<p class="article-intro">Die Vorstellung, dass die Geburt eines Kindes zu den schönsten Erlebnissen im Leben gehört, ist in unserer Gesellschaft weit verbreitet und fest etabliert. Die Geburt eines Kindes ist aber auch ein Ereignis, dessen Auswirkungen das Leben der ganzen Familie betreffen und das mit Veränderungen, Umstellungen und Belastungen für alle Familienmitglieder verbunden ist. Die körperlichen Anforderungen, der soziale Druck, die eigenen und die gesellschaftlichen Erwartungen ebenso wie die psychischen Herausforderungen dieser Zeit erhöhen nicht nur bei der Mutter, sondern auch beim Vater das Risiko, unter psychischen Beschwerden zu leiden.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>In der letzten Zeit gibt es zunehmend Evidenz für peripartale psychische Erkrankungen bei Männern.</li> <li>Ungefähr 5 % aller Väter leiden an einer klinisch relevanten postpartalen Depression.</li> <li>Risikofaktoren für paternale postpartale Depression sind psychische Vorerkrankung, peripartale psychische Erkrankung bei der Partnerin, Schwangerschafts- und Geburtskomplikationen sowie Erkrankungen bei den Neugeborenen, Partnerschaftskonflikte und psychosoziale Probleme wie Arbeitslosigkeit.</li> <li>Peripartale paternale psychische Erkankungen können einen negativen Effekt auf die Entwicklung des Kindes haben und sollten daher frühzeitig und adäquat behandelt werden.</li> <li>Väter haben eine größere Hemmschwelle, Hilfsangebote wahrzunehmen.</li> <li>Screenings für psychische Erkrankungen in der Peripartalzeit sollten bei beiden Elternteilen erfolgen.</li> <li>Ein peripartales Management sollte nicht nur bei Frauen mit psychischen Vorerkrankungen besprochen werden, sondern auch bei Männenr, selbst wenn die Partnerin psychisch gesund ist.</li> <li>Zukünftig müssen spezifische Behandlungsangebote für Väter entwickelt werden.</li> </ul> </div> <p>Die Herausforderungen dieses Lebensabschnittes sind hoch. Eine Neudefinition der Identität, eine Umformung der Paarbeziehung zur Triade (Vater, Mutter und Kind), die Veränderung der Beziehung zur Ursprungsfamilie und der Aufbau eines unterstützenden sozialen Netzes zählen zu den psychischen Aufgaben dieser Zeit und gehen mit Gewinnen und Verlusten einher. Sie stellen Selbstwirksamkeit und Kompetenzerleben in zahlreichen Lebensbereichen der Eltern infrage. Der psychische Transformationsprozess charakterisiert auch die Psychopathologie der postpartalen psychischen Erkrankungen und wird thematisch in den Symptomen der spezifischen Störungen aufgegriffen.<br /> In den letzten Jahren wurde immer mehr über verschiedene psychiatrische Störungen berichtet, die bei Frauen in der Zeit um die Geburt auftreten können. Dies führte dazu, dass sowohl die Fach- als auch die Allgemeinöffentlichkeit allmählich für diese besondere Problematik sensibilisiert werden konnten.<br /> Durch die erhöhte Aufmerksamkeit für die erwähnten Erkrankungen wurden die Früherkennung und Frühbehandlung der betroffenen Frauen maßgeblich verbessert. Wenig beachtet wurde dagegen bisher, dass auch Männer nach der Geburt eines Kindes unter psychischen Störungen (insbesondere unter Depressionen) leiden können.</p> <h2>Postpartale Depression bei Männern</h2> <p>Die Depression ist bei Müttern und Vätern eine der häufigsten psychischen Störung in der Postpartalzeit. Die Prävalenzdaten zur väterlichen Depression sind heterogen und hängen vom Erhebungszeitpunkt, von der Erhebungsmethode und von der Studiengruppe ab. Zwei Metaanalysen konnten feststellen, dass 8,4 % bzw. 10,4 % der Väter in der Postpartalzeit eine klinisch relevante depressive Symptomatik aufweisen, mit den höchsten Prävalenzen zwischen dem 3. und dem 6. Monat postpartal.<sup>1, 2</sup> Manche Studien haben deutlich höhere Werte ermittelt, z. B. fanden Philpott und Corcoran (2018) eine klinisch relevante depressive Symptomatik bei 12–27 % der Väter,<sup>3</sup> dabei handelte es sich um Screening-Werte und nicht um diagnostizierte Depressionen. Einige Studien zeigen, dass die ersten Symptome einer Depression bei Vätern, genauso wie bei den Müttern, schon während der frühen Schwangerschaft nachweisbar sind.