GOLD 2023: Neues zu Ätiologie, Diagnostik und Klassifikation
Bericht:
Mag. Andrea Fallent
Redaktorin
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Der GOLD-Report 2023 enthält neben aktualisierten Therapieempfehlungen einige weitere Updates, welche die Heterogenität der Erkrankung vermehrt berücksichtigen. Unter anderem wurde die GOLD-Einteilung unter Berücksichtigung von Exazerbationen adaptiert. Ein weiterer Fokus liegt auf der Früherkennung anhand genetischer und umweltbedingter Faktoren.
Jedes Jahr gibt die Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease (GOLD) aktualisierte Empfehlungen bzw. Strategiepapers zum Management der COPD heraus. Obwohl es sich um keine Leitlinien im eigentlichen Sinn handelt, wird der Grossteil der GOLD-Aktualisierungen in den Handlungsempfehlungen der Fachgesellschaften und in der Folge auch in der Praxis übernommen.
In einem Vortrag ging PD Dr. med. Arschang Valipour, Vorstand der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie in der Klinik Floridsdorf, Wien, konkret auf neue Erkenntnisse bezüglich Ätiologie und Phänotypen sowie auf Ergänzungen zur Diagnose und die neue GOLD-Schweregrad-Einteilung der COPD ein. Des Weiteren besprach er die Rolle der Exazerbationen bei der Risikostratifizierung und welche Faktoren dabei zu berücksichtigen sind.
Berücksichtigung der Ätiologie
«Noch vor rund 20 Jahren wurden alle COPD-Patienten in einer Kategorie subsumiert, unabhängig von den zugrunde liegenden Faktoren bzw. Krankheitsmerkmalen», erklärte Valipour. «Mittlerweile werden Leitsymptome wie ein Lungenemphysem oder triggernde Begleiterkrankungen wie Asthma und Herzinsuffizienz von vornherein mit berücksichtigt, weil sie von therapeutischer Relevanz sind.»
Anhand mehrerer Patientenfälle machte der Referent deutlich, dass die COPD ein sehr «buntes» Krankheitsbild mit unterschiedlichen Historien darstellt, die wiederum zu individuellen Symptomatiken führen: «Wir haben in den letzten Jahren gelernt, dass es unterschiedliche Faktoren entlang der Lebensspanne gibt, die zur Ausprägung bzw. zu den Krankheitsmerkmalen beitragen.» Diese bedeutenden Einflüsse beginnen bereits pränatal bzw. in den ersten Lebensjahren, z.B. in Form von Infekten oder Schadstoffbelastung.
Ausgehend von der Ausprägung der Lungenreife bzw. der Lungenfunktion im Alter von circa 20 Jahren kristallisieren sich im Laufe des Lebens unterschiedliche Kohorten von COPD-Patienten heraus, die wiederum vom physiologischen bzw. beschleunigten Lungenfunktionsverlust im Laufe der Zeit beeinflusst werden.1 Diese Kohorten liefern somit eine plausible Erklärung für die unterschiedlichen Krankheitsverläufe bei COPD, da sie auch Patienten berücksichtigen, die von vornherein nie über das volle Lungenvolumen verfügen konnten. Valipour: «Kommt dann bei diesen Menschen auch nur eine Noxe dazu, kann das zu einem beschleunigten Verlust der Lungenfunktion führen.»
Die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Entwicklung einer COPD abseits vom Nikotinabusus wie Genetik, Umwelteinflüsse, pathologische Lungenentwicklung oder auch kindliches Asthma und wiederholte Infekte werden daher in den GOLD-Empfehlungen in einer neuen Taxonomie zusammengefasst (Tab.1).2
Tab. 1: Die vorgeschlagene Taxonomie unterstreicht die Heterogenität der COPD, auch in Hinblick auf mögliche neue Therapieansätze (modifiziert nach GOLD Report 2023)2
Ein neuer Begriff: Prä-COPD
«Zuletzt wurde auch der Begriff der Prä-COPD entwickelt», erklärte Valipour. Eine solche besteht dann, wenn die klassischen Lungenfunktionsparameter keine Hinweise auf eine Atemflussobstruktion liefern, aber bereits eine verdächtige Symptomatik besteht – wie rezidivierende Infekte bzw. Exazerbationen, die mit Obstruktionen und einem Wheezing einhergehen, das auskultierbar ist.3 Valipour: «In vielen Fällen findet man dann mithilfe erweiterter, diagnostischer Massnahmen, wie z.B. einer Bodyplethysmografie oder DLCO-Messung, bereits Pathologien, die mit der Spirometrie nicht nachweisbar sind.» Aus diesem Grund nimmt auch die Computertomografie mittlerweile einen zunehmend wichtigen Stellenwert beim Nachweis von Veränderungen der kleinen Atemwege oder einem Lungenemphysem ein.
