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Klinikverbund KABEG

Lipödem-Behandlungsalgorithmus in der klinischen Praxis

<p class="article-intro">Immer noch besteht viel Unklarheit bezüglich der Diagnosestellung und Behandlung des Lipödems, und dies auch unter Experten auf diesem Gebiet. Die einzige wirkliche Evidenz betrifft letztlich, trotz vieler wissenschaftlicher Annäherungen an das Thema, ein Defizit an Wissen über eine offensichtliche Fehlsteuerung von diätresistenten Fettzellen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Diagnose durch den Lymphologen und Erstellen eines individuellen Behandlungsplans mit s&auml;mtlichen Begleiterkrankungen</li> <li>Bei konservativem Therapieversagen Liposuktion in Tumeszenztechnik</li> <li>Postoperativ konservative Weiterbetreuung im Rahmen von ambulanter oder station&auml;rer Rehabilitation</li> <li>Ggf. erg&auml;nzende plastischchirurgische Ma&szlig;nahmen (Straffungsoperationen)</li> </ul> </div> <p>Bewusst m&ouml;chten wir in diesem Artikel nicht auf bildgebende, histologische, genetische oder andere Verfahren eingehen, die das Bestehen eines Lip&ouml;dems eventuell untermauern k&ouml;nnten.</p> <h2>Diagnosestellung</h2> <p>Die von Allen und Hines 1940 beschriebenen Symptome wie Spannungsschmerzen, Ber&uuml;hrungsempfindlichkeit und H&auml;matomneigung bilden f&uuml;r uns in Kombination mit den unproportionalen Fettgewebseinlagerungen immer noch die Grunds&auml;ule in der Diagnosestellung. Patienten, die in der Lip&ouml;demsprechstunde an der Abteilung f&uuml;r Plastische, &Auml;sthetische und Rekonstruktive Chirurgie in Klagenfurt vorstellig werden, sind gr&ouml;&szlig;tenteils bereits durch Experten der Lymphklinik Wolfsberg diagnostiziert. Patienten, die diesen Weg noch nicht beschritten haben, werden in Wolfsberg vorgestellt. Dort wird eine leitliniengerechte Therapie eingeleitet.<br /> Da jedes Verteilungsmuster des Fettgewebes an den Extremit&auml;ten m&ouml;glich ist, tendieren wir zu einer beschreibenden Typisierung entsprechend den betroffenen Arealen. Die Stadieneinteilung vom Stadium I mit subkutanen Kn&ouml;tchen bis zum Stadium III mit deformierten Hautlappen ist sicher sinnvoll, jedoch ungenau.<br /> Bei vielen Patienten besteht gleichzeitig eine Adipositas. Die hierzu rezent in der Literatur ver&ouml;ffentlichten Prozentzahlen sind &auml;u&szlig;erst variabel. Da die di&auml;tresistente, schmerzhafte Fettgewebseinlagerung an den Extremit&auml;ten verst&auml;ndlicherweise zu einer Bewegungseinschr&auml;nkung aufgrund der Schmerzhaftigkeit f&uuml;hrt, ist eine Gewichtszunahme der Patienten vorprogrammiert. &bdquo;Waist/hip ratio&ldquo; oder &bdquo;waist/height ratio&ldquo; sind zus&auml;tzlich sinnvolle Parameter, um Stammfettsucht und Lip&ouml;dem, die nebeneinander bestehen k&ouml;nnen, klinisch voneinander unterscheiden zu k&ouml;nnen.</p> <h2>Therapieempfehlungen</h2> <p>Bei Lip&ouml;dempatienten mit ausgepr&auml;gter Adipositas ist es sicher auch sinnvoll, nach Aussch&ouml;pfung konservativer Ma&szlig;nahmen den Patienten fr&uuml;hzeitig einer bariatrischchirurgischen Behandlung zuzuf&uuml;hren.<br /> Wenn diesbez&uuml;glich kein Handlungsbedarf besteht, ist die Liposuktion, nach Aussch&ouml;pfung der komplexen physikalischen Entstauungstherapie (KPE), die Therapie der Wahl. Eine Kosten&uuml;bernahme durch die Krankenkasse ist bei ausgepr&auml;gtem Lip&ouml;dem m&ouml;glich und wird momentan nach konservativem Therapieversagen (Verschlechterung trotz nachweislich konsequenter KPE) nach Pr&uuml;fung im Einzelfall gew&auml;hrt. Eine Verpflichtung zur Kosten&uuml;bernahme besteht f&uuml;r die Krankenkasse jedoch auch in diesem Fall nicht. Im Schnitt ist bei ausgepr&auml;gten Lip&ouml;demen von 2&ndash;3 Liposuktionssitzungen auszugehen, bis das gew&uuml;nschte Resultat erreicht ist. Die mittlere Eingriffsdauer betr&auml;gt 2&ndash;4 Stunden. Die Liposuktion muss aus unserer Sicht in Tumeszenztechnik