<sup>4, 5</sup> Depressive Väter haben oft hohe Ansprüche an ihre neue Rolle als moderner Familienvater und leiden unter der Sorge, diesen Ansprüchen nicht gerecht werden zu können. Versagensängste, Insuffizienzgefühle, Sorge um die große finanzielle Verantwortung als Hauptverdiener sind die Folge. Die depressive Verstimmung manifestiert sich oft durch Reizbarkeit, Aggressivität oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Kind oder der Partnerin. Flucht in ablenkende Aktivitäten (längere Arbeitszeiten, Hobbys, Freunde), exzessiver Alkoholkonsum, aber auch Ängstlichkeit, Hoffnungslosigkeit, Gefühle der Überforderung und starke Erschöpfung können weitere Symptome sein. Die Risikofaktoren können in drei Hauptgruppen zusammengefasst werden:</p> <ul> <li>soziale Risiken und belastende Lebensereignisse (z. B. finanzielle Situation, problematische Paarbeziehung, Gewalterfahrung, Migration, Arbeitslosigkeit)</li> <li>Risiken, die mit der Schwangerschaft, deren Verlauf und der Geburt assoziiert sind (z. B. rasche Schwangerschaftsfolge, frühere traumatische Geburtserlebnisse)</li> <li>Persönlichkeitsmerkmale und psychische Risiken (z. B. niedriger Selbstwert, Traumatisierung, frühere psychische Erkrankung)</li> </ul> <p>Für die meisten der erwähnten Faktoren besteht eine geringe Varianzaufklärung, da sie ein Risikofaktor für mehrere Erkrankungen oder ungünstige Verläufe sind. Als bester Prädiktor für eine postpartale Depression sowohl bei Frauen als auch bei Männern stellte sich eine frühere psychische Erkrankung oder Belastung (vor allem eine depressive Vorerkrankung) heraus. Bei Partnern von bereits psychisch erkrankten Frauen war der beste Prädiktor die Erkrankung der Partnerin.<sup>3, 6–8</sup> Die Depression hat auch erhebliche Auswirkungen auf das väterliche Interaktionsverhalten, wobei depressive Väter wenig positive und vermehrt negative Verhaltensweisen im Austausch mit ihren Babys und Kleinkindern zeigen.<sup>9, 10</sup> Die Defizite im Interaktionsverhalten der depressiven Väter waren vergleichbar mit den Defiziten, die bei den depressiven Müttern beobachtet wurden.<sup>11</sup> Die väterliche depressive Störung ist mit einem erhöhten Risiko für Verhaltens- und emotionale Probleme bei ihren Kindern verbunden, deren Ausmaß dem einer psychischen Störung der Mutter ähnelt. Einige Befunde deuten darauf hin, dass bei Jungen ein höheres Risiko besteht als bei Mädchen.<sup>12</sup> Diese Defizite konnten bis zum frühen Jugendalter festgestellt werden.<sup>13</sup></p> <h2>Andere psychische Erkrankungen bei Vätern</h2> <p><strong>Angststörungen</strong><br /> Eine aktuelle Metaanalyse, welche 34 Studien miteingeschlossen hat, berichtet von sehr schwankenden Prävalenzzahlen betreffend erhöhte peripartale Ängstlichkeit bzw. Angststörungen bei Vätern. Vor der Geburt geben die verschiedenen eingeschlossenen Studien Prävalenzzahlen zwischen 3,4 % und 25 % an, nach der Entbindung schwanken die Prävalenzen sogar noch stärker, vermehrte Ängstlichkeit bzw. Angststörungen wurden bei 2,4 % bis 51 % der untersuchten Väter gemessen. Der Grund für die stark schwankenden Angaben liegt vermutlich in unterschiedlichen Messzeitpunkten, verschiedenen Diagnostikmethoden und auch unterschiedlichen Populationen. Als Risikofaktoren konnten geringe Bildung, geringeres Einkommen, geringere Unterstützung der Eltern wechselseitig, geringere soziale Unterstützung, Arbeit-Familie-Konflikt, Angst/Depression beim Partner, Vorerfahrung durch eine vorherige Geburt identifiziert werden. Erhöhte Angst der Väter hatte negative Auswirkungen auf die mentale und körperliche Gesundheit des Vaters selbst, soziale Kontakte und Erziehungsfähigkeit.<sup>14</sup></p> <p><strong>Zwangsstörungen</strong><br /> Bezüglich peripartaler paternaler Zwangsstörungen gibt es kaum Untersuchungen. Väter scheinen während der Schwangerschaft eher eine höhere Prävalenz von Zwangssymptomen zu haben als postpartal. Eine brasilianische Studie fand zudem eine Assoziation mit mütterlicher Zwangssymptomatik und gemischten Episoden einer bipolaren Störung bei den Vätern.