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Medikation in der Behandlung der Alkoholsucht – was gibt es Neues?

<p class="article-intro">Prävalenz und Letalität der Alkoholsucht sind in Österreich unverändert hoch. Erfolgreich ist eine Behandlung meist nur dann, wenn sie durch dafür spezialisierte Einrichtungen durchgeführt wird. Die Entscheidung, ob sie stationär oder ambulant erfolgen soll, ist genauso relevant, wie die besten medikamentösen Optionen im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans einzusetzen. Die S3-Leitlinie (aller diesbezüglichen Fachgesellschaften des deutschsprachigen Raumes) gibt hier wesentliche Orientierungshilfen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Zahl der Alkoholkranken in &Ouml;sterreich ist seit Jahren konstant hoch, der Anteil der Frauen hat aber zugenommen.</li> <li>Die statistische Lebensverk&uuml;rzung durch Alkoholsucht betr&auml;gt bei M&auml;nnern 17&ndash;18 Jahre, bei Frauen sogar 21&ndash;22 Jahre.</li> <li>Psychische Grunderkrankungen sind h&auml;ufig. Deren integrierte/ gleichzeitige Behandlung ist essenziell f&uuml;r eine erfolgreiche Suchttherapie.</li> <li>In der Alkoholentzugsbehandlung hat sich ein Paradigmenwechsel vollzogen: klare Pr&auml;ferenz von Benzodiazepinen mit langer Halbwertszeit (Diazepam oder Nitrazepam).</li> <li>Naltrexon und Acamprosat sind weiterhin Mittel der Wahl in der medikament&ouml;sen Rezidivprophylaxe, Baclofen ist eine Option bei komorbider Angstst&ouml;rung (&bdquo;off-label&ldquo;), Disulfiram ist nur in ganz bestimmten Spezialindikationen zu erw&auml;gen.</li> </ul> </div> <h2>Bedeutung der Alkoholsucht</h2> <p>&Uuml;berm&auml;&szlig;iger Alkoholkonsum und in letzter Konsequenz Alkoholsucht geh&ouml;ren zu den gr&ouml;&szlig;ten Herausforderungen, mit denen unsere Gesellschaft und unser Gesundheitssystem konfrontiert sind. Auf Basis wissenschaftlich ermittelter Datens&auml;tze sind gesch&auml;tzte 350 000 &Ouml;sterreicher alkohols&uuml;chtig, weitere 850 000 haben ein problematisches Konsummuster in einem potenziell gesundheitssch&auml;digenden Ausma&szlig;, das eine hohe Wahrscheinlichkeit mit sich bringt, in einer Sucht zu m&uuml;nden. <br />Diese Zahlen sind seit einigen Jahren konstant, der Anteil der Geschlechter hat sich aber verschoben. Immer mehr Frauen werden alkoholkrank. Sie trinken &ouml;fter als M&auml;nner im Verborgenen, werden schneller s&uuml;chtig und zeigen eine h&ouml;here Empfindlichkeit gegen&uuml;ber der sch&auml;digenden Wirkung von Alkohol. Dies zeigt sich auch in einem signifikanten Unterschied in der statistischen Reduktion der Lebenserwartung zu Ungunsten der Frauen.</p> <h2>&bdquo;Burden of disease&ldquo;</h2> <p>Gerhard B&uuml;hringer konnte in einer Publikation im Jahr 2000 zeigen, dass Alkoholsucht statistisch eine Verk&uuml;rzung der Lebenserwartung um unglaubliche 20 Jahre f&uuml;r Frauen und 17 Jahre f&uuml;r M&auml;nner bewirkt. Seine Methode war die Auswertung der amtlichen Todesursachenstatistik Deutschlands. Im Jahr 2013 wurde eine Arbeit von Ulrich John und Hans- J&ouml;rg Rumpf publiziert, die im Ergebnis nichts Neues zeigte, aber interessanterweise durch eine g&auml;nzlich andere Methode diese erstaunlich hohen Zahlen reproduzierte. Ein randomisiertes Kollektiv in Norddeutschland wurde betrachtet, es wurden diagnostische Interviews durchgef&uuml;hrt und aus ca. 4000 Personen 153 Alkoholkranke ermittelt. 14 Jahre sp&auml;ter wurden diese 153 Personen mit den anderen verglichen. Dabei kamen sie auf 22 Jahre Lebensverk&uuml;rzung bei Frauen und 18 Jahre Lebensverk&uuml;rzung bei M&auml;nnern. Da nach dem Beginn der Studie bestimmt auch noch Personen in die Alkoholsucht gerutscht sind, ist die tats&auml;chliche Verk&uuml;rzung der Lebenszeit (und auch der gesunden Lebenszeit!) im Zusammenhang mit Alkoholsucht mindestens so ausgepr&auml;gt, wie durch die Studie untermauert wurde. Die Gr&uuml;nde f&uuml;r die erh&ouml;hte Letalit&auml;t sind nat&uuml;rlich vielf&auml;ltig und sie k&ouml;nnen direkt oder indirekt mit den Auswirkungen &uuml;berm&auml;&szlig;igen Alkoholkonsums auf den Menschen verbunden sein. Direkte Todesursachen sind nicht nur Intoxikationen (&bdquo;Komasaufen&ldquo; stellt diesbez&uuml;glich das Hauptproblem bei Jugendlichen dar) und letale Herzrhythmusst&ouml;rungen oder Leberzirrhose sowie davon abgeleitete Komplikationen, sondern auch Unf&auml;lle, St&uuml;rze und Suizide unter Alkoholeinfluss sowie Entzugskomplikationen, wie Status epilepticus oder Delirium tremens.