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Verschreibung von Antipsychotika und Benzodiazepinen aus Sicht eines Alterspsychiaters

<p class="article-intro">Antipsychotika und Benzodiazepine werden häufig bei älteren und hochbetagten Patienten eingesetzt. Ein kritischer Blick und ein genaues Abwägen von therapeutischer Notwendigkeit und erzeugten Nebenwirkungen und Interaktionen sind erforderlich.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Der Einsatz von Antipsychotika im Alter, bei schweren psychiatrischen Erkrankungen im Vergleich zur Behandlung von Verhaltensst&ouml;rungen und Delir bei Demenz unterscheidet sich deutlich in der Dauer der Behandlung und in der H&ouml;he der Dosierung.</li> <li>Die Gabe von Antipsychotika zur Behandlung von Verhaltensst&ouml;rungen bei Demenz erfordert eine Therapie&uuml;berpr&uuml;fung nach 6 bis 8 Wochen mit dem Ziel, diese abzusetzen. Die Etablierung einer antidementiven Therapie wird vorausgesetzt.</li> <li>Nach Abklingen der Symptomatik eines Delirs und der Behandlung der zugrunde liegenden, meist somatischen Ursache wird ein etabliertes Antipsychotikum abgesetzt.</li> <li>Benzodiazepine sollten so kurz wie m&ouml;glich und so niedrig dosiert wie n&ouml;tig eingesetzt werden.</li> <li>Bei einer Entwicklung von Gew&ouml;hnung und Abh&auml;ngigkeit ist eine gemeinsame Entscheidung mit der/dem Betroffenen zu entwickeln bzgl. zuk&uuml;nftiger Einnahme. Auch eine Dosisreduktion ist ein Erfolg.</li> </ul> </div> <h2>Antipsychotika</h2> <p>Bei Erkrankungen des schizophrenen Formenkreises, bei sekund&auml;r psychotischen St&ouml;rungen, bei paranoiden Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rungen, bei affektiven Erkrankungen wie bei schweren depressiven Episoden mit psychotischen Symptomen oder bei bipolaren St&ouml;rungen werden Antipsychotika zur mittel- und langfristigen Pharmakotherapie auch im Alter eingesetzt. Bei demenziellen Erkrankungen mit Verhaltensst&ouml;rungen/herausforderndem Verhalten oder Delir sind Antipsychotika, wenn &uuml;berhaupt, nur kurzfristig, niedrig dosiert und in der Akutphase (6&ndash;8 Wochen) einzusetzen.</p> <p>Im Vordergrund der Behandlung der Verhaltensst&ouml;rungen bei demenziellen Erkrankungen stehen zun&auml;chst nicht pharmakologische Ma&szlig;nahmen wie:</p> <ul> <li>Angeh&ouml;rigeninformation und Angeh&ouml;rigenschulung (die Angeh&ouml;rigen als Kotherapeuten gewinnen),</li> <li>die Ausl&ouml;ser f&uuml;r Verhaltensst&ouml;rung identifizieren (&bdquo;ersch&ouml;pfte Angeh&ouml;rige&ldquo;),</li> <li>sensorische Defizite ausgleichen (Sehund H&ouml;rbehelfe),</li> <li>regelm&auml;&szlig;ige k&ouml;rperliche und geistige Aktivit&auml;ten,</li> <li>medizinische Versorgung erh&ouml;hen bei Verdacht auf zus&auml;tzliche k&ouml;rperliche Erkrankungen,</li> <li>psychotherapeutische Interventionen (z.B. Validation, Formen der Familienoder Paartherapie, Gruppen mit Betroffenen und Angeh&ouml;rigen, verhaltensmodifizierende Zug&auml;nge, Musiktherapie, Tiertherapie),</li> <li>aktivierende Pflege (z.B. nach B&ouml;hm).</li> </ul> <p>Sollten diese nicht ausreichen, kann eine vor&uuml;bergehende Pharmakotherapie mit Antipsychotika bei folgenden Symptomen hilfreich sein (Tab. 1):</p> <ol> <li>Bei Agitation oder Aggression sind in erster Linie Risperidon oder Aripiprazol etabliert. Weiters werden Citalopram, Mood-Stabilizer (Carbamazepin, Valproins&auml;ure) und Benzodiazepine (kurzfristig) eingesetzt.</li> <li>Bei psychotischen Symptomen wie Halluzinationen und wahnhaften &Uuml;berzeugungen werden ebenfalls Risperidon und Aripiprazol, Quetiapin und Clozapin bei Parkinson-Demenz und Lewy-Body-Demenz verordnet.</li> <li>Bei Verhaltensst&ouml;rungen, die mit Schreien einhergehen, werden zun&auml;chst eine Schmerzbehandlung, eine Angstbehandlung und schlie&szlig;lich eine Depressionsbehandlung fokussiert. Bei &Auml;ngsten werden Citalopram oder Sertralin sowie Pregabalin und kurzfristig Benzodiazepine eingesetzt.