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Auswirkungen auf die psychische Gesundheit

Social-Media-Konsum im Kindes- und Jugendalter

Die Nutzung sozialer Medien kann bei Kindern und Jugendlichen zu verschiedenen psychischen Problemen führen. Aus diesem Grund sind basale Kenntnisse zur Prävention, Diagnostik und Therapie für Eltern und Fachpersonen unerlässlich. Dieser Artikel beschreibt die Möglichkeiten und Grenzen in diesem relativ neuen Feld.

Auch ohne die Coronapandemie und die Krisen in der Ukraine und im Nahen Osten befinden wir uns in einer beachtlichen gesellschaftlichen Übergangsphase, einem «mind change», und vielleicht gar in einer nicht kalkulierbaren «Metamorphose der Gesellschaft». Hinzu kommen deutliche Effekte des Klimawandels, der weltweiten Migration, der Geschlechter- und Geschlechtsidentitätskonflikte, der Destabilisierung des Westens und des Erstarkens autoritärer Regime. Dramatisierungen dürften für niemanden nützlich sein, ebenso fahrlässig wäre es allerdings, nicht in Diagnostik, Therapie und Beratung sowie Prävention auf die einzigartigen Faktorenkombinationen einzugehen, die durch soziale Medien verstärkt werden. Die Nutzung sozialer Medien kann bei Jugendlichen zu verschiedenen psychischen Problemen führen. Studien haben mittlerweile gezeigt, dass ein übermässiger Konsum sozialer Netzwerke mit stärkeren depressiven Symptomen in Verbindung gebracht wird. Zudem können soziale Medien das Körperbild beeinflussen und zu Ess-, Schlafstörungen und Angstzuständen führen.

Es ist wichtig, dass Eltern und Therapeut:innen sich mit der Nutzung und dem Missbrauch sozialer Medien ihrer Kinder beschäftigen und sie über den verantwortungsvollen Umgang aufklären. Ausserdem kann die Exposition gegenüber problematischen Inhalten in sozialen Medien zu einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit beitragen. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Jugendliche beim Umgang mit sozialen Medien zu unterstützen und für die potenziellen Auswirkungen auf ihre mentale Gesundheit zu sensibilisieren und Interventionen zu entwickeln.

Seelische Störungen im Kontext sozialer Medien

In «normalen» Zeiten nutzen psychisch belastete Kinder und Jugendliche oft gute Strategien, um Stress abzubauen. Sie treffen sich mit vertrauten Menschen und gehen ihren Hobbys nach. Während der Pandemie gab es zahlreiche Einschränkungen, welche die soziale Isolation oder Stress förderten. Wenn Risikofaktoren wie das Gefühl der Einsamkeit zunehmen und gleichzeitig Schutzfaktoren wie die Interaktion mit Freunden abnehmen, steigt das Risiko für psychische Probleme im Kontext der sozialen Medien. Eine schlechte psychische Gesundheit erhöht das Risiko eines problematischen Substanz- und Medienkonsums bei Jugendlichen. Zu beachten sind:

  1. Depressive Symptome: Studien haben einen Zusammenhang zwischen übermässiger Social-Media-Nutzung und stärkeren depressiven Symptomen bei Jugendlichen gezeigt.

  2. Essstörungen, Angstzustände und Körperbild: Die Exposition gegenüber sozialen Medien kann das Körperbild beeinflussen und zu Essstörungen sowie Angstzuständen führen. Insbesondere der Vergleich mit idealisierten Darstellungen in sozialen Medien kann zu negativen Auswirkungen auf das Körperbild führen.

  3. Cybermobbing: Jugendliche sind online Cybermobbing und Belästigungen ausgesetzt, was sich negativ auf ihre psychische Gesundheit auswirken kann. Cybermobbing hat noch deutlichere Folgen als «normales» Mobbing.

  4. Schlafstörungen: Einige Jugendliche nutzen soziale Medien, um unangenehme Gedanken zu verdrängen, was zu Schlafstörungen führen kann.

  5. Verbreitung von Informationen zu psychischen Störungen: Die Verbreitung problematischer Inhalte in sozialen Medien kann ebenfalls die psychische Gesundheit Jugendlicher beeinträchtigen.