</p> <h2>Therapieziele der Suchtbehandlung</h2> <p>Therapieziele sind daher zun&auml;chst nat&uuml;rlich die Sicherung des &Uuml;berlebens, des Weiteren die Behandlung von Folgeund Begleiterkrankungen, der Aufbau alkoholfreier Phasen (befristete oder dauerhafte Abstinenz), eine Verbesserung der psychosozialen Situation, F&ouml;rderung der Krankheitseinsicht und Motivation zur Ver&auml;nderung (Ermutigung zur Lebensneugestaltung) sowie die Verbesserung der Lebensqualit&auml;t. <br />All das wird in spezialisierten Suchtkliniken wie dem Anton-Proksch-Institut in Wien-Kalksburg (Europas gr&ouml;&szlig;ter Suchtklinik) aus einer Hand angeboten. Die zentralen psychotherapeutischen Werkzeuge in der Suchttherapie sind wohl die Ermutigung zur Neugestaltung des Lebens ohne das vorher angewandte &bdquo;Zaubermittel&ldquo; Alkohol. Das Leben von dem Moment an, da Alkohol nicht mehr funktional ein setzbar ist und immer mehr Schaden bewirkt, alternativ dazu attraktiv, freudvoll und sch&ouml;n zu gestalten ist Weg und Ziel des &bdquo;Orpheus- Programms&ldquo;, das von Michael Musalek und seiner Arbeitsgruppe im Anton-Proksch-Institut entwickelt wurde.</p> <h2>Die Rolle der Medikation</h2> <p>Da die meisten Menschen, die sich in station&auml;re Behandlung begeben, psychische Grunderkrankungen aufweisen (ca. 70 % der Frauen und ca. 50 % der M&auml;nner), ist die professionelle und erfolgreiche psychotherapeutische und psychopharmakologische Behandlung dieser psy chischen Komorbidit&auml;ten bei Sucht eine wichtige Voraussetzung f&uuml;r den Erfolg der Suchtbehandlung. Viele Studien zeigen, dass eine standardisierte Suchtbehandlung ohne gleichzeitige (kombinierte bzw. integrierte) Behandlung der psychischen Grunderkrankungen in einem unn&ouml;tig hohen Ausma&szlig; erfolglos bzw. erschreckend wenig nachhaltig ist. Die Behandlung psychischer Erkrankungen, wie Depression, Angstst&ouml;rung oder Traumafolgest&ouml;rung, &bdquo;ersparen&ldquo; aber nicht die Suchtbehandlung, wie mancherorts vermutet wird. Die Sucht ist zwar oft eine sekund&auml;re Erkrankung (nach Schuckit), also auf Basis einer psychischen Grunderkrankung entstanden (siehe Selbstmedikationshypothese nach Khantzian), hat aber eine eigene Krankheitsdynamik. Das Suchtged&auml;chtnis (nach B&ouml;ning) ist das &bdquo;neurobiologische Substrat&ldquo; der Sucht als eigener Krankheitsentit&auml;t. <br />Psychopharmaka haben also eine ganz wichtige Rolle in der Behandlung der nicht selten bestehenden psychischen Grunderkrankungen im Rahmen einer umfassenden Suchtbehandlung. In diesem Artikel kann ich diesbez&uuml;glich nur auf die Leitlinien der verschiedenen psychischen Erkrankungen hinweisen, weil eine eingehendere Besch&auml;ftigung damit den Rahmen dieses Artikels sprengen w&uuml;rde. Ich konzentriere mich daher auf zwei Bereiche: 1. Update der Alkoholentzugsbehandlung, 2. Update der Alkoholr&uuml;ckfallsprophylaktika (&bdquo;Anti-Craving-Mittel&ldquo;).</p> <h2>Alkoholentzugbehandlung: ambulant oder station&auml;r?</h2> <p>Unter Einbeziehung praktisch aller im Suchtbehandlungsbereich namhaft t&auml;tigen Forschungs- und Behandlungsinstitutionen im deutschsprachigen Raum wurde 2016 die sogenannte &bdquo;S3-Leitlinie/Screening, Diagnose und Behandlung alkoholbezogener St&ouml;rungen&ldquo; publiziert. Aus dieser Arbeit ist auch die Indikation f&uuml;r eine ambulante versus station&auml;re Entzugsbehandlung hier im Artikel abgeleitet. <br />Als Indikation f&uuml;r eine station&auml;re Entzugsbehandlung gilt das Fehlschlagen eines vorhergegangenen ambulanten Entzugsversuchs. Ein Weitermachen w&uuml;rde fr&uuml;her oder sp&auml;ter wohl in einer Mischabh&auml;ngigkeit von Alkohol und Benzodiazepinen m&uuml;nden. Ein weiterer Grund ist das Vorliegen einer Epilepsie, da im Alkoholentzug ein deutlich erh&ouml;htes Anfallsrisiko besteht und ein Status epilepticus ein nicht zu untersch&auml;tzendes t&ouml;dliches Risiko darstellt.