;rfnisse des Patienten bestm&ouml;glich angepassten Implantats, um das Endergebnis zu verbessern. Prim&auml;re Anhaltspunkte f&uuml;r die optimale Versorgung der Frakturen sind dabei die Klassifikationen nach Garden und Pauwels. Mit ihrer Zunahme korrelierend steigt auch der Grad der Instabilit&auml;t (mit Ausnahme Garden I/II), weshalb kopferhaltende Verfahren zunehmend durch prothetische ersetzt werden. Heute geh&ouml;ren die DHS und die Verschraubung mittels dreier kan&uuml;lierter Schrauben zu den meistverwendeten Verfahren. Beide wurden in randomisierten Studien evaluiert und erbrachten beachtenswerte Resultate.<br /> Ein bisher in der internationalen Fachliteratur kaum ber&uuml;cksichtigtes Verfahren auf Basis der Manninger-Verschraubung kommt seit geraumer Zeit an der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Unfallchirurgie, Wien, mit &uuml;berzeugenden Therapieergebnissen zum Einsatz. Dieses ist mit seinen beiden kan&uuml;lierten Schrauben der weltweit etablierten Verschraubung mittels dreier kan&uuml;lierter Zugschrauben sehr &auml;hnlich und stellt an der Universit&auml;tsklinik neben der DHS das am h&auml;ufigsten angewandte kopferhaltende Verfahren zur Therapie der medialen Schenkelhalsfraktur dar.</p> <h2>Retrospektive Datenanalyse</h2> <p>In einer retrospektiven Datenanalyse wurden die Daten von 567 Patienten im Alter von 18 bis 100 Jahren (&oslash; 74,5 Jahre) mit medialer Schenkelhalsfraktur verglichen, die im Zeitraum von 2005 bis 2013 an der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Unfallchirurgie mittels DHS oder zweifacher kan&uuml;lierter Schraubenfixierung (&bdquo;cannulated screw fixation&ldquo;, CSFN) behandelt worden sind. 361 Patienten (63,7 % ) erhielten eine DHS, w&auml;hrend 206 Patienten (36,3 % ) mittels zweier kan&uuml;lierter Schrauben behandelt wurden.<br /><br /> <strong>Revisionsoperationsrate</strong><br /> Das prim&auml;re Ziel der Studie war es, die beiden Verfahren hinsichtlich der Revisionsoperationsrate zu vergleichen. Obgleich Revisionsoperationen in dieser Untersuchung bei zweifacher kan&uuml;lierter Schraubenfixierung mit 13,1 % gegen&uuml;ber 16,1 % prozentuell seltener vorkamen, konnten hierf&uuml;r keine signifikanten Unterschiede nachgewiesen werden. Die h&auml;ufigsten Gr&uuml;nde f&uuml;r die Revisionseingriffe waren H&uuml;ftkopfnekrosen (16 % ), gefolgt von Cut-outs (12 % ) sowie Implantatdynamiken (10 % ), wobei die angef&uuml;hrten Komplikationen miteinander einhergingen (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s32_tab1.jpg" alt="" width="1051" height="743" /><br /><br /> <strong>Komplikationsrate</strong><br /> Des Weiteren wurde untersucht, wie h&auml;ufig Komplikationen innerhalb der beiden Patientenkohorten auftraten. Daf&uuml;r wurden allgemeine Komplikationen ausgeschlossen, wodurch man sich auf jene konzentrieren konnte, die in direktem Zusammenhang mit dem urs&auml;chlichen Trauma bzw. der operativen Therapie standen. Bei der DHS-Gruppe kam es in 21,9 % und bei der CSFN-Gruppe in 14,1 % der F&auml;lle zu Komplikationen. Mit einem p-Wert von 0,023 konnte somit eine signifikant niedrigere Komplikationsrate f&uuml;r die zweifach kan&uuml;lierte Schraubenfixierung belegt werden. Die separate Untersuchung der einzelnen Komplikationen im Rahmen der explorativen Statistik ergab au&szlig;erdem mit 10,8 % gegen&uuml;ber 5,8 % eine signifikante H&auml;ufung (p=0,046) von avaskul&auml;ren Nekrosen unter den mit DHS versorgten Patienten (Tab. 2). Da die DHS in der Studienpopulation vermehrt auch bei verschobenen Frakturen Anwendung fand, wurden alle statistischen Untersuchungen auch separat f&uuml;r nicht dislozierte Frakturen durchgef&uuml;hrt. Es zeigte sich, dass Komplikations- und Revisionsraten niedriger waren. Dies legt den Schluss nahe, die Indikation zum kopferhaltenden Eingriff auf Frakturen der Klassifikation Garden I und II einzuschr&auml;nken (Ausnahme bei jungen Patienten).