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Sport nach Hüft- und Knieendoprothese: Was lassen wir zu?

<p class="article-intro">Es ist ein schmaler Grat, auf den sich der behandelnde Arzt bei der Empfehlung zur postoperativen Sportausübung nach Implantation einer Endoprothese begibt. Einerseits gilt es, die Prothese vor negativen Konsequenzen übermäßigen Sportkonsums zu schützen, andererseits will man die Bedürfnisse des Patienten nicht zu stark limitieren.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die derzeitigen Empfehlungen basieren auf Expertenmeinungen und nicht auf evidenzbasierten Leitlinien.</li> <li>Es existiert keine Schwellenwertdefinition, die ein gesundes Ma&szlig; an Sportaus&uuml;bung von sch&auml;dlicher &Uuml;berbelastung abgrenzt.</li> <li>Low-impact-Sportarten mit moderater Intensit&auml;t scheinen keine negativen Auswirkungen auf das &Uuml;berleben der Prothese zu haben.</li> </ul> </div> <p>Selten sind sich alle so einig, offizielle Stellen best&auml;tigen es ohnedies: Die Implantationszahlen von Endoprothesen nehmen j&auml;hrlich zu, und schenkt man den derzeitigen Prognosen Glauben, ist kein Ende dieses Zuwachses in Sicht. Historisch war die Prothese die Therapie der Arthrose des alten Menschen, heute stellen Patienten unter 60 Jahren die am schnellsten wachsende Zielgruppe dar. Diese Tatsache bringt Herausforderungen und Probleme mit sich und wirft neue Fragen auf. F&uuml;r j&uuml;ngere, aktive Patienten wird m&ouml;glicherweise die Beseitigung von Schmerz allein nach Gelenksersatz kein zufriedenstellendes Ergebnis liefern. Dieses Patientenkollektiv zeichnet sich durch einen hohen sportlichen Funktionsanspruch aus und erwartet sich nach dem Eingriff eine R&uuml;ckkehr in den Sport und eine uneingeschr&auml;nkte Aus&uuml;bung von allt&auml;glichen T&auml;tigkeiten. Es ist davon auszugehen, dass dieser Anspruch bei zunehmender Lebenserwartung, gepaart mit wachsender gesellschaftlicher Akzeptanz und steigendem Angebot, zunimmt und auch f&uuml;r &auml;ltere Patientenkollektive gelten wird.<br />Die aktuelle Fachliteratur zeigt leider, dass j&uuml;ngere Patienten einem h&ouml;heren Risiko eines Revisionseingriffes ausgesetzt sind als &Auml;ltere. Nun w&auml;re es verst&auml;ndlich, der h&ouml;heren mechanischen Beanspruchung bei h&ouml;herem Aktivit&auml;tslevel die Schuld an dieser im Vergleich verk&uuml;rzten Standzeit zu geben. In Realit&auml;t ist jedoch diese Ursache-Wirkungs-Problematik komplexer und wissenschaftlich mangelhaft erforscht. Bisher existiert keine Schwellenwertdefinition, die einen n&uuml;tzlichen Belastungsbereich von sch&auml;dlicher &Uuml;berbelastung f&uuml;r Endoprothesentr&auml;ger abgrenzt.<br /> Zentraler Hintergrund f&uuml;r alle sportlichen Empfehlungen nach Prothese bleibt somit der direkte Zusammenhang zwischen Belastung, Abrieb und Lockerung. Eine vor etwa 20 Jahren erschienene Arbeit mit dem Titel &bdquo;Wear is a function of use, not time&ldquo; zeigt die Einstellung, die wir heute in Hinblick auf Sportempfehlungen liberaler werten. Der mechanische Abrieb durch hochwertigere Gleitpaarungen mit hochvernetztem Polyethylen stellt auch bei starker Belastung vor allem in der H&uuml;ftendoprothetik ein eher zu vernachl&auml;ssigendes Problem dar. Etwas kontroverser wird es diesbez&uuml;glich in der Knieendoprothetik, wo erh&ouml;hte Belastungsspitzen und repetitiv hohe Beanspruchung als Gefahrenpotenziale nicht sicher vernachl&auml;ssigt werden k&ouml;nnen.<br /> Nichtsdestoweniger gibt es starke Evidenz f&uuml;r eine Empfehlung von sportlicher Aktivit&auml;t nach Endoprothetik. Sport sch&uuml;tzt nicht nur vor chronischen Krankheiten und senkt das Mortalit&auml;tsrisiko, er hat auch positive Einfl&uuml;sse auf die Prothese selbst: Einerseits k&ouml;nnen das Sturzrisiko und somit die Gefahr von periprothetischen Br&uuml;chen durch einen gut ausgebildeten Muskelapparat gesenkt werden, andererseits beg&uuml;nstigt eine Zunahme der Knochendichte die oss&auml;re Integration.