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Analgosedierung während der Bronchoskopie
Jatros
Autor:
OA meV Dr. Daniel Franzen
Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich, 8091 Zürich, Schweiz
Autor:
Prof. Dr. Ludwig T. Heuss, MBA
Spital Zollikerberg, 8125 Zollikerberg, Schweiz
Autor:
Dr. Thomas Gaisl
Korrespondierender Autor<br> Klinik für Pneumologie, Universitätsspital Zürich, 8091 Zürich, Schweiz<br> Spital Zollikerberg, 8125 Zollikerberg, Schweiz<br> E-Mail: thomas.gaisl@usz.ch
30
Min. Lesezeit
08.09.2016
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<p class="article-intro">Die Analgosedierung von Patienten während flexibler Bronchoskopien wird in der Schweiz sehr unterschiedlich gehandhabt. Es gibt weder Richtlinien für die einheitliche Durchführung noch für eine allgemein anerkannte und strukturierte Sedationsausbildung in diesem Bereich. Insbesondere die Applikation von Propofol durch Nichtanästhesisten ist häufig Gegenstand von Diskussionen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Im Jahr 2015 wurden Schweizer Pneumologen zur Analgosedierung während der Bronchoskopie befragt, und die Daten wurden einem internationalen Vergleich unterzogen. Im Folgenden werden Vor- und Nachteile verschiedener Sedierungstechniken diskutiert sowie Vorschläge für die Zukunft unterbreitet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1604_Weblinks_Seite40.jpg" alt="" width="776" height="345" /></p> <h2>(Analgo-)Sedierung während der Bronchoskopie</h2> <p>Die flexible Bronchoskopie ist ein unverzichtbarer Teil der medizinischen Diagnostik und nimmt einen zentralen Stellenwert in der modernen Pneumologie ein. Aufgrund von langjährigen Erfahrungen und offensichtlichen Vorteilen für Patient und Arzt wird die Bronchoskopie normalerweise unter (Analgo-)Sedierung durchgeführt. Mehrere Fachgesellschaften, darunter das American College for Chest Physicians und die British Thoracic Society, empfehlen grundsätzlich eine Sedierung während der ganzen Prozedur, sofern keine Kontraindikationen vorliegen. Geringer Konsens besteht jedoch bei der Wahl des adäquaten Sedativums oder Hypnotikums. Der Umstand, dass die meis­ten Komplikationen während Bronchoskopien auf unerwünschte Arzneiwirkungen des Sedativums zurückzuführen sind, verlangt nach einer sorgfältigen Güterabwägung und einer robusten Ausbildung des verantwortlichen Facharztes in der Technik der Sedierung und in der Beherrschung allfälliger Zwischenfälle.<br /> <br /> Die rasante Entwicklung der Bronchoskopie und die damit einhergehende Verlagerung in den ambulanten Bereich brachten einige Veränderungen mit sich. Aus ökonomischen und personellen Gründen übernehmen bronchoskopisch tätige Ärzte zusehends auch die Verantwortung für die Sedierung während der von ihnen durchgeführten Prozeduren. Anästhesisten werden heutzutage seltener hinzugezogen. Eine liberale Gesetzgebung in der Schweiz ermöglicht auch den Einsatz von Propofol (2,6-Diisopropylphenol) durch interventionell tätige Mediziner. Das Hypnotikum zeichnet sich durch ideale pharmakokinetische Eigenschaften für ambulante Prozeduren aus: rascher Wirkungseintritt, direkte Steuerbarkeit und schnell eintretende Erholungsphase. Viele Studien bescheinigen dem Hypnotikum signifikante Vorteile gegenüber Benzodiazepinen.<sup>1</sup> Jedoch ist das therapeutische Fenster von Propofol für eine Sedierung klein. Zudem gibt es im Gegensatz zu den Benzodiazepinen kein Antidot für Propofol, was die Notwendigkeit einer fundierten Ausbildung im Umgang mit diesem Medikament unterstreicht. So machte Propofol nach dem Tod von Michael Jackson immer wieder Schlagzeilen und sorgt für viele, unter anderem emotional getriebene Diskussionen, auch unter Ärzten. In den USA ist der Einsatz von Propofol durch Nichtanästhesisten in vielen Bundesstaaten untersagt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1604_Weblinks_Seite41_1.jpg" alt="" width="783" height="503" /></p> <h2>Die Swiss Pneumo Sedation and Monitoring Study 2015</h2> <p>In einer aktuellen repräsentativen Umfrage unter knapp 300 Schweizer Pneumologen (Antwortrate 78 % , Abb. 1) zeigte sich, dass Propofol das am häufigsten eingesetzte Hypnotikum für die Sedierung während der flexiblen Bronchoskopie in der Schweiz ist (Abb. 2).<sup>2</sup> Mehr als drei Viertel aller bronchoskopisch tätigen Pneumologen geben an, Propofol entweder als Monotherapie oder in Kombination mit einem Opiat/Benzodiazepin routinemäßig zu verwenden (Abb. 3).<sup>2</sup> Nur in circa einem Fünftel der Fälle wurde die Propofol-Sedierung durch einen Anästhesisten vorgenommen.<sup>2</sup> Bei niedergelassenen Pneumologen mit eigener Praxis ist die Tendenz sogar noch höher (ca. 50 % ). Interessanterweise wird Propofol vor allem von „Karriere-jungen“ Pneumologen (gerechnet wird die Zeit ab der Facharztprüfung) favorisiert (p<0,001), sodass das Hypnotikum in absehbarer Zukunft in der Schweiz noch mehr an Popularität gewinnen wird.