<br /> Eine weitere Indikation f&uuml;r eine station&auml;re Entzugsbehandlung ist eine psychiatrische Begleiterkrankung (inklusive zus&auml;tzlicher S&uuml;chte, wie Opiat- oder Benzodiazepinsucht), nicht zuletzt die h&auml;ufigste psychische Komorbidit&auml;t bei Alkoholsucht, n&auml;mlich die Depression, die auch Suizidalit&auml;t einschlie&szlig;en kann, zumal Alkoholisierung die Schwelle zur Umsetzung von Suizidideen gef&auml;hrlich senkt! Schwere somatische Begleiterkrankungen und eine gro&szlig;e Trinkmenge, die auch ein gro&szlig;es Risiko f&uuml;r starke Entzugssymptomatik darstellt, sprechen ebenfalls f&uuml;r ein station&auml;res Setting. Die Entwicklung eines Delirium tremens mit seiner erschreckend hohen Letalit&auml;t und das Auftreten eines epileptischen Anfalls (mit hoher Verletzungsgefahr bei St&uuml;rzen) oder gar eines oftmals t&ouml;dlichen Status epilepticus sollen in erster Linie durch eine geeignete medikament&ouml;se Entzugsbehandlung verhindert werden. Zu guter Letzt empfiehlt die S3-Leitlinie dann eine station&auml;re Behandlung, wenn im bestehenden sozialen Umfeld nicht zu erwarten ist, dass die Entzugsbehandlung ohne schweren R&uuml;ckfall in den ersten Tagen erfolgen wird. Wenn das Umfeld eher Ressource als Stressor ist, dann kann bei als einfach erwarteten Entz&uuml;gen ohne gro&szlig;e psychische und k&ouml;rperliche Begleiterkrankungen ein ambulanter Entzugsversuch unternommen werden.</p> <h2>Neurobiologische Grundlagen und Klinik</h2> <p>Es gibt keinen &bdquo;Alkoholrezeptor&ldquo;, Alkohol wirkt als sogenannte &bdquo;dirty drug&ldquo; an zahlreichen Stellen auf vielf&auml;ltige Weise im Gehirn. Dabei sollte f&uuml;r ein besseres Verst&auml;ndnis der komplexen Zusammenh&auml;nge zwischen den prim&auml;ren spezifischen molekularen Wirkungen im ZNS und den sekund&auml;ren neurochemischen Alterationen, insbesondere im mesokortikolimbischen System, unterschieden werden. Prim&auml;r wirkt Alkohol hemmend auf den exzitatorischen N-Methyl-DAspartat(NMDA)-Glutamat-Rezeptor und f&ouml;rdernd auf den inhibitorischen -Aminobutters&auml;ure- A(GABAA)-Rezeptor. Bereits bei niedrigen Blutkonzentrationen zeigen sich dabei erste psychotrope Effekte. Es ist anzunehmen, dass diese prim&auml;ren Angriffsstellen die subjektive Alkoholwirkung und die Intoxikation vermitteln. Durch den Wegfall dieser Alkoholwirkung, die insgesamt zentral d&auml;mpfend ist, kommt es im Entzugssyndrom zu zentraler und vegetativer Erregung mit den bekannten Symptomen Tremor, Schwitzen, Blutdruckerh&ouml;hung, Tachykardie, Muskelkr&auml;mpfe, Magenbeschwerden, &Uuml;belkeit, psychomotorische Unruhe, Schlafst&ouml;rung, Reizbarkeit, Affektlabilit&auml;t und Konzentrationsst&ouml;rung. Als Komplikationen gelten epileptische Anf&auml;lle, Deliren und Herzrhythmusst&ouml;rungen.</p> <h2>Update der akuten Alkoholentzugbehandlung</h2> <p><strong>Paradigmenwechsel: Pr&auml;ferenz f&uuml;r Benzodiazepine mit langer Halbwertszeit</strong><br /> Benzodiazepine sind als GABAA-Rezeptoragonisten unbestritten die 1. Wahl in der Alkoholentzugsbehandlung, weil sie sowohl die Komplikation eines epileptischen Anfalls als auch die eines Delirs am besten verhindern k&ouml;nnen. Vor ein paar Jahren wurde der Einsatz kurz wirksamer Benzodiazepine aus Sorge vor einer Kumulation und letzthin also vor einer &Uuml;bersedierung mit Ateml&auml;hmung etc. empfohlen. Falk Kiefer, der Leiter der im Suchtbereich ma&szlig;geblichen Klinik f&uuml;r Abh&auml;ngiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut f&uuml;r Seelische Gesundheit der Universit&auml;t Heidelberg in Mannheim, betonte 2016 am DGPPN-Kongress in Berlin ebenso die Pr&auml;ferenz f&uuml;r Diazepam als