<p class="article-intro">Das Burnout-Syndrom ist keine anerkannte und im ICD-10 angeführte Erkrankung. Aber in der alltäglichen Praxis auf unserer Abteilung für Innere Medizin und Psychosomatik im Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern suchen viele Patienten Hilfe aufgrund von diffusen, sowohl psychischen als auch körperlichen Beschwerdebildern, die subjektiv als Folge einer „Erschöpfung“ oder „Burnout“ erlebt werden. Auf unserer Abteilung bieten wir einen multimodalen medizinischen und psychotherapeutischen Zugang zu der Problematik.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Burnout-Syndrom ist eine noch nicht im ICD-10 anerkannte Erkrankung.</li> <li>Der Zugang zu den erschöpften Patienten sollte sich individuell und nach deren Bedürfnissen gestalten.</li> <li>Die Zusammenarbeit in einem multidisziplinären Team ist die Voraussetzung für einen erfolgreichen Behandlungsprozess.</li> <li>Eine gute und stabile Arzt- Patient-Beziehung ist die wichtigste Voraussetzung für den Therapieerfolg.</li> </ul> </div> <h2>Definition und Hintergründe</h2> <p>Jeder Mensch ist aufgrund seiner biologischen, psychischen und sozialen Grundlagen unterschiedlich belastbar. Wenn wegen Stress oder einer chronischen Überbelastung das „System Mensch“ zusammenbricht, kommt es zum Ausbruch verschiedener Symptome, die sowohl körperlicher als auch seelischer Natur sein können.<br /> Der Begriff „Burnout“ wurde in den 70er-Jahren von Herbert Freudenberger, einem New Yorker Psychotherapeuten, eingeführt. Er beschrieb einen Erschöpfungszustand, der bei Beschäftigten in sozialen Berufen beobachtet wurde, nachdem sie sich in ihrer Tätigkeit „überengagiert“ hatten. In unserer heutigen Gesellschaft zeigen ca. 6–7 % der Menschen die Symptome eines Burnouts. Bei bestimmten Risikogruppen (z.B. in sozialen und medizinischen Berufen) ist diese Zahl deutlich höher und beträgt bis zu 20 % .<br /> Das Burnout kann auch als ein Frühsymptom einer körperlichen Erkrankung auftreten. Somit ist es sehr wichtig, einen Menschen als eine Ganzheit zu sehen, als solche zu behandeln und die psychosomatischen Zusammenhänge zu beachten. Das ist möglich durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Berufsgruppen, die an einem Ort versammelt sind.<br /> Das komplexe Krankheitsbild „Burnout“ lässt sich aus zwei Perspektiven betrachten. Einerseits aus der Perspektive der heutigen sehr „schnellen“, leistungs- und profitorientierten Gesellschaft, in der der Mensch funktionalisiert wird und in der es im Rahmen eines dysfunktionalen Arbeitsumfelds zu einer Überbelastung kommt.<br /> Anderseits aus der Perspektive „Mensch“ als ein komplexes „System“, wobei eine biologische, psychische und soziale Grundlage eine Rolle spielt. So wie jedes Individuum unterschiedlich und einzigartig ist, kann sich auch die Burnout-Symptomatik unterschiedlich präsentieren. Die Symptomatik erstreckt sich von emotionaler und körperlicher Erschöpfung bis zu schweren psychischen Krankheitsbildern.</p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Freudenberg und North (2000) haben einen 12-Stadien-Zyklus der Entstehung des Burnouts und seiner Entwicklung beschrieben. Die Stadien verlaufen individuell und unterschiedlich und sind von der Person und ihrer Resilienz abhängig.<br /> Am Anfang zeigen die betroffenen Personen einen starken Drang, sich zu beweisen und viel zu leisten. Diese Phase geht in eine Verdrängung und Verleugnung der entstandenen Konflikte über und dann in den Rückzug in die innere Leere und eine Depression begleitet von verschiedenen psychosomatischen Symptomen.<br /> Bevor ein Erschöpfungssyndrom diagnostiziert wird, muss klar sein, dass sich im Rahmen eines vermuteten Burnouts verschiedene körperliche Erkrankungen verstecken können. Um das nicht zu übersehen, muss eine umfangreiche medizinische Exploration mit der Erhebung bestimmter Befunde durchgeführt werden. Wir konzentrieren uns auf die Symptome und den Leidensdruck des Patienten und versuchen ihn zu beruhigen und nicht mit den vielen wiederholten Untersuchungen noch mehr zu verunsichern. Sehr oft kommen die Patienten, die schon mehrere Ärzte gesehen haben, mit zahlreichen durchgeführten Gastroskopien, Koloskopien, kardiologischen Untersuchungen, häufig ohne auffälligen Befund. Wir lassen uns nicht in einen neuerlichen mechanistischen Zugang hineinziehen, sondern wir hören dem Patienten zu und auf Basis einer sorgsam hergestellten Arzt-Patient-Beziehung versuchen wir, seine wirkliche Problematik zu verstehen.</p> <h2>Was erwarten und was brauchen die Patienten in einer Erschöpfungssituation?