</p> <h2>&bdquo;Low impact&ldquo; vs. &bdquo;high impact&ldquo;</h2> <p>Eine wesentliche Unterscheidung der Sportarten erfolgt in Low-impact- und High-impact-Sportarten, wobei diese Unterscheidung auf angenommenen subjektiven und nicht auf objektiv gemessenen Unterschieden, wie z. B. Intensit&auml;t, Dauer und Frequenz der mechanischen Belastung f&uuml;r die Endoprothese, beruht. Zu Low-impact-Sportarten z&auml;hlen unter anderem Walken auf flachem Untergrund, Wandern, Schwimmen, Radfahren, Tanzen, Langlaufski, Tennis (Doppel) und Golfen mit moderater Intensit&auml;t. Hingegen werden Tennis (Einzel), Squash, Fu&szlig;ball, Handball, Basketball, Volleyball, Ski alpin und Joggen zu den High-impact- Sportarten gez&auml;hlt.<br /> Die entscheidende Frage ist nun, welche dieser Sportarten sowohl die Zufriedenheit des Patienten gew&auml;hrleistet als auch negative Einfl&uuml;sse auf die Standzeit der Prothese verhindert. Im Allgemeinen basieren die aktuellen Empfehlungen von Sport nach einer Endoprothesenimplantation auf Expertenmeinungen aus Umfragen (Tab. 1, 2). Eine klare Vorgabe durch evidenzbasierte Leitlinien fehlt bisher. Die derzeitige Expertenmeinung besagt, dass die Aus&uuml;bung von Low-impact-Sportarten mit moderater Intensit&auml;t empfohlen wird; von High-impact- Sportarten wird jedoch abgeraten. Weiterhin existiert keine eindeutige Stellungnahme zur Aus&uuml;bung von Low-impact- Sportarten mit hoher Intensit&auml;t. Die meisten Ballsportarten, ausgenommen Tennis (Doppel) und Tischtennis, werden nicht empfohlen.<br /> Es ist augenscheinlich, dass es die Aufgabe des chirurgisch t&auml;tigen Orthop&auml;den und Traumatologen ist, pr&auml;- sowie unmittelbar postoperativ eine fundierte Aufkl&auml;rung &uuml;ber Auswirkungen sportlicher Aktivit&auml;t auf die Endoprothese liefern zu k&ouml;nnen. Auch muss dem Patienten das realistisch zu erreichende postoperative Aktivit&auml;tsniveau mitgeteilt werden, um keine Unzufriedenheit auszul&ouml;sen. Bekannt ist, dass Chirurgen, die mehr Erfahrung haben (High-volume-Chirurgen) und eine h&ouml;herer Anzahl an Revisionseingriffen durchgef&uuml;hrt haben, in ihren Empfehlungen toleranter sind als jene, die geringe Fallzahlen vorzuweisen haben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s8_tab1_hauer_gruber.jpg" alt="" width="2150" height="1395" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s9_tab2_hauer_gruber.jpg" alt="" width="2150" height="1395" /></p> <h2>Sport nach prim&auml;rer H&uuml;ftprothesenimplantation</h2> <p>Im klinischen Alltag h&auml;ngt die Empfehlung hinsichtlich der sportlichen Aktivit&auml;t nach prim&auml;rer Implantation einer H&uuml;ftprothese stark vom betreuenden Orthop&auml;den und seiner Erfahrung ab. In einer Studie zur Erstellung einer Konsensus-Leitlinie wurden die Mitglieder gro&szlig;er amerikanischer orthop&auml;discher Fachgesellschaften (Hip Society und American Association of Hip and Knee Surgeons) hinsichtlich ihrer Pr&auml;ferenzen f&uuml;r die Empfehlungen von sportlicher Aktivit&auml;t nach H&uuml;fttotalendoprothesenimplantation befragt. Die Umfrage umfasste 37 Sportarten, welche die Teilnehmer bewerten sollten. Zusammenfassend betrachteten 95 % der orthop&auml;dischen Chirurgen Low-impact-Sportarten nach einer H&uuml;ftprothesenimplantation als empfehlenswert, wohingegen High-impact- Sportarten nicht empfohlen wurden. Offensichtlich zeigt sich anhaltend ein eher zur&uuml;ckhaltendes Vorgehen bei der Empfehlung hinsichtlich intensiverer postoperativer Sportaus&uuml;bung. Damit &uuml;bereinstimmend konnte in zwei Vergleichsstudien gezeigt werden, dass es bei Patienten mit hohem Aktivit&auml;tsmuster geh&auml;uft zu femoralen Osteolysen, h&ouml;herem Abrieb und k&uuml;rzerem &Uuml;berleben der Prothese im Vergleich zu Patienten der Low-impact- Gruppe kommt. Anzumerken ist jedoch, dass in diesen Studien noch &auml;ltere Polyethylen- Inlays verwendet wurden.<br /> Divergierend zeigte eine weitere Studie, dass Joggen als High-impact-Sportart kein Risiko bez&uuml;glich Lockerung und Osteolysen darstellt. Hier sind neue Studien mit aktuellen Gleitpaarungen notwendig, um ein klareres Bild schaffen zu k&ouml;nnen. Das in &Ouml;sterreich relevante Thema Skifahren nach H&uuml;ftprothesenimplantation wurde ebenfalls bereits untersucht. Dabei konnte in einer Studie gezeigt werden, dass Skifahren keinen negativen Einfluss auf das &Uuml;berleben der Prothese hatte. Snowboarden hingegen wird aufgrund der h&ouml;heren Torsionskr&auml;fte nicht empfohlen.