Benzodiazepin mit langer Halbwertszeit wie das Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie von Otto Benkert und Hanns Hippius in der rezenten 11. Auflage (2017). <br />Diesen Paradigmenwechsel in der Auswahl des bestgeeigneten Benzodiazepins k&ouml;nnen auch wir vom Anton-Proksch- Institut voll unterst&uuml;tzen. Grund daf&uuml;r ist das bessere Outcome in der Verhinderung der genannten Komplikationen durch den ausgeglicheneren Plasmaspiegel (&bdquo;steady state&ldquo;) infolge der l&auml;ngeren Halbwertszeit (Tab. 1). Oxazepam, der bisherige Favorit, hat eine Halbwertszeit von 4&ndash;15 Stunden. Das bedeutet bei den schnelleren Metabolisierern, dass sie im Bereich der 4 Stunden liegen, und das wiederum erkl&auml;rt die klinischen Schwankungen zwischen Sedierung und Entzugssymptomatik zwischen den Einnahmezeitpunkten. Die Reduktion von Einnahmezeitpunkten f&uuml;hrt bei dieser Substanz auch zu einer deutlich erh&ouml;hten Gefahr, (pr&auml;-) delirant zu werden oder einen Entzugsanfall zu erleiden, was bei Diazepam viel seltener beobachtet wird. Das wichtigste Argument scheint aber ein pragmatisches zu sein: Wenn ein Alkoholentzug mittels t&auml;glicher Visitationen gesteuert wird (station&auml;r), braucht man sich nicht vor einer problematischen Kumulation von Diazepam oder Nitrazepam f&uuml;rchten. Die Benzodiazepine haben ihren Siegeszug gerade wegen ihrer gro&szlig;en therapeutischen Breite antreten k&ouml;nnen. Deshalb sehen wir seit Beginn der Benzodiazepin&auml;ra praktisch keine &bdquo;erfolgreichen&ldquo; Suizide damit (au&szlig;er im Rahmen von Mischintoxikationen), ganz im Gegensatz zur vorhergegangenen Barbiturat&auml;ra. Au&szlig;erdem: F&uuml;r eine problematische Ateml&auml;hmung w&uuml;rde theoretisch auch eine massive &Uuml;berdosierung eines Benzodiazepins mit individueller Halbwertszeit von 4 Stunden gen&uuml;gen. Die Antagonisierung funktioniert genauso gut mittels Flumazenil, egal ob es sich um eine massive Diazepam&uuml;berdosierung handelt oder eine massive Oxazepam&uuml;berdosierung. Flumazenil haben wir bei unserer gro&szlig;en Patientenzahl in Europas gr&ouml;&szlig;ter Suchtklinik praktisch noch nie einsetzen m&uuml;ssen. Die meisten Todesf&auml;lle durch Ateml&auml;hmung gibt es &uuml;brigens durch Alcover- Sirup (GHB/Gamma-Hydroxy-Butters&auml;ure, &bdquo;K.o.-Tropfen&ldquo;, &bdquo;liquid ecstasy&ldquo;) mit der unschlagbar kurzen Halbwertszeit von 20 bis 60 Minuten. F&uuml;r diese Substanz gibt es auch kein Antidot. Laut S3- Leitlinie ist diese Substanz wenig &uuml;berraschend weder f&uuml;r die Alkoholentzugsbehandlung noch als Rezidivprophylaktikum geeignet. <br />Wegen der hepatischen Metabolisierung von Diazepam kann bei starker Leberfunktionsst&ouml;rung auf ein nur hepatisch konjugiertes und renal ausgeschiedenes Benzodiazepin zur&uuml;ckgegriffen werden. Wegen der ebenfalls relativ langen Halbwertszeit w&auml;re dabei Nitrazepam der Vorzug zu geben. Eine starke Leberfunktionsst&ouml;rung ist nicht bei hohen Leberfunktionsparametern, wie GGT, GOT und GPT, gegeben, sondern bei schwerer Leberzirrhose mit Ikterus, bei reduzierter Cholinesterase oder bei Ammoniakerh&ouml;hung. Diazepam ist nicht hepatotoxisch, verschlechtert also nicht die Leberwerte, aber es k&ouml;nnte zu einer Kumulation von Diazepam im Blut und damit zu einer &Uuml;bersedierung kommen. Im staion&auml;ren Setting mit t&auml;glichen Visiten ist diese Problematik zu vernachl&auml;ssigen. Im ambulanten Setting mit leichten und unkomplizierten Entz&uuml;gen ist ohnedies vorsichtiger zu dosieren und Oxazepam ist hier eine gute Option. Ein gro&szlig;er Vorteil der Behandlung mit lang wirksamen Benzodiazepinen wie Diazepam und Nitrazepam ist die deutlich bessere und stabilere Befindlichkeit der Behandelten w&auml;hrend des Entzuges, die sich vor allem bei psychisch komorbiden Patienten in der Praxis als essenziell erweist. Die Entzugsbehandlung unter Diazepam und Nitrazepam wird besser toleriert als unter Oxazepam, f&uuml;hrt zu weniger Abbr&uuml;chen und weniger