</h2> <p>Oft klaffen die Erwartungen und die wahren Bedürfnisse der Patienten in einer Burnout-Situation auseinander. Als behandelnde Personen müssen wir dies merken und mit dem Patienten klären. Da die Burnout- Symptomatik sehr unterschiedlich, individuell und multifaktoriell ist, ist dies auch unser Zugang zu den betroffenen Patienten. Manche bleiben in ihrem Körper gefangen und spalten das psychische Geschehen komplett ab. Die Patienten verlangen viele körperliche Untersuchungen, in der „Hoffnung“, dass eine körperliche Erkrankung als Ursache für ihr Leiden gefunden wird. Die körperliche Erkrankung ist in unserer Gesellschaft noch immer „mehr willkommen“ als ein psychisches Leiden. Erst nach genauer Befragung oder im Rahmen der Therapie stellt sich z.B. eine Schlafstörung, eine depressive Verstimmung oder eine Angststörung heraus. Für die therapeutische Vorgangsweise ist es wichtig, den Patienten dort abzuholen, wo er gerade steht. Das heißt, auf die Symptomatik und den Leidensdruck einzugehen und gemeinsam mit dem Patienten eine Abklärung der körperlichen und psychischen Symptomatik zu beginnen. Eine gute und stabile Arzt-Patient-Beziehung ist die wichtigste Voraussetzung für den Therapieerfolg. Für den behandelnden Arzt heißt es, die Hilflosigkeit des Patienten auszuhalten und die Beziehung therapeutisch zu verwenden, um ihm Sicherheit und Stabilität zu geben.</p> <h2>Verlauf und Therapie</h2> <p>Das therapeutische Vorgehen bei Burnout- Syndrom ist entsprechend der vielfältigen Ausprägung multimodal. Es kommen medizinische, psychotherapeutische, psychologische Ansätze ebenso zur Anwendung wie körperorientierte Methoden sowie Beratungen zur Modifikation von Lebensstil und Ernährung.<br /> Unser multidisziplinäres Team besteht aus Fachärztinnen für Innere Medizin und Gastroenterologie, Ärztinnen für psychosomatische Medizin, Fachärztinnen für Psychiatrie, Ärztinnen für allgemeine Medizin, Psychotherapeutinnen, Psychologinnen, Diätologinnen, Ärztinnen für physikalische Medizin, Seelsorge und psychosomatisch geschultem Pflegepersonal.<br /> Im weit fortgeschrittenen Stadium des Burnouts, das gekennzeichnet ist durch ein ausgeprägtes Gefühl der inneren Leere, oft begleitet von innerer Anspannung, Konzentrationsstörung und starken somatischen Beschwerden, stehen die Stabilisierung und Symptombehandlung im Vordergrund.<br /> Wir bieten drei verschiedene Therapieprogramme mit unterschiedlicher Dauer (von mindestens vier bis acht Wochen) an.<br /> Im vierwöchigen psychotherapeutischen und medizinischen Programm ist das Vorgehen primär psychoedukativ, stützend und ressourcenorientiert. Viel Aufmerksamkeit wird auf den Körper gelegt. Die medizinischen Visiten finden täglich statt und die Patienten werden symptomorientiert behandelt.<br /> In den Gruppenpsychotherapien können die Patienten über ihren Leidenszustand sprechen und damit das Gefühl der Isoliertheit überwinden. Zusätzlich werden auch wöchentlich Einzelgespräche angeboten. Neben den Gesprächstherapien gibt es auch eine Maltherapie in der Gruppe. In dieser Einheit können die Patienten mithilfe des kreativen Mediums ihren Leidenszustand darstellen und erste Lösungsansätze erarbeiten. In psychologischen Einheiten lernen die Patienten, wieder ihrer Wahrnehmung zu vertrauen, sich ihrer Stärken bewusst zu werden und ihre Selbstkompetenz wiederzugewinnen. Die angeleiteten Gymnastikeinheiten sowie Entspannungstechniken und diätologische Beratung ergänzen das Angebot.<br /> Wie schon erwähnt können wir das Burnout-Syndrom aus zwei Perspektiven betrachten, als ein gesellschaftliches Phänomen oder aus der Perspektive des Individuums.<br /> Wenn bei Patienten bereits ein gewisses Maß an Stabilisierung eingetreten ist und die Symptomatik nicht so stark ausgeprägt ist, haben sie die Möglichkeit, sich selbstreflektierend mit ihrer Persönlichkeit auseinanderzusetzen. Für diese Patienten bieten wir zwei achtwöchige Programme an, wobei eine Patientengruppe stationär und eine andere ambulant (tagesklinisch) betreut wird. Die Gruppen sind geschlossen und das stellt ein wesentliches Element der Therapie dar. Das psychotherapeutische Angebot ist vielfältig und intensiv. Zusätzlich zu dem vierwöchigen Programm bieten wir noch die Musiktherapie und die konzentrative Bewegungstherapie als körperorientierte Psychotherapieform, die die Reintegration der Körper-Seele-Geist-Einheit unterstützt. In der Spannungsregulation erlernen die Patienten, ihre seelischen Spannungszustände wahrzunehmen und mit verschiedenen „skills“ selbst zu regulieren.<br /> Ziel des Behandlungskonzeptes ist es, durch den Prozess des Bewusstwerdens der eigenen Persönlichkeit und ihrer Konflikte eine verbesserte Selbstkompetenz in Bezug auf die zu bewältigenden Lebensaufgaben zu erzielen.</p></p>
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<p>bei den Verfassern</p>
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