durchgef&uuml;hrt werden. Spezielle Kan&uuml;len und Techniken, die sich im Detail doch von der &auml;sthetischen Liposuktion unterscheiden, werden angewandt. Die Liposuktion selbst wird aufgrund der Dauer und des Auspr&auml;gungsgrades im Klinikum meist in Narkose durchgef&uuml;hrt, kann jedoch in vielen F&auml;llen auch in Sedoanalgesie oder in reiner Tumeszenzlokalan&auml;sthesie durchgef&uuml;hrt werden. Oft praktiziertes dogmatisches Vorbringen der &bdquo;Methode der Wahl&ldquo; ist wissenschaftlich nicht zu belegen und spiegelt meist nur pers&ouml;nliche Erfahrungswerte im Rahmen einer personifizierten Sicht der Medizin wider.<br /> Postoperativ sind nach gro&szlig;en Liposuktionen 1&ndash;3 Pflegetage station&auml;r vorgesehen. Dies ist bei Saugungen von manchmal &uuml;ber 10 Litern pro Sitzung aus unserer Sicht mehr als angemessen. Selbstverst&auml;ndlich kann ein solcher Eingriff bei geringerem Auspr&auml;gungsgrad auch ambulant durchgef&uuml;hrt werden. Viele Patienten werden nach der Liposuktion auch direkt im Rahmen einer lymphologischen Akutrehabilitation an der Lymphklink des LKH Wolfsberg betreut. Die Indikation diesbez&uuml;glich wird durch den Lymphologen pr&auml;operativ gestellt und der OP- sowie der Rehabilitationstermin werden mit uns abgestimmt.<br /> Eine komplexe physikalische Entstauungstherapie ist auch nach Abschluss der Liposuktionsbehandlungen dringend angeraten. Patienten mit ausgepr&auml;gtem Lip&ouml;dem und &uuml;ber Jahre bestehenden Symptomen in Aussicht zu stellen, diese sei nach erfolgter Behandlung nicht mehr n&ouml;tig, f&uuml;hrt zu &uuml;berh&ouml;hten Erwartungen und letztlich zu Entt&auml;uschung der Patienten und ist aus unserer Sicht daher nicht seri&ouml;s. Eine deutliche Reduktion der Frequenz der Lymphdrainagen und der t&auml;glichen Tragedauer der Kompressionsstr&uuml;mpfe ist jedoch auf alle F&auml;lle realistisch und konnte auch im Rahmen einer retrospektiven Studie nachgewiesen werden (Dadras et al., 2017).</p> <h2>Liposuktion praktisch nicht abrechenbar</h2> <p>Weiters muss angemerkt werden, dass die Liposuktion im Leistungskatalog des LKFSystems nicht abgebildet und daher praktisch nicht abrechenbar ist. Die Bepunktung erfolgt ausschlie&szlig;lich &uuml;ber die Diagnose. Auch die Abrechnung &uuml;ber private Krankenversicherungen spiegeln in keinster Weise den gro&szlig;en, chirurgischen Aufwand wider.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Mit &uuml;ber 100 station&auml;ren Lip&ouml;dembehandlungen im Jahr konnte die Abteilung f&uuml;r Plastische, &Auml;sthetische und Rekonstruktive Chirurgie des Klinikums Klagenfurt &uuml;ber die letzten Jahre vielen Patienten, bei denen die konservative Therapie versagt hatte, erfolgreich behandeln. Fast alle Patienten wurden vor der operativen Behandlung in der Lymphklinik Wolfsberg diagnostiziert und vorbildlich vorund nachbetreut.<br /> Abschlie&szlig;end ist zusammenfassend anzumerken, dass eine fr&uuml;hzeitige Diagnose und richtige Behandlung beim Lip&ouml;dem essenziell sind und den Leidensweg der Patienten deutlich verk&uuml;rzen k&ouml;nnen. Eine fr&uuml;hzeitige Liposuktion ohne komplexe physikalische Entstauungstherapie wird von vielen Patienten gefordert und w&auml;re in vielen F&auml;llen wohl auch sinnvoll. Aufgrund der vielen Unklarheiten in Bezug auf die exakte Diagnose ist jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, dass die hierf&uuml;r anfallenden Kosten g&auml;nzlich durch die &ouml;ffentliche Hand getragen werden k&ouml;nnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Derma_1903_Weblinks_j_derma_1903_s19_abb1_mallinger.png" alt="" width="820" height="691" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <ul> <li>Dadras M et al.: Liposuction in the treatment of lipedema: A longitudinal study. Arch Plast Surg 2017; 44(4): 324-31</li> <li>Weitere Literatur beim Verfasser</li> </ul> </div> </p>
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