Komplikationen. Bei gleichzeitiger Benzodiazepinabh&auml;ngigkeit bzw. bei Benzodiazepinmissbrauch in relevantem Ausma&szlig; ist mit Benzodiazepinen mit kurzer Halbwertszeit wie Oxazepam &uuml;berhaupt ein deutlich schlechterer und oft prolongierter Verlauf der Entzugsbehandlung zu verzeichnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1806_Weblinks_tab1.jpg" alt="" width="1418" height="965" /></p> <p><strong>Ein neues Antiepileptikum (fakultativer Einsatz) </strong><br />Da Benzodiazepine als obligatorische First-Line-Behandlung ohnedies gut antiepileptisch wirksam sind, ist eine zus&auml;tzliche (&bdquo;add-on&ldquo;) Gabe von Antiepileptika nur im Falle einer bestehenden Epilepsie oder nach anamnestisch erhebbaren entzugsepileptischen Anf&auml;llen, die trotz bestehender medikament&ouml;ser Entzugsbehandlung mit Benzodiazepinen aufgetreten sind, zu erw&auml;gen. Lange Zeit galten Carbamazepin und Valproins&auml;ure hierf&uuml;r als klassische Kandidaten. Dadurch, dass mittlerweile Medikamenteninteraktionen mehr Beachtung geschenkt wird, wird die Rolle des CYP-Induktors Carbamazepin mit Medikamentenspiegelerniedrigung vieler Substrate zusehends kritisch betrachtet. Die Nebenwirkungen, wie Schwindel, Nystagmus, Diplopie, Ataxie, Tremor, Absencen und Hyponatri&auml;mie, k&ouml;nnen auch als suboptimal w&auml;hrend einer Entzugsbehandlung gewertet werden. Deutlich besser schneidet der aktive Metabolit von Carbamazepin, Oxcarbazepin, ab, bis auf die h&ouml;here Inzidenz von Hyponatri&auml;mie (im Vergleich zu Carbamazepin), was zumindest im station&auml;ren Setting kein gro&szlig;es Problem darstellt. Regelm&auml;&szlig;ige Elektrolytkontrollen sind dabei dringend indiziert. Bei einer Entzugsbehandlung mit erh&ouml;htem Risiko f&uuml;r epileptische Anf&auml;lle ist aber ohnehin ein station&auml;res Setting zu w&auml;hlen. Valproins&auml;ure ist ein CYP-Inhibitor und f&uuml;hrt bei vielen Substraten zu einer Spiegelerh&ouml;hung, manchmal mit delirogener Wirkung. Valproat wird nicht nur hepatisch metabolisiert, sondern ist auch (dosisabh&auml;ngig) hepatotoxisch, die Hauptnebenwirkung ist Tremor. F&uuml;r Frauen im geb&auml;rf&auml;higen Alter wurde in Gro&szlig;britannien (NICE-Guideline 2015) der Verzicht auf dieses Medikament in allen Indikationen empfohlen, prim&auml;r wegen seiner Teratogenit&auml;t. Gewichtszunahme, Haarausfall und Zystenbildung im Geschlechtstrakt (v. a. PCO) als Nebenwirkungen sprechen ebenfalls dagegen, es unbedingt und ohne Not Frauen zu verordnen, zumal es Alternativen gibt. <br />Seit einiger Zeit scheint in der Neurologie n&auml;mlich ein neuer Shootingstar am Epilepsie-Himmel zu funkeln: Levetiracetam. Die Frage war nun, ob dieses Antiepileptikum nicht auch in der Indikation als Add-on in der Alkoholentzugsbehandlung bei besonderem Anfallsrisiko eine relevante Rolle spielen k&ouml;nnte. Levetiracetam kann! Es ist ein gut wirksames Breitbandantiepileptikum, das renal ausgeschieden wird, keine Wechselwirkungen im CYP-System zeigt und wenig bis gar keine relevanten Nebenwirkungen hat.</p> <p><strong>Vitamin B1 (obligatorisch)</strong> <br />Im Gegensatz zur Gabe von Antiepileptika ist eine Supplementierung mit Thiamin (Vitamin B1) zur Prophylaxe einer Korsakow-Wernicke-Enzephalopathie (klinische Trias: Ataxie, Verwirrtheit, Augenmuskelst&ouml;rungen) obligatorisch f&uuml;r die Alkoholentzugsbehandlung. Wegen Thiamin-Resorptionsproblemen bei atrophischer Gastritis, die bei Alkoholkranken nicht selten besteht, ist eine hohe Dosis bei peroraler Gabe sinnvoll (400&ndash; 600 mg Tagesdosis) und auch eine parenterale Gabe ist zu erw&auml;gen. Peter Fischer wies (in einem &bdquo;State of the art&ldquo;-Artikel mit dem Titel &bdquo;Alkoholkrankheit und Demenz&ldquo;, 2015) auf eine Untersuchung hin, wonach Thiaminmangel mindestens so relevant f&uuml;r die Entstehung alkoholbedingter Demenzen sei wie die neurotoxische Alkoholwirkung selbst. Aus diesem Grund w&auml;re auch eine pr&auml;ventive Gabe in kleinerer Dosierung im Anschluss an die h&ouml;her dosierte