Die Entwicklung von Game- und Social-Media-Abhängigkeit

Während diese Einflüsse für die meisten Jugendlichen erkennbare und spielerisch eingesetzte soziale Mechanismen sind, die sie nicht von realistischer Selbstreflexion und Selbstkritik abbringen, gibt es auch diejenigen, die sich ihre eigene Parallelwelt bzw. Gegenwelt schaffen, in die irgendwann ein «Überstieg» bis hin zur wirklichen Abhängigkeit von Games und Social Media stattfindet. Eine zunächst interessierte und funktionale Nutzung von verbreiteten Onlineaktivitäten, wie etwa Computerspielen oder sozialen Medien, intensiviert sich vor dem Hintergrund bestehender Vulnerabilitätsfaktoren. Letztere umfassen defizitär ausgeprägte Emotionsregulationskompetenzen, eine erhöhte Vulnerabilität (physiologisch wie psychologisch) für Stress und akzentuierte Persönlichkeitsmerkmale (z.B. Introversion). Über Lernmechanismen werden im Laufe der zunehmend online verbrachten Zeit spezifische und überwertig positive Wirkungserwartungen bezüglich Onlinenutzung konsolidiert, wobei gleichzeitig vermehrt Verstärker aus der Offlinelebenswelt entfallen. Hierdurch entstehen eine kognitive und affektive Trennung und Polarisierung von online vs. offline, wodurch ein «Überstieg» der anfänglich interessierten, später exzessiven Nutzung bis hin zu einer manifesten Abhängigkeit (sog. internetbezogene Störung) stattfindet. Aus angepasstem (Mit-)Spielen wird sukzessive passiv-aggressive Verweigerung der Offlinewelt. Die Coronakrise stellte für internetbezogene Störungen insofern vermutlich einen wesentlichen Faktor dar, als die Beschränkungen auf den häuslichen Bereich zunächst einmal die verstärkte Nutzung neuer Medien logisch erscheinen lassen. Gerade für vulnerable Jugendliche, die in dieser Zeit nun erfahren, dass sie in einem Onlinespiel gegebenenfalls genau die sozialen Rollen zu verkörpern imstande sind, nach welchen sie sich in nichtvirtuellen Welten immer sehnten, werden hoch dysfunktionale Lernprozesse angestossen.

Diagnostik & Differenzialdiagnostik

Nützlich ist eine systematische Erfassung und Bewertung der psychosozialen und der medizinisch-biologischen Folgen von kindlichem und adoleszentem Problemverhalten:

  • Ressourcen der Kinder/Jugendlichen

  • Informationen aus der Schule (mit Einverständnis der Eltern!)

  • Aktueller Leistungsstand im Vergleich zum intellektuellen Potenzial

  • Fehlzeiten (entschuldigt und unentschuldigt)

  • Bisherige negative Konsequenzen in familiärer, schulischer und psychosozialer Hinsicht

  • Vergesellschaftung mit Alkohol- und Drogenkonsumierenden und/oder dissozialen Jugendlichen

  • Delinquente Aktivitäten bzw. Strafen wegen Verstoss gegen das Betäubungsmittelgesetz, Eigentumsdelikten oder aggressiven Gewalthandlungen

  • Substanzkonsum

  • Therapieauflagen seitens der Schule, von den Eltern selbst oder durch Gerichtsbeschluss

  • Riskantes Sexualverhalten, z.B. bei Datingportalen

  • Cybermobbing

Der Einfluss von Eltern und Sorgeberechtigten

Eltern können dazu beitragen, dass Jugendliche die negativen Auswirkungen der Social-Media-Nutzung auf ihre psychische Gesundheit vermeiden, indem sie klare Grenzen setzen, offene Kommunikation fördern und aufmerksam auf das Verhalten ihrer Kinder in den sozialen Medien achten. Hier sind einige konkrete Massnahmen, die Eltern ergreifen können:

  • Klare Grenzen setzen: Eltern sollten klare Regeln für die Nutzung sozialer Medien aufstellen, wie z.B. begrenzte Bildschirmzeiten und keine Nutzung während der Mahlzeiten oder vor dem Schlafengehen.