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s32_tab2.jpg" alt="" width="1051" height="743" /><br /><br /> <strong>Exo- und endogene Einflussfaktoren</strong><br /> Da die negative Wirkung eines allzu westlichen Lebensstils auf die Beschaffenheit des vaskul&auml;ren Systems schon seit Langem bekannt ist, sollte im Rahmen explorativer Analysen untersucht werden, welchen Einfluss exogene und endogene Faktoren als Confounder auf die Entstehung von avaskul&auml;ren Nekrosen (AVN) als einer der h&auml;ufigsten Komplikationen osteosynthetischer Versorgung haben. Der Konsum von Tabakprodukten und das Bestehen einer Alkoholabh&auml;ngigkeit wurden separat hinsichtlich ihres exogenen Einflusses untersucht. Dabei konnte mit einem p-Wert von 0,035 eine signifikante H&auml;ufung von avaskul&auml;ren Nekrosen bei Alkoholikern festgestellt werden, deren mediale Schenkelhalsfraktur zuvor osteosynthetisch versorgt wurde. Die Autoren einer rezenten aus Schottland stammenden Studie kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass neben bestehenden Nieren- bzw. Lungenerkrankungen auch ein bekannter Alkoholabusus mit einer signifikant gesteigerten Rate an Therapieversagen verbunden ist. Diese von Duckworth et al. durchgef&uuml;hrte Studie konnte, wie auch unsere Untersuchungen, keinen Einfluss von Tabakkonsum auf den Therapieerfolg oder die AVN-Rate nachweisen.<br /> Schlussfolgernd empfiehlt sich daher, bei Patienten mit vorbekanntem Alkoholabusus auf eine kopferhaltende Therapie des Schenkelhalses zu verzichten und stattdessen einen Gelenksersatz zu pr&auml;ferieren.<br /> Eine Aussage &uuml;ber die endogenen Faktoren Durchblutungsst&ouml;rung, Diabetes mellitus und Hyperlipid&auml;mie als m&ouml;gliche Confounder bei der Entstehung avaskul&auml;rer Nekrosen lie&szlig;en unsere Untersuchungen aufgrund zu kleiner Fallzahlen nicht zu.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Ortho_1705_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="2149" height="530" /><br /><br /> <strong>Zeit- und kosteneffizientes Vorgehen</strong><br /> Wie bereits einleitend erw&auml;hnt, steigt mit einer &auml;lter werdenden Bev&ouml;lkerung auch sukzessive die Inzidenz an sturzassoziierten Knochenbr&uuml;chen. Somit wird es immer wichtiger, neben einer optimalen Versorgung des Patienten ein m&ouml;glichst zeit- und kosteneffizientes Vorgehen zu gew&auml;hrleisten.<br /> Im Rahmen unserer Studie wurden explorative Analysen hinsichtlich der Dauer der prim&auml;ren osteosynthetischen Operation sowie der postoperativen Krankenhausaufenthaltsdauer, jeweils getrennt f&uuml;r DHS und CSFN, ausgewertet. Hierbei konnte nachgewiesen werden, dass die Operationsdauer f&uuml;r die Implantation einer DHS um ca. 13 Minuten signifikant l&auml;nger ausfiel, verglichen mit der CSFN (p&lt;0,0005), wobei dies zus&auml;tzlich mit einer signifikant l&auml;ngeren Spitalsaufenthaltsdauer von 2,5 Tagen f&uuml;r DHS-Patienten verbunden war (p&lt;0,006).<br /> Ausgehend von den Kosten der landesgesundheitsfondsfinanzierten Krankenanstalten bedeutet ein um zweieinhalb Tage verl&auml;ngerter Krankenhausaufenthalt &euro; 2332,50 Mehrkosten (&euro; 933 station&auml;re Endkosten je Belagstag in Wien x 2,5). F&uuml;r die um ca. 13 Minuten verl&auml;ngerte Operation fallen auf Grundlage von Zahlen der Charit&eacute; Berlin, in denen man von &euro; 15&ndash;25 pro Minute f&uuml;r einen besetzten Operationssaal ausgeht, nochmals &euro; 195&ndash; 325 Kosten ohne Gegenwert an. Addiert man die Differenz der Materialkosten zwischen DHS und zweifacher kan&uuml;lierter Schraubenfixierung in H&ouml;he von &euro; 248,40 (DHS: &euro; 350,40, CSFN: &euro; 102) hinzu, ergibt das in Summe &euro; 2775,90&ndash; 2905,90 Mehrkosten f&uuml;r die Anwendung der DHS. Da es sich hierbei jedoch nur um eine explorative Statistik handelt, ist die Aussagekraft dieser Ergebnisse beschr&auml;nkt und sollte weiterhin in randomisierten klinischen Studien untersucht werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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