Korsakow-Prophylaxe empfehlenswert. &Uuml;blicherweise sind Vitamin- B-Komplex-Gaben (B1, B6 und B12) im Gebrauch, und das nicht zu Unrecht. Vitamin B6 wirkt zus&auml;tzlich regenerativ bei Polyneuropathie und Vitamin B12 wirkt bei megalozyt&auml;rer An&auml;mie (MCV-Erh&ouml;hung!) durch Ausgleich des entsprechenden Mangels. Abschlie&szlig;end und erg&auml;nzend w&auml;re noch zu erw&auml;hnen, dass Neuroleptika (Antipsychotika) nicht in der Alkoholentzugsbehandlung verwendet werden, au&szlig;er bei Auftreten eines Pr&auml;delirs oder eines voll entwickelten Delirium tremens. Mittel der Wahl w&auml;re niedrig dosiertes Haloperidol oder niedrig dosiertes Risperidon.</p> <h2>Update der Rezidivprophylaktika (Postakutphase)</h2> <p><strong>Neurobiologische Grundlagen</strong> <br />Neben der bereits erw&auml;hnten prim&auml;r zentral d&auml;mpfenden Alkoholwirkung durch Hemmung des exzitatorischen (NMDA) Glutamatrezeptors und der f&ouml;rdernden Wirkung auf den inhibitorischen &gamma;-Aminobutters&auml;ure-A(GABAA)-Rezeptor sind auch sekund&auml;re Alkoholwirkungen auf eine Vielzahl von Neurotransmitter- und Neuropeptidsystemen bekannt (&bdquo;dirty drug&ldquo;), die Belohnungsgef&uuml;hle und euphorische Verst&auml;rkereffekte mit sich bringen. Eine Aktivierung des Dopaminsystems f&uuml;hrt zu erh&ouml;hter Belohnungserwartung auf Basis der bisherigen Erfahrungswelt. Schlie&szlig;t diese Erfahrungswelt auch sehr positive Alkoholerfahrungen (-wirkungen) mit ein, kann Craving nach Alkohol entstehen (&bdquo;Incentive salience&ldquo;-Prozess). Dopaminpeaks machen nicht zufrieden, sondern Lust auf mehr und immer mehr. Wie in der Manie, die auch euphorisch sein kann, lizitiert sich dieses System stets hinauf. Fr&uuml;here Versuche, mit antidopaminergen Substanzen die Suchtdynamik zu bremsen, zeigten bislang stets ein schlechtes Outcome. Man m&uuml;sste einen Dopaminblocker wohl nach dem ersten Glas Alkohol einnehmen, sonst f&uuml;hrt er bei den meisten Menschen nur zu einer Antriebsverarmung, zu schlechter Befindlichkeit und einem depressions&auml;hnlichen Zustand (Dopaminmangelsyndrom), das den Alkohols&uuml;chtigen erst recht zum Alkoholkonsum verleitet.</p> <p><strong>Naltrexon</strong> <br />Die hedonistischen Alkoholeffekte werden von den bereits erw&auml;hnten Endorphinen und Enkephalinen vermittelt. Diese f&uuml;hren an den entsprechenden Opioidrezeptoren zu einem selbstzufriedenen Belohnungsgef&uuml;hl. Naltrexon (Tab. 2) blockiert zwar diese Opioidrezeptoren, was manche Alkoholkranke als durchaus negativ (bremsend, ermattend, depressiogen) empfinden, andere hingegen nicht. Zus&auml;tzlich blockiert es aber auch die von Alkohol induzierte Dopa minaussch&uuml;ttung und f&uuml;hrt damit zu einer Unterbrechung des Aufschaukelns dieser oft beobachtbaren niemals zu s&auml;ttigenden Belohnungserwartung. So stellt man sich die Wirkung bez&uuml;glich Trinkmengenreduktion bei der entsprechenden Zielgruppe (problematischer Alkoholkonsum) vor (&bdquo;Cut-down&ldquo;- Trinken, &bdquo;harm reduction&ldquo;). Der gleiche Mechanismus soll auch zur Drosselung von sogenanntem &bdquo;Reward-Craving&ldquo; f&uuml;hren, das vor allem jene berichten, die eher temperamentvoll bzw. zyklothym oder als bipolar diagnostiziert sind. Es darf vermutet werden, dass bei diesen Personen der basale Dopamin- und Endorphinspiegel ohnehin h&ouml;her ist, wodurch die Reduktion durch Naltrexon nicht negativ ins Gewicht f&auml;llt, sondern aus klinischer Sicht sogar psychisch stabilisierende Eigenschaften zu besitzen scheint. Die reduzierte Belohnungserwartung in Bezug auf im Suchtged&auml;chtnis gespeicherte Trigger reduziert bei mindestens 25 % der Betroffenen auch die R&uuml;ckfallswahrscheinlichkeit und noch deutlich st&auml;rker die Schwere von R&uuml;ckf&auml;llen. <br />Aus den Wirkmechanismen l&auml;sst sich ableiten, f&uuml;r wen dieses Mittel nicht 1. Wahl ist. Keinesfalls sollte es bei Opiatsubstituierten oder Opiatanalgesierten verwendet werden. Falls es aus Versehen passiert, kommt es zu perakuten Opiatentz&uuml;gen, die nicht selten eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich machen. Menschen mit jahrzehntelangem Alkoholkonsum in h&ouml;heren Mengen imponieren oft affektarm, vermutlich aufgrund einer Opiatrezeptor-Downregulation. Eine zus&auml;tzliche Opiatrezeptorblockade durch Naltrexon kann sich bei ihnen kontraproduktiv auswirken. Auch bei schwerer Leberfunktionsst&ouml;rung besteht &uuml;brigens eine Indikationseinschr&auml;nkung von Naltrexon.