  • Offene Kommunikation: Es ist wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern offen über die potenziellen Risiken der Social-Media-Nutzung sprechen, um ein Bewusstsein für Cybermobbing, den Druck durch Likes und Kommentare sowie die Verbreitung problematischer Inhalte zu schaffen.

  • Aufmerksam das Verhalten beobachten: Eltern sollten das Verhalten ihrer Kinder in den sozialen Medien aufmerksam beobachten, um Anzeichen von übermässigem Konsum, Cybermobbing oder anderen problematischen Verhaltensweisen zu erkennen.

  • Vorbild sein: Eltern sollten selbst verantwortungsbewusst mit sozialen Medien umgehen, um ihren Kindern ein gutes Vorbild zu geben.

Durch die konsequente und kontinuierliche Umsetzung dieser Massnahmen können Eltern dazu beitragen, dass Jugendliche die potenziell negativen Auswirkungen der Social-Media-Nutzung auf ihre psychische Gesundheit besser bewältigen und vermeiden können.

Welche Rolle spielt die Therapie?

Die Therapie von psychischen Problemen bei Kindern und Jugendlichen beinhaltet eine umfassende, störungsbezogene Diagnostik und eine mehrere Bausteine umfassende Behandlung. Dazu gehören Psychotherapie, psychosoziale Massnahmen und in einigen Fällen auch eine medikamentöse Behandlung. Geeignete Ansprechpartner sind Psycholog:innen, Kinder- und Jugendpsychotherapeut:innen oder Kinder- und Jugendpsychiater:innen. Oft wird eine sogenannte multimodale Therapie durchgeführt, bei der unterschiedliche Therapiemassnahmen miteinander kombiniert werden, um die bestmöglichen Voraussetzungen für eine Besserung zu schaffen. Im Mittelpunkt steht dabei eine psychotherapeutische Behandlung, die speziell auf die Probleme des Kindes oder Jugendlichen abgestimmt ist. Weitere Elemente sind die Aufklärung und Beratung der Eltern sowie unterstützende Trainings. Das Ziel ist es, psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und behandlungsbedürftige Probleme von vorübergehenden, entwicklungsbedingten Schwierigkeiten abzugrenzen.

Es ist zu erwarten, dass Kinder- und Jugendpsychotherapeut:innen sowie Kinder- und Jugendpsychiater:innen und unter Umständen die gesamte Jugend- und Suchthilfe noch stärker als bisher zu einem «Reparatur- und Anpassungsbetrieb» für all diejenigen Jugendlichen werden, die (entweder zu beschleunigt oder aktuell zu entschleunigt) nicht das adäquate Tempo für unsere «post Corona» adaptierte Social-Media-Gesellschaft aufweisen und auch steuern können.

Eine Psychotherapie seelischer Störungen und Probleme bei Kindern und Jugendlichen hat diese Entwicklungen mitzudenken und zu berücksichtigen. Im Sinne einer modularen Psychotherapie bedürfen Kinder und Jugendliche, je nach Entwicklungsphase und -aufgaben bzw. vorliegender seelischer Problematik, unterschiedlicher Herangehensweisen. Eine rein störungsorientierte, streng manualisierte Psychotherapie, die den sozialen Rahmen und die Biografie sowie die spezifischen Erfahrungen von Lockdowns und sozialen Medien ausblendet, dürfte nicht ausreichend sein.

Im Sinne des modularen Ansatzes vermögen psychodynamische Zugänge nützliche Rahmenkonzepte für störungsspezifische, verhaltenstherapeutische und pharmakologische Interventionen vorzubereiten, die sich dann ggf. manualisiert und leitlinienorientiert den einzelnen Problemfeldern zuwenden können. Mit einer systemischen Sichtweise des Gesamtgefüges der Patient:innen und ihrer Umgebung kann eine nachhaltige modulare Mehrebenentherapie auf dem Boden jener Mehrebenendiagnostik gelingen, im schweren Fall auch stationär.

bei den Verfassern

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