Möglichst frühzeitige Diagnose
«Es gibt Kardinalsymptome bzw. für die COPD typische Symptombilder wie Dyspnoe, chronischer Husten mit oder ohne Auswurf, pfeifendes Atemgeräusch ähnlich dem bei Asthma und die Neigung zu wiederholten Infekten der unteren Atemwege. Kommt dieser Symptomkomplex mit den genannten Risikofaktoren zusammen, dann muss an eine COPD gedacht werden», führte der Experte weiter aus.
Sprechen die Symptome für eine COPD, sollten ein Thoraxröntgen sowie eine Spirometrie durchgeführt werden. Ist die Diagnose der Atemwegsobstruktion anhand der Spirometrie gesichert, reichen diese Diagnoseschritte aus.
Zur Absicherung der Diagnose können zusätzlich eine Ganzkörperplethysmografie (GKP) und eine DLCO-Messung durchgeführt werden. So können u.a. ein Lungenemphysem oder eine Lungengerüsterkrankung ausgeschlossen bzw. bestätigt werden. «Diese Schritte sind sinnvoll, da es COPD-Patienten gibt, die anhand der Lungenfunktion nicht rechtzeitig erkannt werden.» Dass die COPD nach wie vor unterdiagnostiziert ist, bestätigt auch eine aktuelle Populationsstudie mit Probanden über 45 Jahre.4
Weitere Daten zeigen: Circa 69% der COPD-Patienten befinden sich bei der Diagnose im GOLD-Stadium 1 oder 2 (50–80% FEV1). 26% werden erst im Stadium 3 bzw. 5% im Stadium 4, also bereits mit schwerer Atemwegsobstruktion, diagnos-tiziert.5 Daher müssten die Bemühungen weiterhin vorrangig in die Richtung gehen, die Diagnose früher stellen zu können, damit die Lungenfunktion der Betroffenen über längere Zeit stabil gehalten werden könne, so Valipour.
Der Stellenwert der CT
Da das Ausmass eines vorhandenen Lungenemphysems und einer Atemwegsverdickung ein bedeutender prognostischer Marker ist, nimmt die CT mittlerweile auch in den neuen GOLD-Empfehlungen einen wichtigen Stellenwert in der COPD-Diagnostik ein. «In der Thorax-CT sind aber auch noch weitere Atemwegspathologien wie Non-CF-Bronchiektasien oder Lungenfibrose bzw. häufige Komorbiditäten wie die koronare Herzkrankheit und Osteoporose zu erkennen, die das Mortalitätsrisiko erhöhen», so Valipour.
In den aktuellen GOLD-Empfehlungen steht explizit, dass die CT nicht nur zur Abklärung von Differenzialdiagnosen beitragen, sondern auch durchaus wichtige therapeutische Konsequenzen bedingen kann. Als Beispiel nannte Valipour die Lungenvolumenreduktion zur Emphysembehandlung bei ausgesuchten Patienten. Auch eine erhöhte Mukusproduktion lasse sich so endoskopisch leichter behandeln.
Zusammenfassend empfiehlt der aktuelle GOLD-Report, dass bei COPD-Patienten mit anhaltenden Exazerbationen bzw. Symptomen, die in keinem Verhältnis zum Schweregrad der Erkrankung im Lungenfunktionstest stehen, bei solchen mit einem FEV1 <45% mit signifikanter Lungenüberblähung oder bei Patienten, welche die Kriterien für ein Lungenkrebs-Screening erfüllen, eine Lungen-CT-Bildgebung in Betracht gezogen werden sollte (Abb. 1).1
Abb. 1: Indikationen für eine Lungen-CT
Vereinfachung der GOLD-Einteilung: aus ABCD wird ABE
Die Einteilung der COPD nach dem Schweregrad der Atemwegsobstruktion in GOLD 1–4 erfolgt wie bisher anhand der FEV1. Für die weitere Klassifizierung wurde aus dem früheren «ABCD Assessment Tool» mit vier Kategorien das «ABE Assessment Tool» mit nur noch drei Kategorien (Abb. 2). Die Unterscheidung anhand der Symptomlast in Gruppe A und B mittels CAT (COPD-Assessment-Test) oder mMRC-Grad bleibt unverändert. Vereinfacht wurde die Einteilung dahingehend, dass die Gruppen C und D neu in der Gruppe E wie «Exazerbationen» zusammengefasst werden. In diese Gruppe fallen – unabhängig von der Symptomlast – alle Patienten, die im letzten Jahr mindestens zwei moderate Exazerbationen mit Bedarf an Antibiotika bzw. systemischen Kortikosteroiden oder mindestens eine schwere Exazerbation, die zu einem Spitalsaufenthalt geführt hat, durchgemacht haben.