</p> <p><strong>Acamprosat</strong> <br />Der Wirkmechanismus von Acamprosat (Tab. 2) ist noch immer nicht vollst&auml;ndig verstanden, aber es gibt Hinweise, dass es modulierend (eher antagonistisch) auf das glutamaterge System und hier besonders auf den NMDA-Rezeptor einwirkt. Da das glutamaterge System eher Exzitation vermittelt und Acamprosat eventuell &uuml;ber dessen Blockade seine r&uuml;ckfallsprophylaktische Wirkung entfaltet, die in Studien eindeutig nachgewiesen wurde, soll es besonders gegen das sogenannte &bdquo;Relief- Craving&ldquo; erfolgreich sein. Bei dieser Form des Suchtdruckes ist die Entspannung der gew&uuml;nschte und gesuchte Effekt durch Alkoholmissbrauch. Gut 20 % zeigen mit Acamprosat eine deutlich reduzierte R&uuml;ckfallswahrscheinlichkeit. Laut S3-Leitlinie besteht jedenfalls keine besondere Empfehlungslage bei bestimmten psychischen Komorbidit&auml;ten, keine beruhigende, keine spannungsl&ouml;sende, aber auch keine depressiogene Wirkung. Hauptnebenwirkungen sind Diarrh&ouml; und allgemein gastrointestinale Symptome. <br />Nachteil ist die kurze Halbwertszeit als chemisches Salz, was eine Einnahme dreimal t&auml;glich erfordert. Diese Tatsache macht es im Vergleich etwas unattraktiver und f&uuml;hrt zu Compliance-Problemen. Wenn Naltrexon nicht vertragen wird oder aufgrund einer schweren Leberfunktionseinschr&auml;nkung oder eines jahrzehntelangen sehr massiven Alkoholkonsums (s. o.) eine relative Kontraindikation dagegen besteht, w&auml;re aktuell Acamprosat zu etab lieren.</p> <p><strong>Baclofen: erste Wahl oder Finger weg?</strong> <br />Acamprosat war ziemlich zeitgleich mit Naltrexon ab Mitte der 1990er-Jahre Treiber der Idee einer medikament&ouml;sen Rezidivprophylaxe durch eine Anti-Craving- Wirkung. Bis dahin gab es nur das &bdquo;Alkohol- Aversivum&ldquo; Disufiram, das durch Hemmung der Acetaldehyddehydrogenase zu einer Kumulation des giftigen Acetaldehyds f&uuml;hrt und damit bei Alkoholkonsum die sogenannte Alkohol-Disulfiram-Reaktion ausl&ouml;st. Dabei kommt es zu Flush- Symptomatik, Kollapszust&auml;nden mit Tachykardie, &Uuml;belkeit, Erbrechen, Dyspnoe, Bewusstseinsst&ouml;rungen, schweren Kopfschmerzen, epileptischen Anf&auml;llen und auch geh&auml;uft Herzversagen durch Arrhythmien oder Infarkte. Das in Deutschland gar nicht mehr zugelassene Mittel (Todesf&auml;lle) hatte in den 1950er- und 1960er-Jahren noch eine Euphorie als &bdquo;Heilmittel gegen Alkoholismus&ldquo; ausgel&ouml;st, die sich als unbegr&uuml;ndet herausgestellt hatte. Heute wird es nur in sehr eingeschr&auml;nkter Indikationsstellung und im Rahmen eines speziellen ambulanten Gesamtbehandlungsplanes verordnet. <br />Das Buch &bdquo;Das Ende meiner Sucht&ldquo; des mittlerweile verstorbenen Internisten Olivier Ameisen f&uuml;hrte seit seiner Ver&ouml;ffentlichung 2008 zu einer Renaissance des alten antispastischen Medikamentes Baclofen (Tab. 2) und zumindest in Frankreich zu einer Euphorie bez&uuml;glich der Entdeckung eines neuen &bdquo;Heilmittels&ldquo; gegen die Alkoholsucht. Ameisen beschreibt darin, wie er ab 1997 durch seine Alkoholsucht arbeitsunf&auml;hig geworden war und sich fortan dem Studium und der Therapie seiner Sucht verschrieben hatte. Er habe Studien zu medikament&ouml;sen Behandlungen der Sucht recherchiert und sei auf zwei Studien gesto&szlig;en, die sein Interesse auch in Richtung Baclofen lenkten. Mit gro&szlig;em Forschereifer und dem innigen Wunsch, m&ouml;glicherweise sich und andere heilen zu k&ouml;nnen, habe er schlie&szlig;lich Baclofen in hoher Dosierung als Selbstmedikation