<br /> Der Oberfl&auml;chenersatz des H&uuml;ftgelenks betrifft derzeit nur ein kleines Patientenkollektiv. Junge, m&auml;nnliche, sportlich sehr aktive Patienten k&ouml;nnen durch den Oberfl&auml;chenersatz, unter genauer &auml;rztlicher Beobachtung, High-impact-Sportarten weiterhin aus&uuml;ben. Ein aktuell prominentes Beispiel daf&uuml;r ist die Implantation eines Oberfl&auml;chenersatzes bei Andy Murray, der einige Monate postoperativ bereits wieder voll konkurrenzf&auml;hig ist. Langzeitdaten f&uuml;r diese hochaktive Patientengruppe bleiben jedoch abzuwarten.</p> <h2>Sport nach prim&auml;rer Knieprothesenimplantation</h2> <p>Auch hier beruhen die aktuellen postoperativen Empfehlungen betreffend Sport auf Expertenmeinungen und weniger auf evidenzbasierten Daten. Anzumerken ist, dass die Empfehlungen nach einer Knietotalendoprothesenimplantation weniger liberal sind im Vergleich zu denen nach einer H&uuml;fttotalendoprothesenimplantation. Dies &uuml;berrascht, da es im Vergleich zu H&uuml;ftprothesen bisher keine Studien gibt, die ein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r die Entstehung von Osteolysen, aseptische Lockerungen und erh&ouml;hte Revisionsraten bei hoch aktiven Patienten zeigen.<br /> Joggen wird aufgrund einer erh&ouml;hten Kraftwirkung (3,6-faches K&ouml;rpergewicht) auf das Gelenk ident zur H&uuml;ftprothese nicht empfohlen. Empfehlungen von Golfsport haben sich klinisch bisher als gut erwiesen. In einer Studie ergab sich beim Golfen jedoch eine Kr&auml;fteeinwirkung vom 4,5-Fachen des K&ouml;rpergewichts auf die Prothese des vorderen Beins sowie vom 3,2-Fachen des K&ouml;rpergewichts auf die Prothese im hinteren Bein. Die beim Schwingen aufgetretenen Kr&auml;fte waren somit h&ouml;her als bei dem von Experten abgelehnten Joggen. Da die Belastungsdauer und die Frequenz der Belastungszyklen jedoch sehr kurz ausfallen, kann Golf bei Knieprothese empfohlen werden.<br /> Tennis (Einzel) wird aufgrund seiner hohen Belastung, die auf das Kniegelenk wirkt (3,6 x das K&ouml;rpergewicht w&auml;hrend des Vorhandschlags und 3,1 x das K&ouml;rpergewicht w&auml;hrend des R&uuml;ckhandschlags), mit schnellen Richtungswechseln und abruptem Abstoppen, von f&uuml;hrenden Experten als zu empfehlende Aktivit&auml;t zumeist abgelehnt.<br /> Patienten nach Teilersatz des Kniegelenks beginnen in der Regel fr&uuml;her und h&auml;ufiger wieder mit Sport als Patienten nach Totalersatz. Trotz dieser in Studien nachgewiesenen h&ouml;heren Aktivit&auml;t nach Schlittenprothesenimplantation zeigt sich jedoch auch hier der Trend zur prinzipiellen Aus&uuml;bung von Low-impact-Sportarten.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend kann man sagen, dass nach einer endoprothetischen Versorgung der gr&ouml;&szlig;te Anteil der pr&auml;operativ aktiven Patienten zum Sport zur&uuml;ckfindet. Daf&uuml;r ben&ouml;tigen sie ca. 3&ndash;6 Monate. Hierbei l&auml;sst sich ein deutlicher Trend zur reduzierten Intensit&auml;t und zum Wechsel von High-impact- zu Low-impact-Sportarten beobachten. Ob dies aufgrund der im Allgemeinen zur&uuml;ckhaltenden &auml;rztlichen Empfehlung zustande kommt oder durch Rekonvaleszenz bzw. durch die Prothese selbst limitiert wird, wurde bisher nicht im Detail gekl&auml;rt. Im Einzelfall k&ouml;nnen Patienten postoperativ sogar eine Verbesserung ihres Aktivit&auml;tsniveaus erreichen. Hierbei ist der pr&auml;operative individuelle Allgemeinzustand von entscheidender Bedeutung.<br /> F&uuml;r Low-impact-Sportarten gibt es derzeit keine Daten, die negative Auswirkungen auf die Prothese durch die Aus&uuml;bung des Sportes gezeigt haben. Hingegen gibt es f&uuml;r H&uuml;ftprothesen erste Daten, die auf negative Konsequenzen durch High-impact- Sportarten hinweisen. F&uuml;r Knieprothesen ist ein solcher Zusammenhang nicht nachgewiesen.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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