</li> <li>Zur Behandlung von Schlafst&ouml;rungen kommen Z-Drugs (Zolpidem), Antidepressiva (Trazodon CR, Mirtazapin), Benzodiazepine (Lorazepam &ndash; Temesta) und Antipsychotika (Levomepromazin &ndash; Nozinan, Prothipendyl &ndash; Dominal) zum Einsatz.</li> </ol> <p>Bei einem Delir bei Demenz sollten die zumeist somatischen Ursachen identifiziert und behandelt werden. Ausgepr&auml;gte oder auch rezidivierende Verlaufsformen verlangen aber auch die Behandlung mit einem Antipsychotikum, auch in diesem Fall Risperidon oder Aripiprazol.<br /> Als relevante Nebenwirkungen der Antipsychotika besonders auch im Alter m&uuml;ssen kardiovaskul&auml;re (QTc-Verl&auml;ngerung), sedative, anticholinerge und metabolische St&ouml;rungen sowie Bewegungsst&ouml;rungen, wie Akathisie, Parkinsonoid und tardive Dyskinesien, beachtet werden.</p> <h2>Benzodiazepine</h2> <p>Benzodiazepine werden aufgrund ihrer gro&szlig;en therapeutischen Breite gerne auch im Alter verordnet, viele Patienten nehmen ihre gewohnte Medikation auch ins hohe Alter mit, ohne dass dies kritisch hinterfragt wird. Sie wirken anxiolytisch, antikonvulsiv, muskelrelaxierend, sedierend, hypnotisch und leicht stimmungsaufhellend.</p> <p>Benzodiazepine kommen zum Einsatz in der Pr&auml;medikation bei Narkosen und auch in der Behandlung der Epilepsie. Psychiatrische Indikationen sind die Behandlung der Angst, von Erregungszust&auml;nden, zur Behandlung von Schlafst&ouml;rungen und zur Behandlung bei Entzug von Alkohol und Benzodiazepinen. Bei Verhaltensst&ouml;rungen bei demenziellen Erkrankungen k&ouml;nnen sie hilfreich sein in der Behandlung der Agitation und Erregung, bei &Auml;ngsten und kurzfristig in der Behandlung der Schlafst&ouml;rungen.</p> <p>Die Nebenwirkungen sind vor allem auch im Alter zu ber&uuml;cksichtigen, wie ein Hang-over-Effekt mit Tagesm&uuml;digkeit und Schl&auml;frigkeit sowie die muskelrelaxierende Wirkung mit erh&ouml;hter Sturzgefahr und verst&auml;rkter Blasenschw&auml;che. Ebenso verst&auml;rken sich kognitive Defizite und es kann zu paradoxen Reaktionen kommen wie Agitiertheit und Erregungszust&auml;nden. Schlie&szlig;lich kann sich eine Abh&auml;ngigkeitsentwicklung abzeichnen mit zunehmender Steigerung der Dosis und Verst&auml;rkung der Nebenwirkungen.</p> <p>Es sollten nur Substanzen mit k&uuml;rzerer Halbwertszeit verschrieben werden, damit es zu keiner Kumulation im K&ouml;rper kommt, da &auml;ltere Menschen einen h&ouml;heren K&ouml;rperfettanteil haben und lipophile Substanzen st&auml;rker speichern (Tab. 2). Die angegebenen Maximaldosierungen sollten beim &auml;lteren Patienten nat&uuml;rlich nicht erreicht werden. Die Dosis sollte so niedrig wie m&ouml;glich sein, Oxazepam und Lorazepam sind vorzuziehen, da keine st&ouml;ranf&auml;llige Metabolisierung vorliegt.</p> <p>Falls die Entscheidung getroffen wird, Benzodiazepine zu reduzieren oder abzusetzen, sollten folgende Fragen bei der Entscheidung helfen:</p> <ol> <li>Besteht bereits ein Schaden durch den Benzodiazepingebrauch, z.B.: Sturzgefahr, Wesensver&auml;nderung oder kognitive St&ouml;rung?</li> <li>Hat der Patient noch einen Nutzen von der Benzodiazepinbehandlung, z.B. Behandlung starker Angsterkrankungen?</li> <li>Sind nachteilige Folgen des Entzuges zu erwarten, z.B. Verschlechterung eines somatischen Zustands oder einer schweren Erkrankung?</li> <li>Verbleibende Lebensspanne/Lebensqualit&auml;t?</li> <li>Vorhandenes soziales Umfeld?</li> </ol> <p>Man sollte auch bedenken, dass bereits eine Dosisreduktion einen Behandlungserfolg darstellt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1803_Weblinks_jatros_neuro_1803_s41_tab1+2.jpg" alt="" width="1419" height="1726" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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