Abb. 2: GOLD-ABE-Einteilung (modifiziert nach GOLD Report 2023)2
Bedeutung von Exazerbationen
In einer grossen europäischen Kohortenstudie mit wurde untersucht, wie gross der Anteil von COPD-Patienten mit mindestens zwei Exazerbationen im Jahr ist.6 Rund 63% der Patienten hatten keine Exazerbationen und rund 30% erlitten häufige Exazerbationen. Diese Patienten werden einem eigenen Phänotyp zugeordnet, weil die Exazerbationen auch ein bedeutender Prädiktor für den weiteren Krankheitsverlauf sind. «Wir wissen, dass betroffene Patienten ein erhöhtes Risiko für weitere Exazerbationen haben und zudem auch für bakterielle Kolonisation, reduzierte Lebensqualität, schwere Depressionen, kardiovaskuläre Erkrankungen und nicht zuletzt Hospitalisierung und Mortalität», so der Referent. Zudem weisen Patienten mit wiederholten Exazerbationen auch einen beschleunigten Verlust der Lungenfunktion auf. Valipour: «Das heisst, jede Exazerbation ist ein schwerwiegender Einschnitt in den Krankheitsverlauf der Patienten, den es zu vermeiden gilt.»
Schweregrad der Exazerbationenin Anlehnung an «The Rome Proposal»
In die neuen GOLD-Empfehlungen flossen auch Aspekte des «Rome Proposal» ein.7 Der Hintergrund dazu: Eine Gruppe internationaler Experten unter der Leitung von Prof. Bartolome R. Celli, Harvard, erarbeitete 2021 im Zuge einer Konsensuskonferenz eine neue Definition der Exazerbation der COPD (ECOPD) inklusive einer Schweregradklassifikation. Diese Empfehlungen wurden unter der Bezeichnung «The Rome Proposal» publiziert.
In dieser neuen Schweregradklassifikation wird anhand messbarer Parameter wie Atem- und Herzfrequenz, CRP-Wert und Sauerstoffsättigung zwischen milder, moderater und schwerer Exazerbation unterschieden. «Wir müssen dieses Schema nicht sofort im klinischen Alltag übernehmen», so Valipour. «Aber wir sollten uns durchaus Gedanken machen, ob es nicht sinnvoll ist, in Zukunft mehr auf diese objektiven Parameter zu achten.»
Berücksichtigung häufiger Komorbiditäten
Zusätzlich sollte im Management der COPD auch immer berücksichtigt werden, dass es eine Reihe von Komorbiditäten gibt, die sich wie eine Exazerbation äussern bzw. eine Exazerbation triggern können. Ein wichtiger Trigger der Exazerbation mit wechselseitiger Beeinflussung ist beispielsweise die Herzinsuffizienz.
Zusammenfassung
Bezüglich der Ätiologie der COPD werden in den GOLD-Empfehlungen unterschiedliche Krankheitsgeschichten bzw. Risikofaktoren – auch genetischer Natur – berücksichtigt, die bereits pränatal Einfluss haben können. All das trägt zur individuellen Ausprägung und zum Krankheitsverlauf der COPD bei.
Bei der Diagnostik stellt die Spirometrie nach wie vor die wichtigste Untersuchung dar, wobei weitere Methoden wie DCLO-Messung, Bodyplethysmografie und auch Thorax-CT zunehmende Bedeutung erlangen. Bei der GOLD-Klassifikation wurde aus dem früheren «ABCD Assessment Tool» das «ABE Assessment Tool» mit nur noch drei Kategorien A, B und E, wobei Gruppe E alle Patienten mit zwei oder mehr moderaten Exazerbationen bzw. einer schweren Exazerbation im vergangenen Jahr repräsentiert.
Letztlich bleibt es ein vorrangiges Ziel, die COPD möglichst frühzeitig zu diagnostizieren und Exazerbationen mit allen möglichen Mitteln zu verhindern, da sie zu einer beschleunigten Krankheitsprogression beitragen.
Quelle:
Innere Medizin LiveStreams «COPD – Update 2023», 30. Januar 2023; Vorträge abrufbar in der Mediathek unter https://inneremedizinonline.at
Literatur:
1 Lange P et al.: Lung-function trajectories leading to chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 2015; 373: 111-22 2 2023 GOLD Report: https://goldcopd.org/2023-gold-report-2/ ; zuletzt aufgerufen am 3.2. 2023 3 Han MK et al.: From GOLD to Pre-COPD. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203: 414-23 4 Farooqi MA et al.: Prevalence and burden of COPD misclassification in the Canadian Longitudinal Study on Aging (CLSA). BMJ Open Respir Res 2022; 9: e001156 5 Mapel DW et al.: Severity of COPD at initial spirometry-confirmed diagnosis: data from medical charts and administrative claims. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2011; 6: 573-81 6 Koblizek W et al.: Phenotypes of COPD patients with a smoking history in central and eastern Europe: the POPE Study. Eur Respir 2017; 49: 1601446 7 Celli Br et al.: An updated definition and severity classification of chronic obstructive pulmonary disease exacerbations: The Rome Proposal. Am J Respir Crit Care Med 2021; 204: 1251-8
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