genommen und auch gut vertragen. Dass er damit Erfolg hatte, k&ouml;nnte aber auch dem innigen Wunsch geschuldet gewesen sein, als durch die Alkoholsucht gescheiterter Arzt zum Retter der gesamten alkoholkranken Menschheit zu werden. Die Diskrepanz zwischen den euphorischen Internet-Bloggern und dem k&uuml;hl-reservierten suchtmedizinischen Establishment, das seit Jahren auf das Fehlen von qualitativ hochwertigen Studien hinweist, war und ist immer noch ziemlich gro&szlig;. In der S3- Leitlinie (deutschsprachiger Raum) findet sich Baclofen noch gar nicht, in Frankreich ist es Standard und oft 1. Wahl. Es besteht ein &bdquo;Off-label&ldquo;-Status, &uuml;ber den auch explizit aufgekl&auml;rt werden soll, und damit ist es in der Hierarchie mit den beiden anderen Medikamenten in dieser Indikationsstellung wohl (noch?) das Schlusslicht, also ein Mittel der 3. Wahl. <br />Baclofen ist &uuml;brigens ein GABAB-Rezeptoragonist, der anders als GABAA-Rezeptoragonisten (Benzodiazepine) nicht zu Toleranzentwicklung und nicht zu Suchtproblematik f&uuml;hrt. Von seiner Verwendung als Antispastikum ist bekannt, dass der Einsatz in niedrigen Dosierungen keine zentrale Wirkung hat. Allerdings erkennt man an den beim Aufdosieren limitierenden Nebenwirkungen, n&auml;mlich M&uuml;digkeit, Benommenheit, Kopfschmerzen und Schwindel, dass die Substanz bei mittleren und h&ouml;heren Dosierungen sehr wohl die Blut-Hirn-Schranke zu passieren vermag. Die bisherigen Studien zeigen zum Teil negative Ergebnisse, wenn die verwendeten Dosierungen sehr niedrig sind (&lt; 30 mg/d) oder wenn nicht eine Angstst&ouml;rung als psychische Komorbidit&auml;t vorliegt. Diese Komponente sollte laut aktueller Studienlage am ehesten zur Entscheidung f&uuml;r einen &bdquo;off-label use&ldquo; von Baclofen in individueller Dosierung knapp bis zum Auftreten der entsprechenden Nebenwirkungen f&uuml;hren. Hier zeigen sich auch tats&auml;chlich relevante Effekte dieses Medikamentes als &bdquo;game changer&ldquo; bei der bisherigen Alkoholsucht entwicklung. Ob es in dieser Indikation einmal 1. Wahl sein wird, werden noch weitere Studien zeigen m&uuml;ssen. Als Mittel der 2. Wahl bei Relief- Craving oder nach jahrzehntelang hoher Trinkmenge und/oder schwerer Leberfunktionsst&ouml;rung (renale Ausscheidung) kann es jedenfalls jetzt schon gerechtfertigterweise etabliert werden.</p> <p><strong>Bedeutung der Rezidivprophylaktika</strong> <br />Angesichts des gro&szlig;en &bdquo;burden of disease&ldquo; der Alkoholsucht und der schwachen Daten bez&uuml;glich nachhaltiger Stabilit&auml;t nach Alkoholentzugsbehandlungen ohne eine entsprechende Postakutbehandlung in den unterschiedlichsten Settings (sta tion&auml;r, tagesklinisch oder ambulant) verwundert es nicht, dass in der S3-Leitlinie den &bdquo;motivationalen Interventionen&ldquo; im Sinne einer kontinuierlichen suchttherapeutischen Nachbetreuung ein sehr hoher Empfehlungsgrad zugeordnet wird. Die Verordnung von Rezidivprophylaktika in der Postakutphase erhielt ebenfalls zu Recht das Pr&auml;dikat &bdquo;hoher Empfehlungsgrad&ldquo;. Jede Unterst&uuml;tzung beim Ablegen der B&uuml;rde der Sucht und jede Erh&ouml;hung der Wahrscheinlichkeit, ein besseres, sch&ouml;neres und ges&uuml;nderes Leben ohne Alkohol zu erm&ouml;glichen, muss uns recht und billig sein. <br />Im Rahmen eines Gesamtbehandlungsplans kann aus meiner Sicht die t&auml;gliche Einnahme eines Medikamentes gegen die Sucht erstens eine t&auml;gliche Erinnerung daran sein, dass es auch an diesem Tag wieder gilt, den Weg in die Suchtfreiheit weiterzugehen, und zweitens mithilfe des Verumeffekts (belegt in randomisierten, doppelblinden klinischen Studien) und des Placeboeffekts (oft untersch&auml;tzter tats&auml;chlicher Effekt) zu einem entscheidenden Verb&uuml;ndeten gegen die Abh&auml;ngigkeitserkrankung werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1806_Weblinks_tab2.jpg" alt="" width="1418" height="2400" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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