<sup>15</sup></p> <p><strong>Bipolar-affektive Erkrankungen</strong><br /> Die Studienlage über bipolare Erkrankungen in der Schwangerschaft und post partum bei Frauen ist schon relativ gut, bipolare Väter hingegen waren bisher kaum Gegenstand der Forschung. Hier gibt es nur kleine Studien und vereinzelte Fallbeschreibungen, wie z. B. die eines 32-jährigen arbeitslosen Mannes mit einer vordiagnostizierten Bipolar-I-Störung, welche stabil unter Lithium eingestellt war und schon 3 Jahre remittiert war. Die Ehefrau hatte eine gute berufliche Position, sodass der Plan war, dass der Patient nach 3 Monaten die Versorgung des Kindes übernehmen sollte, damit sie wieder arbeiten gehen könnte. Aufgrund von Schlafstörungen durch den Säugling, welcher initial häufige nächtliche Schreiphasen hatte, entwickelte der Vater innerhalb von 12 Tagen postpartum eine schwere manische Episode und musste stationär-psychiatrisch behandelt werden.<sup>16</sup> In einer brasilianischen longitudinalen bevölkerungsrepräsentativen Studie, welche 739 Väter während der Schwangerschaft der Partnerin einschloss, konnten die Autoren zeigen, dass 2 Monate post partum bei 4,5 % der Väter eine depressive Episode, bei 3,4 % eine manische und bei 3,3 % eine hypomanische Episode aufgetreten war.<sup>17</sup> Eine kleinere Studie an bipolar vorerkrankten Männern zeigte, dass 50 % der Männer während der Schwangerschaft oder im ersten Lebensjahr des Kindes eine Episode entwickelten.<sup>18</sup></p> <h2>Paternale peripartale Psychoseerkrankungen</h2> <p>Über die Prävalenz und den Einfluss von Psychoseerkrankungen der Väter während der Schwangerschaft und nach der Entbindung bzw. auch deren Einfluss auf die kindliche Entwicklung im weiteren Verlauf ist bisher sehr wenig bekannt. Erste Daten aus Australien, Österreich und Deutschland zeigen aber relativ konsistent, dass um die 30 % der Männer, welche an einer Psychoseerkrankung leiden, Kinder haben. Von diesen leben zwischen 4 und 10 % auch mit ihren Kindern zusammen in einem Haushalt.<sup>19–21</sup> Auch postpartale Psychosen, alternativ Puerperalpsychosen genannt, scheint es bei Vätern zu geben. Hierzu gibt es allerdings bisher keine Studien, aus denen man die Prävalenz schätzen könnte. Bei Männern gibt es bisher nur publizierte Fallbeschreibungen, z. B. die eines 28-jährigen Mannes, der in der Vorgeschichte keinerlei psychiatrische Auffälligkeiten gezeigt hatte und dann 5 Tage nach Entbindung des ersten Kindes von seiner Familie zur Aufnahme gebracht wurde. Der Patient berichtete von starken Ängsten um das Wohlergehen des Kinder, er habe seit zwei Nächten nicht mehr geschlafen, zudem waren religiöse Wahnideen zu erheben. Er habe den Eindruck, böse Geister wollten dem Kind schaden und er habe die besondere göttliche Aufgabe, das Kind davor zu schützen. Nach medikamentöser Behandlung mit Lithium und Olanzapin sistierte die als manischpsychotische Episode beschriebene Symptomatik nach wenigen Tagen völlig.<sup>22</sup></p> <h2>Einfluss von paternaler Psychopathologie auf die Kinder</h2> <p>Was den generellen Einfluss der Psychopathologie von Vätern auf die Kinder angeht, so gibt es eine Studie, die bei psychisch auffälligen Kindern die Eltern untersucht hat und bei den Väter von Kindern mit Zwangsstörungen zeigen konnte, dass diese psychopathologisch deutlich auffälliger als Väter von Kindern mit Lernstörungen waren. Und interessanterweise waren die Väter psychopathologisch auffälliger als die Mütter in dieser Studie.<sup>23</sup> Auch in anderen Studien konnten Hinweise darauf gefunden werden, dass unterschiedliche psychische Erkrankungen der Eltern bzw. welcher Elternteil erkrankt ist, auch unterschiedliche Auswirkungen auf die Kinder haben und das zum Teil auch moderiert wird vom Geschlecht des Kindes.<sup>24, 25</sup></p></p>