<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1604_Weblinks_Seite41_2.jpg" alt="" width="787" height="644" /></p> <p>Diese Zahlen sorgen vor allem in denjenigen Ländern für Aufsehen, in welchen die Applikation von Propofol ausschließlich den Fachärzten für Anästhesie (oder Ärzten mit vergleichbarer Erfahrung) vorbehalten ist. In den meisten europäischen Ländern sind Kombinationen von Benzodiazepinen und Opiaten, verabreicht durch einen Nichtanästhesisten, State of the Art. Seit mehr als 20 Jahren jedoch wird Propofol in der Schweiz vor allem für gastroenterologische Endoskopien mit Erfolg eingesetzt. Umfragen unter den Schweizer Gastroenterologen konnten nämlich schon sehr früh aufzeigen, dass die Verabreichung von Propofol durch Nichtanästhesisten mit keinem erhöhten Sicherheitsrisiko einhergeht und zugleich kosteneffektiv ist.<sup>3</sup> In der Pneumologie hingegen wird Propofol erst seit circa 8–10 Jahren eingesetzt. Die Tendenz der zunehmenden Propofol-Sedierung zeigt jedoch die gleiche Entwicklung wie damals in der Gastroenterologie.<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1604_Weblinks_Seite42_1.jpg" alt="" width="791" height="708" /></p> <h2>Zukunftsaussichten</h2> <p>Die enge therapeutische Breite sowie die fehlende Antagonisierbarkeit bergen einige offene Fragen in Bezug auf die Ausbildung im Umgang mit Propofol. Von den in der Schweiz befragten Pneumologen, welche Propofol verwenden, gaben nur 43 % an, von einem Anästhesisten bei der Einführung von Propofol unterstützt worden zu sein.<sup>2</sup> Die Mehrheit wünscht sich aber eine fundiertere Ausbildung im Umgang mit Propofol. Auf die Frage „Woher beziehen Sie Ihr Wissen bezüglich Propofolsedierung?“ gaben 20 % „learning by doing“ an (Abb. 4).<sup>2</sup> Auf Erfahrung in einer Intensivstation oder einer Rotationsstelle als Anästhesist konnten nur 61 % der Pneumologen zurückgreifen.<sup>2</sup><br /> In Anbetracht des möglichen Gefahrenpotenzials, welches hinter der Sedierung mit Propofol steht, ist dies weder ethisch noch juristisch zu vertreten. So würde doch kaum ein Passagier in ein Flugzeug einsteigen, dessen Pilot sich die Flugkenntnisse autodidaktisch oder durch „learning by doing“ beigebracht hat. Immerhin hat die Schweizerische Gesellschaft für Gastroenterologie daher bereits 2009 einen obligatorischen Sedierungskurs für Gastroenterologen und das endoskopische Assistenzpersonal eingeführt. Die ärztliche Ausbildung in diesem Bereich ist aber nicht einheitlich geregelt. In Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Anästhesiologie wurden daher in jüngster Vergangenheit Leitlinien respektive Mindestanforderungen für die Propofolsedierung, welche für alle Nichtanästhesiologen gelten, geschaffen. Das Empfehlungsschreiben soll noch dieses Jahr in der „Schweizerischen Ärztezeitung“ publiziert werden. In dieser Publikation wird unter anderem auch die Mindestanforderung bezüglich Monitoring und des Personals festgelegt.<br /> Aufgrund des in der Umfrage von 2015 aufgezeigten Bedarfes an fundierter Ausbildung in der Propofol-Sedierung wurde am Universitätsspital Zürich ein Pilotprojekt (SafAIRways) geschaffen, um die theoretischen und praktischen Aspekte mit Schwerpunkt auf der Beherrschung der Atemwegssicherung zu vermitteln.<sup>2</sup> Die ersten Auswertungen bezüglich der Effizienz und der Akzeptanz werden an der diesjährigen Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Pneumologie vorgestellt werden. Es ist geplant, dass der SafAIRways-Kurs in einer modifizierten Form in die Aus- und Fortbildung von bronchoskopisch tätigen Pneumologen aufgenommen und dem Assistenzpersonal geöffnet wird. Ein weiterer vielversprechender Fortschritt in der Bronchoskopie- respektive Sedierungsausbildung sind die Einübung und Repetition des Umgangs mit häufigen Zwischenfällen in einer realitätsnahen Simulation. Am Universitätsspital Zürich werden daher seit einem Jahr in einem eigenen Simulationszentrum (<a href="http://www.simulationszentrum.usz.ch" target="_blank">www.simulationszentrum.usz.ch</a>) entsprechende Szenarien geübt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Pneumo_1604_Weblinks_Seite42_2.jpg" alt="" width="793" height="568" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Wahidi MM et al: American College of Chest Physicians consensus statement on the use of topical anesthesia, analgesia, and sedation during flexible bronchoscopy in adult patients. Chest 2011; 140(5): 1342-50 <br /><strong>2</strong> Gaisl Thomas et al: Sedation during bronchoscopy: data from a nationwide sedation and monitoring survey. BMC Pulm Med 2016; 16(1): 113 <br /><strong>3</strong> Rex DK et al: Endoscopist-directed administration of propofol: a worldwide safety experience. Gastroenterology 2009; 137(4): 1229-37; quiz 1518-9 <br /><strong>4</strong> Heuss LT et al: Nonanesthesiologist-adminis­tered propofol sedation: from the exception to standard practice. Sedation and monitoring trends over 20 years. Endoscopy 2012; 44(5): 504-11<br /><br /></p>
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</p>
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