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<p><strong>1</strong> Cameron EE et al.: Prevalence of paternal depression in pregnancy and the postpartum: an updated meta-analysis. J Affect Disord 2016; 206: 189-203 <strong>2</strong> Paulson J, Bazemore S: Prenatal and postpartum depression in fathers and its association with maternal depression: a meta-analysis. JAMA 2010; 303: 1961-9 <strong>3</strong> Philpott L, Corcoran P: Paternal postnatal depression in Ireland: prevalence and associated factors. Midwifery 2018; 56: 121-7 <strong>4</strong> Condon JT et al.: The First-Time Fathers Study: a prospective study of the mental health and wellbeing of men during the transition to parenthood. Aust N Z J Psychiatry 2004; 38(1-2): 56-64 <strong>5</strong> Field T et al.: Prenatal paternal depression. Inf Behav Dev 2006; 29: 579-83 <strong>6</strong> Wee K et al.: Correlates of ante- and postnatal depression in fathers: a systematic review. J Affect Disord 2011; 130: 358-77 <strong>7</strong> Philpott L: Paternal postnatal depression: an overview for primary healthcare professionals. Primary Health Care 2016; 26: 23-7 <strong>8</strong> Zhang Y et al.: Postpartum depression and the psychosocial predictors in first-time fathers from north western China. Midwifery 2016; 35: 47-52 <strong>9</strong> Koch S et al.: Effects of male postpartum depression on father-infant interaction: the mediating role of face processing. Infant Ment Health J 2019; 40: 263-76 <strong>10</strong> Sethna V et al.: Depression and playfulness in fathers and young infants: a matched design comparison study. J Affect Disord 2018; 229: 364-70 <strong>11</strong> Wilson S, Durbin C: Effects of paternal depression on fathers, parenting behaviors: a meta-analytic review. Clin Psychol Rev 2010; 30: 167-80 <strong>12</strong> Ramchandani P, Psychogiou L: Paternal psychiatric disorder and children’s psycho-social development. Lancet 2009; 374: 646-53 <strong>13</strong> Gentile S, Fusco M: Untreated perinatal paternal depression: effects on offspring. Psychiatry Res 2017; 252: 325-32 <strong>14</strong> Philpott LF et al.: Anxiety in fathers in the perinatal period: a systematic review. Midwifery 2019; 76: 54-101 <strong>15</strong> Coelho FM et al.: Obsessive-compulsive disorder in fathers during pregnancy and postpartum. Braz J Psychiatry 2014; 36(3): 271-3 <strong>16</strong> Stevens AW et al.: Postpartum mania in a man with bipolar disorder: case report and a review of the role of sleep loss. Bipolar Disord 2014; 16(1): 93-6 <strong>17</strong> Pinheiro KA et al.: Paternal postpartum mood: bipolar episodes? Braz J Psychiatry 2011; 33(3): 283-6 <strong>18</strong> Davenport YB, Adland ML: Postpartum psychoses in female and male bipolar manic-depressive patients. Am J Orthopsychiatry 1982; 52(2): 288-97 <strong>19</strong> Grube M: Fatherhood and mental illness. Psychiatr Prax 2011; 38(1): 16-22 <strong>20</strong> Campbell LM et al.: The experiences of Australian parents with psychosis: the second Australian National Survey of Psychosis. Aust N Z J Psychiatry 2012; 46(9): 890-900 <strong>21</strong> Schrank BT et al.: Parenthood among patients with psychotic disorders: gender differences in a non-selective clinical sample. Psychiatry Res 2016; 246: 474-9 <strong>22</strong> Shahani L: A father with postpartum psychosis. BMJ Case Rep 2012; http://dx.doi.org/10.1136/ bcr.11.2011.5176 <strong>23</strong> Liakopoulou MS et al.: The psychopathology of parents of children and adolescents with obsessive- compulsive disorder. Psychopathology 2010; 43(4): 209-15 <strong>24</strong> Capron LE et al.: Associations of maternal and paternal antenatal mood with offspring anxiety disorder at age 18 years. J Affect Disord 2015; 187: 20-6 <strong>25</strong> Gutierrez-Galve LA et al.: Association of maternal and paternal depression in the postnatal period with offspring depression at age 18 years. JAMA Psychiatry 2019; 76(3): 290-6</p>
</div>
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